In der Nähe von Harlem, 21. August 1750: Damit Händel sein Erbe regeln kann, muss der 65-jährige Komponist von London zurück nach Deutschland reisen – natürlich mit der Kutsche. Doch plötzlich geht ein Ruck durch das Gefährt.
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Der Weg ist holprig: Die Kutsche des Komponisten schwankt hin und her wie ein Schiff bei schwerem Seegang. Georg Friedrich Händels blickt dennoch zufrieden aus dem Fenster. Vier Jahrzehnte ist es her, dass er Deutschland verlassen hat, um in England als Komponist berühmt zu werden – das ist ihm gelungen, das Londoner Publikum vergöttert ihn. Neben dem Ruhm hat Händel auch ein beachtliches Vermögen angehäuft. Das ist auch der Grund für seine Reise: Er will sein Erbe regeln. Immerhin ist er schon 65 – und hat keine eigene Familie.
Ein heftiger Ruck geht durch die Kutsche. Unsanft wird Händel gegen die Wand gestoßen, das Holz ächzt unter seinem Gewicht. Wenn er doch nur bald in Gotha wäre! Dort will Händel zu seiner Nichte, Johanna Friederika Floercke. Sie soll einmal den größten Teil seines Geldes erben. Aber auch seine Diener, Freunde und Wohltätigkeitsvereine hat der Komponist im Testament bedacht. Mit einem Seufzer lehnt er sich zurück. Eigentlich ist schon alles geregelt.
Da macht die Kutsche erneut einen kräftigen Satz. Händel sieht den Waldboden auf sich zurasen und reißt instinktiv die Arme nach oben. Glas splittert, Holz zerbirst. Im nächsten Moment erschüttert ein schwerer Aufprall Händels massigen Körper. Etwas trifft ihn hart am Kopf. Reglos bleibt er liegen.
Mr. Händel ... hatte das Unglück, umgeworfen zu werden.
Doch ganz so schnell kommen die Erben nicht zum Zug. Händel erholt sich von dem Kutschenunfall – das berichtet der "General Advertiser": "Mr. Händel, der nach Deutschland ging, um seit einiger Zeit seine Freunde und dazwischen auch Den Haag und Harlem zu besuchen, hatte das Unglück, umgeworfen zu werden, wobei er schlimm verletzt wurde. Er ist nun aber außer Gefahr."
Händel kann seine Angelegenheiten in Deutschland erledigen, dann geht es zurück nach London. Dort arbeitet und komponiert er wie gewohnt, bekommt aber ein paar Monate später Probleme mit den Augen. Das Schreiben fällt ihm immer schwerer – Händel erblindet. Beweisen lässt es sich nicht, aber einige Mediziner vermuten heute, fast 300 Jahre später, dass dafür der Kutschenunfall verantwortlich war.
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