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Kostprobe | 04.09.2022 Jordi Savall spielt Glucks famose Reformballette

Der große Opernreformer Christoph Willibald Gluck reformierte auch das barocke Nummernballett hin zum pantomimischen Handlungsballett. "Don Juan" und "Sémiramis" sind Glucks erste Reformballette. Meisterhaft interpretiert von Jordi Savall und Le Concert des Nations.

CD-Cover: Don Juan - Sémiramis | Bildquelle: © Alia Vox

Bildquelle: © Alia Vox

Als Christoph Willibald Gluck, der große Star der italienischen Opera seria, sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Wien niederließ, änderte sich sein Musikgeschmack. Die Nummernoper mit ihren auf vordergründige Affekte abzielenden Bravourarien sollte einem durchkomponierten musikdramatischen Gesamtwerk weichen, in dem Wort und Musik gleichberechtigt sind. Mit seiner ersten Reformoper "Orfeo ed Euridice" schlug Gluck 1762 diesen Weg ein und veränderte damit die Opernwelt. Dass er in Wien auch gleich das Ballett reformierte, ist weniger bekannt. Mit "Don Juan" schlug Gluck bereits 1761 den Weg vom starren Nummernballett zum dramatischen Handlungsballett ein. Zwar gab es auch dort noch genügend gängige Tanzsätze wie Menuett und Gavotte, aber eben auch schon Handlung in Musik gesetzt. Don Juans verführendes Ständchen für die Nichte des Komturs etwa übernimmt die Oboe.

Rasante Tempiwechsel

Nachdem Don Juan die Nichte verführt hat und vom Komtur in einen Kampf verwickelt wird, meint man förmlich die Schwerter rasseln zu hören. Beim Fest nach der Tötung des Komturs wird natürlich ein verführerischer Fandango getanzt. Und richtig gespenstisch wird es, wenn Don Juan mit dem toten Komtur an dessen Grabmal ringt und in die Hölle gestoßen wird. Altmeister Jordi Savall und sein erfahrenes Ensemble Le Concert des Nations spielen dieses Ballett mit starken Affekten, schillernden Klangfarben und rasanten Tempiwechseln. Mehr aber noch tun sie das in dem zweiten Ballett auf dem Album. "Sémiramis" wurde vier Jahre später uraufgeführt und geht noch einen Schritt weiter auf dem Weg zum Handlungsballett.

Heldenhafte Auftritte

Hier gibt es überhaupt keine konventionellen Tanzsätze mehr. Das ganze brutale Ballett mit Mord, Blut und Tod, Inzest, Rache und Sühne um die assyrische Königin Sémiramis ist mit Charakterstücken durchkomponiert. Das Werk strotzt von heldenhaften Auftritten, bedrohlichen Gewittern, gespenstischen Momenten am Grabmal bis hin zum blutigen Finale.

Schade nur, dass ausgerechnet Glucks "Sémiramis" schon 1765 nicht ankam beim Publikum und es bis heute nicht richtig geschafft hat. Jordi Savall holt die vernachlässigte "Sémiramis" aus dem Schatten hervor und präsentiert uns den Ballettreformer Gluck auf beindruckende Weise. Ein Album mit Repertoirewert.

Don Juan - Sémiramis

Christoph Willibald Gluck
Le Concert des Nations
Jordi Savall
Label: Alia Vox

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 4. September 2022, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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