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Sergej Rachmaninow Klavierkonzert Nr. 1

Sergej Rachmaninows Erstes Klavierkonzert war zugleich sein Opus 1. Vor seiner Emigration revidierte der Komponist das Stück nochmals. Auch wenn die Klavierkonzerte zwei und drei heute populärer sind, besitzt das Erste Konzert eine besondere Bedeutung: Mit ihm fand Rachmaninow zu seiner ganz eigenen Sprache. Aurelia Weiser stellt das Starke Stück gemeinsam mit dem Pianisten Bernd Glemser vor.

Sergej Rachmaninow | Bildquelle: Wikimedia Commons, lizenziert unter GNU-Lizenz

Bildquelle: Wikimedia Commons, lizenziert unter GNU-Lizenz

Die Sendung zum Anhören

Mit vollem Erfolg führte Sergej Rachmaninow den ersten Satz seines Opus 1, des Klavierkonzerts Nr. 1, beim eigenen Klavierexamen am Moskauer Konservatorium im März 1892 auf. Nachdem er eine schwere Meningitis überstanden hatte, entstanden der zweite und dritte Satz, und bald schloss er seine Kompositionsstudien ab. Erzogen wurde er, wie sein Studienkollege Skrjabin, in der großen russisch-romantischen Tradition Tschaikowskys. Einige Jahre danach haben das Zweite und Dritte Konzert mit ihren dickeren, schwereren Orchestersätzen das Erste längst in ihren Schatten gestellt, zum Leidwesen Rachmaninows. Teile des Klavierparts änderte er 1917, während der Oktoberrevolution, und verbesserte Details an der Instrumentierung, um es wieder populärer zu machen. Es ist das letzte Werk, das Rachmaninow komplettierte, bevor er ins Exil ging. Bald führte er das Werk in New York mit dem Russischen Symphonie Orchester auf.

Raum, Weite und Sehnsucht

Nach der quirligen, farbigen Eröffnung weitet sich die Szenerie in den ersten Takten des mit "Andante" überschriebenen zweiten Satzes – ein Gefühl von Raum, Weite und Sehnsucht stellt sich ein, wie man es bei russischer Musik oft erlebt. "Hier befindet sich die Harmonik in einem Schwebezustand", sagt Bernd Glemser. "Es ist nicht die klassische 'fünf-eins'-Harmonik, wo man sich denkt: Da ist eine Spannung und die baut sich wieder ab, sondern da ist etwas Schwebendes in der Chromatik. Das gibt das Gefühl von einer gewissen sehnsüchtigen Weite."

Es sind wahnsinnig gute Ideen drin in diesem Stück, sehr schöne Gegensätze.
Bernd Glemser

Außergewöhnlich im Erstem Klavierkonzert ist der Aufbau des dritten Satzes: Nach einem quirligen, vorantreibendem Beginn ruht der Satz zunächst in einem unerwarteten elegischen Thema, wie es auch Mozart im "Jeunehomme-Konzert" anbrachte. Bernd Glemser erklärt: "Bei romantischen Konzerten hat man das sehr selten: ein großer lyrischer Mittelteil im letzten Satz ... und der ist dann wirklich sehr elegisch und kommt dann richtig beglückt daher, nachdem der Anfang ja richtig zerfurcht ist – so, dass man Angst bekommt. Da ist eine hochinteressante Metrik drin – mit Polyrhythmik und unerwarteten Synkopen. Das geht so weit, dass in einem 9/8-Takt auch mal eine Tuba auf das dritte Achtel eine Synkope spielen muss, was dem Tubisten nicht so besonders leichtfällt!"

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Rachmaninows eigene Einspielungen

Bernd Glemser | Bildquelle: © Werner Kmetitsch Bernd Glemser | Bildquelle: © Werner Kmetitsch Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 1 ist, wie sein komplettes Klavierwerk, in Einspielungen des Komponisten auf Schallplatten erhalten, denn in seiner Wahlheimat Amerika blieb er auch während der großen Depression ein exzellent bezahlter und begehrter Konzertpianist. Bernd Glemser hält diese Einspielungen für empfehlenswert: "Rachmaninow spielt immer im großen Bogen, er schaut auf irgendeinen Punkt, der viel weiter hinten liegt. Er hat sogar mal gesagt, dass jedes Stück einen Punkt haben muss." Und um diesen Punkt herum müsse sich alles scharen. "Er hat eben nicht diese Bereitschaft auf dem Weg dahin, wie man so schön sagt, 'jede Blume am Wegesrand zu pflücken', sondern er lässt auch mal was vorbeigehen und geht weiter voran. Das finde ich ganz toll."

Einleben in die Welt des Fin de Siècle

Der Vorwurf des Anachronismus und des Kitsches, den man in Bezug auf Rachmaninow nach wie vor oft hört, ist für Bernd Glemser kein Hinderungsgrund, seine Musik genauso gern zu spielen wie moderner ausgerichtete russische Kompositionen aus der gleichen Zeit. Es ist für ihn notwendig, sich in die Welt des Fin de Siècle einzuleben, wenn man Rachmaninow gut spielen möchte: "Es gibt viele Leute, die sagen: Nein, wenn ich ein gutes Gericht mache, darf nicht so viel Süßes und Fettes drin sein, das ist dann nicht mehr das Originäre. Aber: Man muss dann eben auch vom Spiel her in der Art und Weise die Gewürze anbringen, dass das Originalgericht noch erkennbar ist, nur eben Rachmaninows Originalgericht! Bei seinen Aufnahmen hat man nämlich nicht wie sonst oft das Gefühl, dass da viel reingepanscht wurde – Sachen, die nicht wirklich die Essenz sind von dem, was er pianistisch sagen wollte."

Musik-Info

Sergej Rachmaninow: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 fis-Moll, op. 1

Bernd Glemser (Klavier)

Polnisches Radio-Sinfonieorchester
Leitung : Antoni Wit

Label: Naxos

Sendung: "Das starke Stück" am 22. Februar 2022, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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