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10. August 1839 - Wagner auf der "Thetis" Todesangst auf hoher See

Weststurm tobt vor der englischen Küste. Mitten in der aufgewühlten See treibt ein Kaufmannsschiff mit sieben Mann Besatzung an Bord. Es ist die "Thetis". Die Crew segelt gen London, vorbei an zahllosen Sandbänken, die jedes Jahr 400 Schiffe in die Tiefe ziehen. Ein Alptraum im Hochsommer! Wer weiß, ob nicht gar die beiden illegalen Passagiere für das Desaster verantwortlich sind: der gekündigte Musikdirektor aus Riga, Richard Wagner, und seine Frau Minna.

Nordisch-germanische Götter und Helden | Bildquelle: picture alliance/Leemage

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Was heute geschah zum Anhören

Vor drei Wochen haben sich Richard und Minna Wagner im Hafen von Pillau an Bord des Schoners geschlichen – ohne Pässe, auf der Flucht vor ihren Gläubigern. Die Matrosen sind überzeugt: Solche Leute bringen Unglück. Wagner hat Angst:

"Nicht die furchtbare Gewalt, mit welcher das Schiff auf- und abgeschleudert wurde (…) erweckte in mir das Todesgrauen, sondern (…) die Mutlosigkeit der Mannschaft, unter welcher ich verzweiflungsvoll boshafte Blicke wahrnahm, mit denen wir von ihnen als die Ursache des drohenden Seeunglücks bezeichnet zu werden schienen."

Eindrücke einer fürchterlichen Reise

Richard Wagner | Bildquelle: Archiv des Bayerischen Rundfunks Richard Wagner | Bildquelle: Archiv des Bayerischen Rundfunks Immerhin mussten die Männer auf dieser fürchterlichen Reise schon mehrfach im Sturm um ihr Leben bangen. Um ein Haar wäre die "Thetis" in Norwegen sogar auf ein Riff gelaufen. Und mehr als doppelt so lange wie geplant sind sie auch unterwegs. Wagner hat bei aller Not zumindest Zeit, inmitten der öden Fjordlandschaft über seine neue Oper nachzudenken. Hier auf See, im kargen Norden, hat Wagner ihn regelrecht vor sich: den Fliegenden Holländer, der dazu verdammt ist, auf den Weltmeeren zu kreuzen.

Wagners "Fliegender Holländer"

"Ein unsägliches Wohlgefühl erfasste mich, als das Echo der ungeheuren Granitwände den Schiffsruf der Mannschaft zurückgab, unter welchem diese die Segel aufhisste. Der kurze Rhythmus dieses Rufes haftete in mir wie eine kräftig tröstende Vorbedeutung und gestaltete sich bald zu dem Thema des Matrosen-Liedes."

In zwei Jahren wird das Werk vollendet sein und – obwohl noch Nummernoper – auf einen neuen Opernstil vorausweisen. Die Seefahrt hat das Ihre dazu beigetragen.

Sie wird mir unvergesslich bleiben. Die Sage vom Fliegenden Holländer gewann in mir eine eigentümliche Farbe, die ihr nur die von mir erlebten Seeabenteuer verleihen konnten.
Richard Wagner

Dennoch: Von nun an hat Wagner genug vom Segeln. Und das ist auch gut so. Zumindest was die "Thetis" betrifft, die neun Jahre später für immer vom Meer verschluckt wird.

Was heute geschah

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