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Besuch bei besonderen Aufnahmen in Neumarkt Lieder von Henri Marteau

Neumarkt in der Oberpfalz im Juni 2017. Im Historischen Reitstadel, einem der akustisch besten Kammermusiksäle Deutschlands, ist das Isasi Quartett zu Gast, ein französisch-belgisch-deutsches Streichquartett, gegründet 2009 und benannt nach dem baskischen Komponisten Andrés Isasi (1890 bis 1940). Und – bei Streichquartett-Aufnahmen eher ungewöhnlich – als Solistin ist auch die französische Mezzosopranistin Karine Deshayes dabei.

Karine Deshayes singt Henri Marteau | Bildquelle: BR

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Video: Karine Deshayes und das Isasi Quartet proben Henri Marteau

Gemeinsam nehmen Deshayes und das Isasi Quartet eines der wenigen Werke in der Musikgeschichte auf, die für die Besetzung Singstimme und Streichquartett geschrieben worden sind: Die "Huit Mélodies" op. 19 von Henri Marteau. Karsten Dobers, der Bratschist des Isasi Quartet: "Es gibt so wenig Originales für Stimme und Streichquartett: Schönbergs Zweites Streichquartett, dann noch 'Il Tramonto' von Respighi, außerdem noch ein paar andere Werke. Eine sehr seltene Besetzung." Die Sängerin Karine Deshayes war sofort begeistert von der Musik: "Ich war sehr glücklich, dass ich diese Lieder von Marteau dank des Isasi Quartet kennenlernen durfte. Es ist, als würde man ein Quintett aus Stimme und Streichquartett bilden. Es strahlt wirklich die Atmosphäre von Kammermusik aus. Ich finde es interessant, dass sich die Stimme so gut mit dem Klang des Quartetts mischt."

Eine sehr französische Tonsprache und Gefühlswelt – poetisch und deskriptiv.
Bratschist Karsten Dobers zu Henri Marteaus Huit Mélodies op. 19

Lange verschollene Schätze

Der Komponist und Violinvirtuose Henri Marteau | Bildquelle: picture-alliance/dpa Henri Marteau | Bildquelle: picture-alliance/dpa Draußen im Ü-Wagen des Bayerischen Rundfunks gibt Tomeister Johannes Müller das Startsignal, zwei Tage wird an dem Stück gefeilt. Karsten Dobers faszinieren vor allem die Lebensumstände, unter denen Marteau seine "Acht Melodien" komponiert hat: "Das Werk ist entstanden, als Marteau im Ersten Weltkrieg in Schutzhaft war. Er war ja als französischer Reserveoffizier, der in Deutschland lebte, sofort nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs eingesperrt worden, und da hat er dann einfach komponiert. Und was ich so interessant finde: Als er in dieser Schutzhaft war, hat er dann erst recht französische Gedichte von Sully Prudhomme und François Coppée vertont, mit einer wirklich sehr französischen Tonsprache und Gefühlswelt – also sehr poetisch, sehr deskriptiv." Lange Zeit galten die "Huit Mélodies" als verschollen, erst 2016 wurden sie in Berlin wieder entdeckt und standen als Welt-Ersteinspielung auf dem Programm der Neumarkter Aufnahme-Session von Karine Deshayes und dem Isasi Quartet.

Die Sendung zur CD-Produktion

Eine Stunde mit Musik und Hintergrundinformationen zur CD-Produktion mit Henri Marteaus "Huit Mélodies" können Sie hier anhören.

Steckbrief Henri Marteau

Henri Marteau wurde 1874 im gleichen Jahr wie Arnold Schönberg geboren, er war ein Jahr jünger als Max Reger, mit dem ihn eine enge Künstlerfreundschaft verband. Als Sohn eines Franzosen und einer Deutschen war Marteau hin- und her gerissen zwischen den beiden Nationen. Die Franzosen sahen ihn als Deutschen, die Deutschen als Franzosen. Neben seiner Weltkarriere als Geigenvirtuose war er ein gefragter Pädagoge – zuerst als Geigen-Professor in Genf, später als Nachfolger von Joseph Joachim an der Berliner Musikhochschule, danach an der Deutschen Akademie in Prag sowie schließlich am Leipziger und am Dresdner Konservatorium. Darüber hinaus war Henri Marteau ein ambitionierter, vielseitiger Komponist. Seine Musik sei, wie ein Prager Kritiker formulierte, eine "Mischung aus französischer Eleganz und deutscher Gründlichkeit".

CD-Cover: Henri Marteau:
Sämtliche Werke für Streichquartett, Vol. 1 | Bildquelle: cpo Cover der CD | Bildquelle: cpo Zwischen seinen Tourneen als Solokünstler zog Marteau sich gerne in sein Refugium zurück: eine ländliche Villa bei Lichtenberg. Heute befindet sich dort die Internationale Musikbegegnungsstätte des Bezirks Oberfranken. Das sogenannte Haus Marteau veranstaltet Meisterkurse mit renommierten Dozenten – in nächster Zeit beispielsweise mit Cheryl Studer, Edda Moser oder Bernd Glemser. Außerdem organisiert die Begegnungsstätte Vorträge und Konzerte sowie zusammen mit den Hofer Symphonikern den internationalen Henri-Marteau-Violinwettbewerb.

Mehrteiliges CD-Projekt

Im März ist nun die CD mit den Aufnahmen aus Neumarkt erschienen, produziert von BR-KLASSIK Studio Franken und dem Label cpo. Es ist der erste Teil einer CD-Reihe, in der nach und nach alle Streichquartette Henri Marteaus veröffentlicht werden sollen.

Infos zur CD

Henri Marteau:
Sämtliche Werke für Streichquartett, Vol. 1

Streichquartett Nr. 2, op. 9
Huit Mélodies op. 19 für Mezzosopran und Streichquartett
Karine Deshayes, Mezzosopran
Isasi Quartet
Label: cpo

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