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Dominique Horwitz im Gespräch "Mendelssohns Genie macht einfach fassungslos"

Ein Treffen unter Genies: 1821 reist der damals 12-jährige Mendelssohn zusammen mit seinem Lehrer Carl Friedrich Zelter nach Weimar zu Goethe. Dominique Horwitz und das Fauré Quartett machen die Jugendreise Mendelssohns nun mit einem Konzertprogramm lebendig - in Text und Musik.

Dominique Horwitz Sänger, Schauspieler, Schriftsteller | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Dominique Horwitz im Gespräch

"Mendelssohns Genie macht einfach fassungslos"

BR-KLASSIK: Herr Horwitz, Sie gestalten zusammen mit dem Fauré Quartett ein Programm, in dem es um die Beziehung zwischen dem jungen Mendelssohn und dem alten Goethe geht. Mit dem Ausspruch "Mach mir doch noch ein wenig Lärm vor" ist das Programm überschrieben. Hat Goethe das wirklich gesagt?

Dominique Horwitz: Ja, in der Tat. Der Satz war humorvoll gemeint. Es war eine sehr warmherzige Beziehung zwischen den beiden, obwohl der eine über siebzig und der andere zwölf Jahre alt war.

BR-KLASSIK: Mendelssohn hat ja auch an seine Familie geschrieben, dass er jedes Mal, wenn er Goethe etwas vorgespielt hat, von ihm ein Küsschen bekommen hat und am Nachmittag sogar zwei. Wie muss man sich das vorstellen?

Dominique Horwitz: Ich weiß es nicht. Ich nehme an, der Knabe war so begeistert, dass er darauf bestanden hat, sein Küsschen zu bekommen. Wie eine Art Bezahlung.

Felix Mendelssohn Bartholdy 1821 von Maler Carl Joseph Begas  | Bildquelle: Wikimedia Commons Felix Mendelssohn im Jahr seiner Weimarreise, 1821 | Bildquelle: Wikimedia Commons BR-KLASSIK: Und der junge Mendelssohn war natürlich auch sehr gebildet und wusste, dass Goethe der Autor des Werther und des Faust ist. Er fühlte da offensichtlich auch einen Reiz des Ruhms, der auf ihn übergeht, oder?

Dominique Horwitz: Ja, selbstredend. In seiner eigenen Familie waren alle von Goethe beeinflusst und das war natürlich für diesen Knaben etwas ganz Tolles. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass er erst zwölf Jahre alt war, als er seine Tagebucheinträge geschrieben hat. Man denkt, es reflektiert ein 25-Jähriger über das Leben.

BR-KLASSIK: Also ein sehr früh reif gewordener Mensch. Zu den Texten spielt das Fauré Quartett frühe Kompositionen von Mendelssohn. Wie fügen sich Text und Musik zusammen?

Dominique Horwitz: Ich finde erstaunlich, was passiert, wenn man die Texte liest, sowohl von Goethe als auch von Mendelssohn und dessen Lehrer Zelter, und parallel dazu Mendelssohns Musik erklingt. Man kriegt einfach dieses Bild des Knaben nicht mehr aus dem Kopf und ist wirklich über die gesamte Zeit fassungslos. Es ist so ein ganzkörperliches Empfinden: So fühlt sich Genie an.

BR-KLASSIK: Sie leben in Weimar und haben sich sehr intensiv mit der Geschichte der Stadt beschäftigt. Sie haben auch einen Roman geschrieben, der in Weimar spielt. Spürt man die Vergangenheit noch so stark? Und wie kommt dann die Gegenwart zum Zug?

Dominique Horwitz: Das ist das Besondere an dieser Stadt. Sie kann gar nicht anders, als Vergangenheit und geistige Substanz auszustrahlen. Und das ist manchmal schwierig. Also, ein bisschen mehr Normalität täte, glaube ich, der Stadt sehr gut. Nun, die Aufgaben, die eine Stadt mit diesem Anspruch zu bewältigen hat, mit diesen vielen Orten, die man finanziell unterhalten muss, sind ganz klar gesetzt. Ich wäre ungern Bürgermeister von Weimar. Das ist eine schier unlösbare Aufgabe.

BR-KLASSIK: Das heißt, die glanzvolle Vergangenheit ist eher eine Last?

Dominique Horwitz: Möglicherweise ja. Sie ist sowohl ein Vermächtnis als auch etwas, was man erfüllen muss, wofür die Menschen auch dankbar ist. Aber es ist bestimmt auch eine Last.

BR-KLASSIK: Wie geht es Ihnen denn mit Goethe? Er hat ja fast etwas Einschüchterndes.

Dominique Horwitz: Also, da ist man fassungslos, wenn man darüber nachdenkt, wie kultivierte Menschen früher gelebt haben. Wir leben jetzt in einer Zeit, in der wir das Gefühl vermittelt bekamen, dass uns doch eine Menge zusteht. Das war in der Zeit von Goethe den Leuten völlig fremd. Man musste sich derartig geistig bewegen, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, dass Freizeit den Leuten eigentlich gar kein Begriff war. Wenn man überlegt, was Mendelssohn für einen Stundenplan hatte - er wurde ja privat unterrichtet - dagegen ist ja ein Abiturient eine Schnarchnase. Alles war beschwerlich, nichts war selbstverständlich. Und ich glaube, ein bisschen von dieser Einstellung würde vielen Menschen helfen.

Das Gespräch führte Bernhard Neuhoff für BR-KLASSIK.

Das Fauré Quartett spielt Mendelssohn

12.04.2016, Erlangen, Heinrich-Lades-Halle
F. Mendelssohn: Klavierquartett f-Moll op. 2
F. Mendelssohn: Klavierquartett h-Moll op. 3
Textcollage von Sascha Frömbling
Fauré Quartett
Dominique Horwitz, Rezitation

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