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09. Mai 1965 – Vladimir Horowitz feiert sein Comeback Umjubelte Rückkehr eines Genies

Carnegie Hall, New York, 9. Mai 1965: Vladimir Horowitz kehrt auf die Bühne zurück. Der Saal ist knallvoll. Knapp dreitausend Menschen zwängen sich in die Reihen. Darunter die Dirigenten Leopold Stokowski und Leonard Bernstein, die Pianisten Van Cliburn oder Maurizio Pollini – sogar der Ballett-Star Rudolf Nurejew ist da. Dann gegen 16 Uhr kommt er auf die Bühne. Endlich. Nach mehr als einem Jahrzehnt Abstinenz. Horowitz ist zurück.

Der Piansit Vladimir Horowitz. Forografie aus dem Jahr 1968 | Bildquelle: picture alliance / Courtesy Everett Collection

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Und Horowitz hat nichts dem Zufall überlassen. Der Klavierhocker: exakt 48 Zoll lang und 17 Zoll hoch. Der Flügel: wunderbar leichtgängig, der Tastendruck liegt bei genau 45 Gramm. Alles so, wie der Meister es möchte. Trotzdem muss sein Agent ihn geradezu auf die Bühne schieben. Kein einfacher Gang für den Mann, der den "Brettern, die die Welt bedeuten" schließlich nicht grundlos den Rücken gekehrt hat.

Nonchalanter Umgang mit Fehlern

Immer wieder gerät Horowitz in Lebenskrisen. Kommt nicht klar, mit dem dicht getakteten Konzertbetrieb, den vielen Reisen. Hadert mit den Routinen, die dieses Leben mit sich bringt. Auch die Kritiken nagen an ihm – obwohl er nach außen hin so nonchalant mit seinen Fehlerchen umgeht: "Manchmal bin ich gut, manchmal bin ich weniger gut – wie jeder andere Mensch auch", sagte er einmal über sich.

Horowitz im Interview

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Horowitz TV Interview 1977 | Bildquelle: goodmanmusica (via YouTube)

Horowitz TV Interview 1977

Das Publikum tobt

Und nun: Ein Stolpern, schon auf den ersten Metern seines Comebacks – Horowitz vergreift sich hörbar. Worst Case? Von wegen! Was folgt, wirkt dadurch umso eindrucksvoller. Die Unerbittlichkeit, mit der sich Horowitz in die Läufe einer Bach-Toccata stützt – wie ein Rennläufer bei der Abfahrt. Das majestätische Selbstbewusstsein, das er durch Schumanns C-Dur Fantasie hindurchleuchten lässt. Sein verschmitzt-veträumter Debussy. Sein schwerelos-verspielter Moszkowski. Das Publikum ist begeistert.

Selbst der Chefkritiker ist begeistert

Und die Kritik – auch. Es hagelt die üblichen Floskeln. Von der Rückkehr eines "Genius" ist die Rede. Und der Chefkritiker der New York Times jubelt: "Es war wie in alten Zeiten. Die Zuhörer lauschten, als seien sie hypnotisiert." Eines ist allerdings anders, als noch vor 12 Jahren. Horowitz' Spiel strahle eine "neue Reife" aus, sagt die Musikpresse. Sei "emotional ausgeglichener", "weniger nervös" als vor seiner Bühnenpause.

Die war übrigens weder Horowitz' erste Auszeit noch seine letzte. Vier Jahre hält er es aus. 1969 ist dann schon wieder Schluss mit dem Konzertleben.

1965 in New York – das Konzert

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Vladimir Horowitz - At Carnegie Hall May 9 1965 | Bildquelle: SweTunes (via YouTube)

Vladimir Horowitz - At Carnegie Hall May 9 1965

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 9. Mai 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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