Für Winterstimmung sorgt die norwegische Geigerin und Hardangerfiedel-Spielerin Ragnhild Hemsing auf ihrem neuen Album. Es heißt "Vetra" und bedeutet "Winter" – ein Wort im Dialekt der norwegischen Region Valdres, aus der die Musik stammt. Eingespielt sind Melodien und Volkslieder, die zum Teil sehr alt sind und mündlich weitergegeben wurden. Unterstützt wird sie von Musikern aus der norwegischen Folk-Szene an Instrumenten wie der Zither Langeleik und an klassischen Instrumenten wie Trompete, Cello oder Kontrabass.
Bildquelle: Berlin Classics
Der CD-Tipp zum Anhören
Ein Fiedelbauer aus Hardanger in Norwegen sagte einmal über die alten Hardanger-Fiedeln: "Sie sind nicht gut, weil sie alt sind; sie sind alt, weil sie gut sind." Und das gilt auch für die Musik selbst, die auf ihnen erklingt: für die norwegischen Volksmelodien, Tänze und Lieder. Man nennt sie "Slåtter", und fünf dieser Originalmelodien spielt Ragnhild Hemsing auf ihrem Album "Vetra" mit großer Hingabe und Improvisationslust.
Gesammelt und bewahrt hat diese mündlich über Generationen weitergegebenen Melodien der Komponist und Wissenschaftler Ludvig Mathias Lindeman, der Mitte des 19. Jahrhunderts die Dörfer und Täler von Valdres bereiste auf der Suche nach Mythen und Sagen, Versen und Melodien. Seine Volksliedsammlung ist für Ragnhild Hemsing eine große Schatztruhe und Inspirationsquelle, und auch für Ole und Knut Aastad Bråten an der Langeleik. Eine der beliebtesten Melodien aus Valdres für diese Zither ist "I Oletjedn, i Olekinn" mit Kirchenglocken, die am Ole-See läuten. Das Thema geht übrigens auf ein Hardangar-Fiedellied zurück, ein Beleg, wie verschlungen und vielfältig die Wege dieser Volksmusik sind. Eng verbunden sind die Lieder aus Valdres mit der Natur und der Tierwelt, den Jahreszeiten und den Menschen dort, sie sind ein wichtiger Teil ihrer Geschichte und Identität. Auch davon erzählt dieses Album "Vetra" mit seinen vielen Spielarten des Winters und des Schnees in dieser Region der Wälder, Seen und Hügel.
Außerdem enthält es sieben religiöse Lieder und Hymnen-Texte, zu denen Spielleute eigene Melodien mitbrachten. Eine von ihnen hat Lindeman niedergeschrieben: die Melodie zum Kirchenlied "Das achte Gebot auf dem Sinai", die er von dem Geiger Anders Nilsen Pelesteins gespielt hörte. Er war Ragnhild Hemsings Urururgroßvater. Auch Edvard Grieg hat diese wehmütige Melodie in seiner g-Moll-Klavierballade verwendet. So schließen sich immer wieder Kreise und Brücken werden gebaut mit den alten Melodien aus Valdres im Herzen Südnorwegens. Ein musikalisches Erbe, das die 1988 geborene Ragnhild Hemsing spielerisch weiterträgt in unsere Zeit, mit Klängen, kristallklar wie die Seen ihrer Heimat. Aus dem Geist dieser Tradition hat sie zwei Slåtter neu komponiert: "Vinterstemning" – "Winterstimmung" beginnt als stille Prozession und weitet sich zu einem jazzigen Strom samt Maultrommel-Anmutung.
Ein stimmungsvolles, atmosphärisch dichtes Album zwischen Folk und Klassik, das Lust auf den Winter und die Adventszeit macht und uns mitnimmt in den hohen Norden. Mit 14 langgehüteten Kirchenmelodien und Weisen aus Norwegen, eine schöner als die andere und behutsam neu arrangiert: phantasievoll und virtuos, getragen und atmend. Und immer mit unwiderstehlichem Sog. "Vetra – My Norwegian Winter" – Weihnachten kann kommen!
Ragnhild Hemsing:
"Vetra – My Norwegian Winter"
Ragnhild Hemsing (Violine, Hardanger Fiddle)
Mathias Eick (Trompete)
Terje Isungset (Schlagzeug)
Ole Aastad Braten (Langeleik)
Knut Aastad Braten (Langeleik)
Frida Fredrikke Waaler Waervagen(Cello)
Nikolai Matthews(Kontrabass)
Label: Berlin Classics
Sendung: "Piazza" am 02. Dezember 2023 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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