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Buch: "Parsifals Verführung" von Laurence Dreyfus Fiktive Lebensbeichte Hermann Levis

Laurence Dreyfus ist bekannt als Gambist und künstlerischer Leiter des Gamben-Consorts PHANTASM. Als Solist und mit seinem Ensemble gastiert der US-Amerikaner auf Festivals und Konzertbühnen in Europa, den USA und Fernost. Doch Dreyfus ist auch Politologe und Musikwissenschaftler. Er hat viel über Bach geforscht und veröffentlicht und über Richard Wagner geschrieben. Jetzt legt der mittlerweile in Berlin lebende Dreyfus mit 70 Jahren seinen Debüt-Roman vor, der sich mit Richard Wagner und dem in Gießen geborenen Dirigenten der "Parsifal"-Uraufführung Hermann Levi beschäftigt.

Buchcover "Parsifals Verführung" von Laurence Dreyfus | Bildquelle: Faber & Faber

Bildquelle: Faber & Faber

Der Buchtipp zum Anhören

Als Wagner 1879 den "Parsifal" abschließt, und von Ludwig II. das Münchener Orchester samt seinem Chefdirigenten Hermann Levi zur Uraufführung angeboten bekommt, sieht er nur ein Hindernis: "Ungetauft darf er den 'Parsifal' nicht dirigieren."

"Wagner selber war als Christ alles andere als doktrinär, und Hermann konnte die paar Male, da die Familie zur Kirche gegangen war, an den Fingern abzählen. Und doch hatte sich der Meister in den Gedanken verbissen, dass das Mysterium des Parsifal unergründlich bleiben müsse für jemanden, der den christlichen Kategorien von Sünde, Reue und Erlösung fernstehe. Insofern gehe ein ungetaufter, beschnittener Levi das Risiko ein, wesentliche Elemente, die für die Deutung des III. Aufzugs nötig seien, zu verfehlen."

"Parsifal"-Dirigat trotz großer Gewissenskonflikte

Herman Levi war Wagner, wie er an einen Freund schrieb, "mit Leib und Seele verfallen", doch zu dem von seinem Idol geforderten Religionswechsel konnte er sich nicht durchringen. Trotz manch bösartiger Sticheleien und Attacken ist er nie Christ geworden. Als er nach einem besonders unschönen Angriff um Entpflichtung ersucht und abreist, schickt ihm Wagner ein Telegramm nach: "Um Gotteswillen, kehren Sie sogleich um und lernen Sie uns endlich ordentlich kennen!" Levi kommt zurück und erliegt "Parsifals Verführung", daher der Buchtitel. Nach großen Gewissenskonflikten, die ihm auch seinen geliebten Freund Johannes Brahms entfremden, nimmt Levi das Dirigat an, wissend, dass er sich damit zwischen alle Stühle setzen wird.

KURZ UND BÜNDIG

Dieses Buch wird lieben, wer …
.... den Kampf um die "richtige" Identität in der Kultur gelassener sehen will.

Dieses Buch liest man am besten …
… mit Musik von Wagner.

Dieses Buch ist wie geschaffen …
… für alle, die für Richard Wagners und Hermann Levis Welt und Wirken empfänglich sind.

Im Spannungsfeld von jüdischer Tradition und christlicher Kunstreligion

Hermann Levi, portraitiert von Franz von Lenbach | Bildquelle: picture alliance/Heritage-Images Hermann Levi, porträtiert von Franz von Lenbach | Bildquelle: picture alliance/Heritage-Images Der Autor Laurence Dreyfus beschäftigt sich seit längerem mit Hermann Levi im Spannungsfeld von jüdischer Tradition und Richard Wagners germanisch-christlicher Kunstreligion. In seinem Romandebüt "Parsifals Verführung" stellt er den Dirigenten jetzt in den Mittelpunkt. Dreyfus entführt uns in das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts, in eine an musikalischen Erlebnissen reiche Zeit und beleuchtet die Position des Künstlers im latent antisemitisch aufgeladenen Kaiserreich. Die Geschehnisse kreisen rund um die "Parsifal"-Uraufführung in Bayreuth 1882 und reichen bis zu Levis Tod 1900 mit noch nicht mal 61 Jahren. Als Wagner 1883 stirbt, ist sein Verehrer Levi einer der Sargträger. Dreyfus interessiert, ob Musik die Religionen und Menschen zu versöhnen weiß, ob der jüdische Künstler in einer von Intrigen und Machtansprüchen reichen Zeit seinen Platz in der Gesellschaft finden kann und ob sich die Liebe am Ende über alle Ungerechtigkeiten hinwegzusetzen vermag.

Eine Art Lebensbeichte Hermann Levis

Laurence Dreyfus kennt sich in der Welt von Levi und Wagner aus, hat sich durch eine Fülle von Quellen über die beiden gearbeitet und seine Phantasie spazieren geschickt. Beantwortet werden die Fragen als eine Art Lebensbeichte Hermann Levis. Einerseits aus der Erzählerperspektive, andererseits im lebendigen Dialog mit anderen Figuren und in einer Art Besuchertagebuch seiner langjährigen Freundin Anna Ettlinger. Levi hat die Literaturdozentin, Kritikerin und Schriftstellerin ein Jahr vor seinem Tod in seine Villa im oberbayerischen Partenkirchen eingeladen, sie soll seine Biographie schreiben.

Musikalisches und Zwischenmenschliches

Dreyfus bedient nicht nur die Wagnerianern bekannten Klischees. Er spekuliert auf 224 Seiten viel über das Privatleben Levis und dringt dabei bis ins Schlafzimmer und Levis vermutete Träume vor. Er beleuchtet sein Umfeld ohne wissenschaftlich gesicherten Anspruch und Faktentreue. Wir erfahren in diesem durchaus lebendig geschriebenen Roman einiges über das Leben im 19. Jahrhundert, die Art des Reisens und die gesellschaftlichen Strukturen. Die tabuisierte Homosexualität spielt wesentlich mit. Dreyfus lässt gerne mal musikalische Fachbegriffe einfließen, aber die Auseinandersetzung über musikalische Themen ist meist eingebunden in Zwischenmenschliches. Man kann den Roman durchaus als Appetitmacher auffassen, um sich intensiver mit den einzelnen historischen Figuren zu beschäftigen. Zur Zielgruppe dürften aber vor allem all jene gehören, die für Wagners und Levis Welt und Wirken empfänglich sind.

Infos zum Buch

Laurence Dreyfus:
Parsifals Verführung
Roman
Übersetzt aus dem Englischen von Wolfgang Schlüter
Verlag Faber & Faber
Preis: Hardcover 24,00 €

Sendung: "Allegro" am 11. August 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Donnerstag, 11.August, 15:47 Uhr

Anja Petermann

Danke!

Danke für diese sachkundige, wunderschön geschriebene Rezension! Die Beiträge von Frau Hußlein sind immer eine besondere Freude in jeder Hinsicht!

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