BR-KLASSIK

Inhalt

Abendmusiken Kostenlose Konzerte in der Lübecker Marienkirche

Die berühmten Lübecker Abendmusiken zählen zu den ersten öffentlichen Konzerten in Deutschland. Ihre Hoch-Zeit erreichten diese kostenlosen Kirchenkonzerte, die einen Gegenpol zur Hamburger Oper bildeten, im 17. und 18. Jahrhundert.

Marienkirche in Luebeck - Innenansicht | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Das Stichwort vom 21. Oktober 2018

Abendmusiken

Zeitvertreib und Langeweile. Das dürften die wesentlichen Motive für die Gründung der Lübecker Abendmusiken gewesen sein. Denn in der Mitte des 17. Jahrhunderts schlugen musikliebende Kaufleute ihre Wartezeit bis zur abendlichen Öffnung der Börse am Marktplatz damit tot, dass sie sich donnerstags in der benachbarten Marienkirche versammelten. Hier hörten sie Franz Tunder, dem Organisten von St. Marien, beim Orgelspiel zu.

Spendierfreudige Kaufleute

Tunder haute mächtig in die Tasten. Denn die reichen Lübecker Kaufleute waren durchaus dazu bereit, für den musikalischen Zeitvertreib in die Tasche zu greifen. Und der Organist, froh ob dieser neuen Einnahmequelle, ließ sich nicht lumpen. Er weitete die Abendmusiken aus, indem er weitere Instrumentalisten und auch den einen oder anderen Sänger anheuerte.

Zwei neue Emporen in der Marienkirche

Doch so richtig groß und weit über die Region hinaus bekannt wurden diese ersten öffentlichen Konzerte Deutschlands erst, als sich Dietrich Buxtehude der Sache annahm. Der Nachfolger und Schwiegersohn Franz Tunders ließ in der Marienkirche zwei neue Emporen nahe der großen Orgel einbauen. Jetzt hatten auf den insgesamt sechs Emporen rund 40 Sänger und Instrumentalisten Platz.

Konzerte für alle Bevölkerungsschichten

Buxtehude "berühmt im Componieren auf Chören, Orgeln und Clavieren", wie es in einem zeitgenössischen Lobgedicht auf den Marien-Organisten heißt, machte diese Konzerte groß und aufsehenerregend. Denn der Rat, die Zünfte und die Kaufleute zahlten, und so konnte er aus dem Vollen schöpfen. Dietrich Buxtehude bot eine Mischung aus Instrumentalstücken, Psalmvertonungen, Kirchenliedern, Kantaten und Oratorien. Für seine Abendmusik "Castrum doloris" zum Gedenken an den Tod von Kaiser Leopold I., die höchstwahrscheinlich auch der junge Johann Sebastian Bach gesehen hat, ließ er sogar Kulissen aufbauen und die Chorsänger in Kostümen auftreten. Da der Eintritt frei war und alle Bevölkerungsschichten in die Konzerte strömten, kam es mitunter sogar zu Tumulten. Die Ratswache musste die Abendmusiken regelmäßig sichern.

Erfolgreich bis heute

Unter Buxtehudes Nachfolgern Schieferdecker, Kunzen und Königslöw bekamen die Abendmusiken dann einen Zug ins Opernhafte. Auch wurden ab 1800 die weltlichen Freitagskonzerte in der Börse im Rathaus immer attraktiver und liefen den Kirchenkonzerten zunehmend den Rang ab. 1810 schließlich stellte man die Abendmusiken wegen des Kriegs gegen die Franzosen ein. Erst 1926, mit der Wiederentdeckung des zweihundert Jahre lang völlig vergessenen Dietrich Buxtehude, wurden die Abendmusiken wieder eingeführt und bilden bis heute einen wichtigen Baustein im Musikleben der Hansestadt.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 21. Oktober 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

    AV-Player