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Waltraud Meier über Mahlers Kindertotenlieder "Die Lieder sind sehr versöhnlich"

Ein tragischeres Thema für einen Liederzyklus als den Tod eines Kindes gibt es wohl kaum. Mezzosopranistin Waltraud Meier findet allerdings auch philosophische Inspiration in der Gedankenwelt, mit der sie Musik und Text konfrontieren.

Mezzosopranistin Waltraud Meier | Bildquelle: © Nomi Baumgartl

Bildquelle: © Nomi Baumgartl

Zum Anhören: Interview mit Waltraud Meier

BR-KLASSIK: Als Mahler seine "Kindertotenlieder" geschrieben hat, war seine Frau Alma entsetzt. Damals waren die gemeinsamen Kinder ja noch alle geund und munter. Einige Jahre später ist eine der beiden Töchter dann tatsächlich gestorben. Können Sie diese Reaktion einer Mutter nachvollziehen?

Waltraud Meier: Voll und ganz. Als Mutter ist man aber wahrscheinlich auch zu nah dran. Als Interpretin dieser Lieder hingegen habe ich natürlich einen kleinen Abstand davon. Ich persönlich denke, dass die Lieder sehr versöhnlich sind. Sie sind immer mit einem Bewusstsein auf ein Jenseits gerichtet, in dem sich alles zum Guten auflöst, wo man auch sagen kann: Das Leben ist ja nur eine Vorstufe für ein weiteres Leben - wie auch immer das gestaltet ist. Ich glaube, dass dieser Gedanke nach dem Danach für Mahler in jeder Symphonie sichtbar ist, und so auch bei den "Kindertotenliedern". Insofern sind sie für mich nicht nur traurig, sondern durchaus auch verbunden mit einer Hoffnung auf ein hoffentlich schöneres Jenseits.

BR-KLASSIK: Aber hat Mahler daran nicht auch immer gezweifelt? Im Finale seiner "Auferstehungssymphonie" beispielsweise macht er so einen Aufwand, dass man oft denkt, er muss sich selbst erst noch davon überzeugen.  

Waltraud Meier: Aber geht es uns nicht allen so? Wir alle haben unsere Zweifel. Wir sind mal mehr, mal weniger gewiss, dass unser jetziges Leben nur ein Übergang ist. Oder wir fragen uns dauernd, ist dieses Leben Realität oder nur ein Traum? Ich denke, dieses Thema beschäftigt uns alle.

BR-KLASSIK: Und Sie selbst?

Waltraud Meier: Ich selber schwanke auch. Das hat sich über die Jahre gewandelt. Zwischendurch habe ich mich mit dem Gedanken an eine Wiedergeburt beschäftigt und fand das teilweise auch sehr plausibel. Jetzt bin ich eigentlich in einer Phase, wo ich die Dinge offen lasse. Und im Moment kann ich mit dieser Ungewissheit leben.

BR-KLASSIK: Wenn man sich mit Musik beschäftigt, die diese Gedanken aufgreift, kann einen das weiterbringen? Inspiriert Mahler Sie quasi auch philosophisch?

Waltraud Meier: Unbedingt. Ich denke auch, dass wir Sänger ein unglaubliches Privileg haben, dass wir uns mit diesen Themen beschäftigen müssen. Wir müssen ja schauen: Wie interpretiere ich es? Wie sage ich es? Wie wahrhaftig kann ich es dem Zuhörer vermitteln? Insofern muss ich mich damit mal auseinandergesetzt haben. Und das ist auch eine ganz große Chance.

BR-KLASSIK: Gab es eigentlich Rollen, vor denen Sie Angst hatten, dass sie Sie verändern könnten? Vor denen Sie sich gefürchtet haben?

Waltraud Meier in der Rolle der Klytämnestra in "Elektra" an der Semperoper 2014 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Waltraud Meier in der Rolle der Klytämnestra in "Elektra" an der Semperoper 2014 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Waltraud Meier: Angst hatte ich nie vor so etwas. Aber ich beschäftige mich beispielsweise schon ein paar Jahre mit der Klytämnestra. Und diese Rolle macht es mir viel verständlicher, wie ein Mensch dazu kommen kann, jemand anderen zu töten. Da geht es nicht um böse, gut oder schrecklich, sondern einfach darum, eine Erklärung zu finden oder auch tiefer in eine Person einzutauchen. Das macht es interessant.

BR-KLASSIK: Die "Kindertotenlieder" von Mahler sind über weite Strecken Kammermusik, erst am Schluss wird es richtig symphonisch. Wie erleben Sie diese Klangwelten?

Waltraud Meier: Ich singe die "Kindertotenlieder" häufig nur mit Klavierbegleitung und sehe, dass schon in der Begleitung oder im Dialog von Gesangsstimme und Klavier der ganze Ausdruck drin steckt. Und jetzt mit Orchester sind einfach die Farben vielfältiger und können viel mehr aussagen. Und am Schluss dieses letzte Lied, das Aufbrausen und sich gegen das Schicksal Stemmen, bevor diese Erlösung kommt, das geht natürlich besser mit Orchester als mit Klavier.

BR-KLASSIK: Sie haben in Wien schon einmal die "Gurrelieder" mit Mariss Jansons aufgeführt. Aber jetzt treten sie zum ersten Mal mit ihm und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auf. Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Mariss Jansons?

Waltraud Meier: Ich freue mich wie Bolle darauf, weil es bei den "Gurreliedern" damals so ein herrliches Erlebnis war, mit ihm Musik zu machen. Er ist ein Dirigent, mit dem man zusammen musiziert - wo man an einem Strang zieht und mit Leidenschaft dabei ist.

Das Gespräch führte Bernhard Neuhoff für BR-KLASSIK.

Waltraud Meier singt Gustav Mahlers "Kindertotenlieder"

Donnerstag, 26. Januar, 20.00 Uhr
Freitag, 27. Januar, 20.00 Uhr
München, Herkulessaal der Residenz


Waltraud Meier (Mezzosopran)
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Mariss Jansons

Die Aufführung am 27. Januar präsentieren wir Live in Surround auf BR-KLASSIK.

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