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A cappella Stil-, Besetzungs-, und Tempobegriff in der Vokalmusik

Bei a cappella-Werken kann ein Chor zeigen, ob er einen wunderbar reinen Chorklang erschaffen kann – ohne Begleitung von Instrumenten. Anfangs aber hatte dieser Begriff eine andere Bedeutung.

Chor Bayerischer Rundfunk | Bildquelle: BR

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Stichwort | 12.04.2015

A cappella heißt wörtlich "nach Art der Kapelle" und meinte seit dem 16. Jahrhundert das Singen nach dem Vorbild der päpstlichen Kapelle. Was diesen Stil damals auszeichnete, beschreibt Christoph Bernhard um 1650:

"Contrapunctus gravis ist, welcher aus nicht allzugeschwinden Noten, wenig Arten des Gebrauchs der Dissonantzen besteht, und nicht so sehr den Text als die Harmonie in Acht nimmt, und weil dieses Genus allein den Alten bekandt gewesen, als wird er Stylus antiquus genennet, auch wohl a Capella, Ecclesiasticus, weil er sich dahin mehr als andere Orte schicket, und weil solchen der Pabst allein in seiner Kirchen und Capelle beliebet."

"A cappella" - also ursprünglich: ein anderes Wort für den strengen Kirchenstil, für den repräsentativ die Werke von Giovanni Pierluigi da Palestrina standen.

WANDLUNG DER BEDEUTUNG

Heute verstehen wir etwas Anderes unter a cappella: nämlich das Singen eines Vokalensembles ohne Instrumentalbegleitung. Wie aber kam es zu diesem Bedeutungswandel? Er ist ein relativ spätes Phänomen: die Romantiker verklärten nach 1800 den Palestrina-Stil als reinen Ausdruck unverdorbener Religiosität und schwärmten von der sittlich veredelnden Kraft dieser Musik. Damals glaubte man, dass eine solch edle Musik mit nichts als dem reinen Vokalklang aufgeführt worden sein konnte.

So stand a cappella bald generell für den unbegleiteten Chorgesang, der Bezug zum Palestrina-Stil hingegen ging mit der Zeit verloren. In Italien ist noch eine dritte Bedeutungsebene von "a cappella" in Gebrauch: "Tempo a capella" steht synonym für den Alla-breve-Takt.

DER MEISTER PALESTRINA

"A cappella" - ein vielschichtiger Begriff; doch gehen alle seine Bedeutungsebenen letztlich auf das Ideal der Kirchenmusik zurück, wie es beim Konzil von Trient formuliert und von Palestrina in Klänge gefasst worden ist: klare Strukturen, kantable Melodien, wenige Dissonanzen - die Musik als devoter Diener der göttlichen Botschaft.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 12. April 2015, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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