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Quinterne Unbekannte Halbschwester der Laute

Eine Quinterne - was ist das? Ein böhmisches Dorf, oder doch eher eine neue italienische Eissorte? Das Radiolexikon Alte Musik klärt auf! Sie werden sich wundern...

Musiker mit Quinterne - Fischmarktbrunnen in Basel | Bildquelle: © Mattes

Bildquelle: © Mattes

"Die Quinterne wird gerade im Spätmittelalter so ein bisschen wie die kleine Schwester der Laute behandelt, gehört aber genaugenommen nicht zur Familie der Lauteninstrumente. Sie hat sich also separat entwickelt und erst im 15. Jahrhundert nähert sie sich so klanglich, sagen wir mal, an die Laute an".

So erklärt Marc Lewon, Professor für Lauteninstrumente des Mittelalters und der frühen Neuzeit an der Schola Cantorum Basiliensis, was dieses Wort, Quinterne, bedeutet. Ein Wort, das wohl selbst vielen Mittelalterfreunden eher unbekannt sein dürfte, denn heutzutage gibt es nur wenige Musiker, die dieses Instrument spielen - obwohl es in früheren Jahrhunderten in ganz Europa verbreitet war. Erste Erwähnung findet die Quinterne übrigens in westeuropäischen Quellen des 13. Jahrhunderts, wo sie je nach Land etwa guitarra, guiterne oder chitarra heißt. Aber sie muss schon eine ganze Weile vorher existiert haben, und während die Laute aus dem arabischen Kulturraum nach Europa kam, scheint die Quinterne ein Instrument ohne Migrationshintergrund zu sein: Zumindest findet sie sich in keiner arabischen Quelle. Und noch weitere Apsekte unterscheiden sie von der Laute. Marc Lewon:

"Sie ist wie die Laute rund und hat hinten einen runden Bauch wie die Laute, aber sie wird aus einem Stück Holz ausgehöhlt und nicht wie die Laute aus Holzspänen zusammengesetzt. Sie hat einen sichelförmigen Kopf, keinen abgewinkelten, wie bei der Laute, und normalerweise einen Tierkopf ganz am Ende dieses Kopfes".

Vielseitigkeit und Demokratie

Und nicht nur war die Quinterne im Mittelalter schon ganz demokratisch in allen Gesellschaftsschichten verbreitet, sondern sie wurde auch zu verschiedensten Zwecken verwendet:

"Sie ist als Instrument kleiner, dadurch auch höher als die Laute und im 15. Jahrhundert deswegen wohl auch eingesetzt, um Oberstimmen zu spielen, während die Laute dann besser die Unterstimmen spielen kann. Dass man die beiden Instrumente als Ensemble einsetzt war wohl üblich, im Spätmittelalter, und die Quinterne dann für die schnellen, verzierten Oberstimmen. Vorher wurde sie, und auch parallel dazu, aber wohl auch zur Gesangsbegleitung eingesetzt, also zur Begleitung von einstimmiger Musik. Ich benutze sie relativ vielseitig, gerade auch für frühe Musik, zur Begleitung von Einstimmigkeit zum Beispiel, von sagen wir mal Trouvère-Musik, Trobador-Musik des 13., 14. Jahrhunderts, aber dann auch als Instrument in Polyphonie".

Und letzteres funktioniert besonders gut, denn: Anders als die Laute hatte die Quinterne schon im 13. Jahrhundert Bünde - quer um das Griffbrett geknotete Saiten, welche die Tonhöhe genau festlegen, wenn eine Saite gedrückt wird. Dadurch eignet sie sich hervorragend dazu, eine Stimme in einem mehrstimmigen Stück zu spielen.

Urgroßmutter der Gitarre

Und übrigens gilt die Quinterne als Vorläuferin von Mandoline und Gitarre: Ab dem frühen 16. Jahrhundert taucht sie auch mit abgeflachtem Rücken auf und befand sich somit schon auf dem besten Weg zur Gitarrenform. Die Verwandtschaft mit der Mandoline zeigt sich auch darin, dass die Quinterne mit Plektrum gespielt wird. Was nicht nur den Vorteil hat, die Finger des Spielers zu schonen, wie Marc Lewon erwähnt:

"Sie hat einen sehr kräftigen Klang und sehr durchdringend. Also man kann sehr weit mit ihr spielen, wird gut gehört. Ich hatte einmal nach einem Konzert die Rückmeldung bekommen, noch nie habe der Zuhörer ein Instrument gehört, das wie eine Laute aussieht und so laut klingt....".

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 6. Mai 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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