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Gustav Leonhardt Organist, Cembalist und Alte-Musik-Pionier

Vielen galt er als Grandseigneur des Cembalos und als einer der wichtigsten Interpreten Johann Sebastian Bachs: Er hat mit Nikolaus Harnoncourt alle Kirchenkantaten aufgenommen und schlüpfte einst selbst in die Rolle des Meisters.

Gustav Leonhardt | Bildquelle: picture alliance / Fred Toulet/Leemage | ©Fred Toulet/Leemage

Bildquelle: picture alliance / Fred Toulet/Leemage | ©Fred Toulet/Leemage

"Dass die alten Komponisten und alles, was damit zusammenhängt, mich echt erfasst haben, das war im letzten Kriegsjahr, wo in Holland keine Schule war, man konnte das Haus nicht verlassen, es gab kein Essen, keinen Strom, kein Wasser - es gab nichts. Da waren wir zu Hause, durften und konnten nicht ausgehen und da entdeckte ich das Cembalo, das meine Eltern für Kammermusik, als Liebhaber schon gekauft hatten vor dem Krieg, was erstaunlich ist: Das stand da und hat mich dann gepackt. Und da habe ich nichts Anderes getan, als dieses Instrument gespielt, und schon reguliert. Ich war etwa 15, 16 Jahre denke ich, da habe ich mich ganz hineingestürzt."

DIE LIEBE ZUM CEMBALO? ZUFÄLLIG ENTSTANDEN

So erzählte Gustav Leonhardt von den Anfängen seiner Begeisterung für die Alte Musik. Geboren 1928, gehörte er bereits in den 1940er, 50er Jahren zu den Pionieren der historischen Aufführungspraxis. Obwohl er sich dieser frühen Jahre später durchaus mit einer gewissen Ironie erinnerte:

"Es gibt ja noch so viel Fragen, das ist erstaunlich! Fast noch mehr Fragen jetzt, als vor 50 Jahren. Da war es viel einfacher; schwarz-weiß: Bach am Klavier ist schlecht, Bach am Cembalo ist gut. Aus. Ohne nachzudenken, dass die meisten Cembali damals scheußliche Dinger waren, die hatten wenig mit den alten zu tun. Oder man wurde schon als ein Experte betrachtet, wenn man sagte, in der Alten Musik muss der Triller mit der oberen Nebennote angefangen werden. Da war man schon ein Kenner!"

Nach dem Krieg studierte Leonhardt in Basel Orgel und Cembalo, und wurde bald nach seinem Examen als Professor nach Wien, kurz darauf auch nach Amsterdam berufen, später noch nach Harvard, Siena und an andere Hochschulen.

AUSFLUG IN DIE WELT DES FILMS

Vielen Menschen wurde er 1967 durch den Film "Chronik der Anna Magdalena Bach" bekannt, in dem er die Rolle des Johann Sebastian Bach spielte und als solcher musizierte. Von 1971 bis 1990 arbeitete er gemeinsam mit Nikolaus Harnoncourt an der ersten Gesamteinspielung sämtlicher Bachscher Kirchenkantaten in historischer Aufführungspraxis.

Doch obwohl er Bach als den größten Komponisten, der je gelebt hat, bezeichnete, spielte Leonhardt nicht hauptsächlich Bach:

"Es gibt so unglaublich viel auf meinem Gebiet (Orgel und Cembalo), die Literatur ist unabsehbar. Das ist auch ein Grund, dass ich ihr mein ganzes Leben widmen kann."

UNERMÜDLICH BIS INS HOHE ALTER

Und so zeigte Leonhardt auch nach 60 Jahren noch keinerlei Ermüdungserscheinungen in seiner Hingabe an die Alte Musik: "Ich mache weiter, und ich bin froh, dass es so sein kann. Und dankbar, dass man diese Art der Musik noch hören will."

Über die er aber eigentlich auch gar nicht groß sprechen mochte: "Ein Musiker, der spricht, ist schon verdächtig!"

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 16. Oktober 2011, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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