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Musica Antiqua 2023/2024 Stimmakrobatik und klösterliche Ekstase

Zwei Sterne am aktuellen Sopranhimmel kommen nach Nürnberg zur Musica Antiqua: Bruno de Sá und Dorothee Mields. Weitere Konzerte drehen sich u.a. ums Küssen und um musizierfreudige Klöster. Ein Überblick über die neue Saison.

Das Ensemble 1700 unter der Leitung von Dorothee Oberlinger | Bildquelle: Johannes Ritter

Bildquelle: Johannes Ritter

Die Alte-Musik-Szene tauscht sich wie fast alle Interessengruppen im Internet und in den sozialen Medien aus. Dort werden Konzertdaten veröffentlicht, neue Projekte vorgestellt, Teaservideos und Musikclips eingestellt, Kontakte geknüpft; dort wird über Trends und Entwicklungen diskutiert. Da ist es ein schönes Gedankenspiel, mal zu fragen: Wer wären denn im Barock die wichtigen Influencer im Bereich der Musik? Eine pfiffige Antwort darauf gibt Dorothee Oberlinger mit ihrem Programm #BaroqueInfluencers: Namen wie Bononcini, Scarlatti oder Händel. Sie verkörpern Italiens Passion für das gesungene Drama, die Show, die damals viel mehr umfasste als Rezitative und Arien: spektakuläre Bühneneffekte, aufwändige Bühnenbilder und Kostüme, Akrobaten und Zauberkünstler in den Pausen. Und Musik mit Hitqualität. Für ihr Projekt hat sich die Blockflötistin, Dirigentin, Intendantin und Hochschullehrerin neben ihrem Ensemble 1700 den brasilianischen Sopranisten Bruno de Sá an Bord geholt. Gemeinsam eröffnen sie am Donnerstag, den 21. September 2023, die neue Saison der Nürnberger Konzertreihe Musica Antiqua.

Stimmakrobatik zum Saisonauftakt

Der brasilianische Sopranist Bruno de Sá | Bildquelle: Marcos Hermes Bildquelle: Marcos Hermes Ein spektakulärer Auftakt in die Saison der Musica Antiqua, wo bereits nahezu alle großen Namen der Originalklangszene von Jordi Savall bis Reinhard Goebel und von Christopher Hogwood bis Christina Pluhar zu Gast waren. Denn es gibt nur wenige Männerstimmen wie die von Bruno de Sá, die sich so leicht und doch kraftvoll im Register des Soprans bewegen. Er erreicht eine erstaunliche Höhe, aber auch seine Virtuosität und Musikalität machen ihn zu einer Ausnahmeerscheinung auf den Bühnen der Welt.

Abenteuer Alte Musik

Traditionsreich, aber quicklebendig: So präsentiert die Konzertreihe Musica Antiqua seit über 65 Jahren Musik von gestern für die Ohren von heute und morgen, veranstaltet von BR-KLASSIK Franken und dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (GNM). Von Beginn an hat die Reihe den Aufschwung der Historischen Aufführungspraxis begleitet und die Protagonist:innen der Szene dem Nürnberger Publikum vorgestellt. Am Puls der Zeit ist auch das zweite Konzert der aktuellen Saison, denn im Mittelpunkt steht das Instrument des Jahres 2023.

Es zirpt und zittert

Sie zirpt sanft, tremoliert zärtlich, auf Gemälden ist oft sie es, die den Schoß einer sehnsüchtig in die Ferne blickenden Frau oder eines frisch verliebten Mannes ziert. Die Mandelform hat ihr den Namen gegeben: die Mandoline. Als Instrument des Jahres bekommt sie endlich die Aufmerksamkeit, die sie lange verdient, denn: Die allergrößten Komponisten haben für die Mandoline geschrieben, darunter etwa Antonio Vivaldi und Ludwig van Beethoven. Am 13. Dezember holen Daniel Ahlert, Spezialist für historische Mandolinen, und der niederländische Cembalist Leon Berben das Zupfinstrument mit seinem schönen Bauch, die kleine Schwester der Laute, ins Rampenlicht der Musica Antiqua.

Küsse für die Ohren

Dorothee Mields - Sopran | Bildquelle: © Harald Hoffmann Bildquelle: © Harald Hoffmann Aber auch für die intimen Momente ist Zeit: Ums Küssen geht es im Konzert von zwei Größen der Szene: der Sopranistin Dorothee Mields und der Cembalistin und Pianistin Christine Schornsheim. Allein ihre Interpretationskunst umschmeichelt die Ohren wie Küsse, aber sie haben für ihr Programm am 11. Februar 2024 auch Werke aus dem Hause Bach ausgesucht, in denen es sich um die vielen Facetten des Küssens dreht.
In der aktuellen Saison der Musica Antiqua kann das Publikum vor allem auch die ganze stilistische Bandbreite der Alten Musik erleben. Der Blick geht zurück bis ins Mittelalter, wo vor allem die Klöster ein Hort des Musizierens waren. Am 15. Mai 2024 reist das Ensemble "Ordo Virtutum" in die Welt zweier berühmter Klöster des Mittelalters: Citeaux und Cluny. Sie stehen für zwei monastische Reformbewegungen, die unterschiedlicher kaum sein könnten: das benediktinische "Mönchsimperium" von Cluny mit seiner imposanten Klosterstadt und mit Äbten, die in der pompösen Ausstattung von Kirchenraum und Liturgie samt ihrem Gesang den richtigen Weg zu Gott sahen; und demgegenüber der damals neue Orden der Zisterzienser, der Askese und Abkehr von allem Überflüssigem als klösterliches Ideal propagierte und dabei auch den Choral reformierte. Für dieses klösterliche Konzert zieht die Musica Antiqua auch um: vom modernen Aufseßsaal in die Kartäuserkirche des GNM, das ja auf den Überresten eines alten Kartäuserklosters errichtet worden ist.

Ein musikalisches Fest

Auf der anderen Seite der Zeitskala steht das 18. Jahrhundert mit seiner prachtvollen Musikkultur. So empfindet das Ensemble la festa musicale am 17. Januar 2024 ein musikalisches Fest am Hannoverschen Hof nach wie es zur Zeit Händels dort zelebriert worden sein könnte. Dieser Hof war der Musik sehr zugeneigt. Berühmte italienische Musiker präsentierten zu allen möglichen Anlässen ihre Virtuosität. Und manchmal diente die Musik auch pikanten Angelegenheiten. So soll der Liebhaber der Kurfürstin immer die Follia-Melodie als Erkennungssignal gepfiffen haben, bevor er sich in ihre Gemächer schlich. Hannover, Wolfenbüttel und Braunschweig waren musikalische Zentren in der Barockzeit – mit Auswirkungen bis nach England, denn als Kurfürst Georg-Ludwig als George I. dort den Thron übernahm, gingen mit ihm zahlreiche Musiker nach London, darunter auch der berühmteste: Georg Friedrich Händel.

Sendung: "Allegro" am 19. September ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

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