BR-KLASSIK

Inhalt

Album der Woche – Maxim Emelyanychev dirigiert Symphonien von Franz Schubert

Ausgebildet wurde Maxim Emelyanychev unter anderem am traditionsreichen Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium. Mit ganzen 25 Jahren übernahm er die Leitung des Originalklangensembles "Il pomodoro". Mit dieser Truppe absolvierte Emelyanychev zwei erfolgreiche Tourneen mit der Sängerin Joyce di Donato. 2019 ernannte das Scottish Chamber Orchestra Emelyanychev nach einem Einspringerkonzert kurzerhand zum Chefdirigenten. Mit diesem traditionsreichen, vor 50 Jahren gegründeten Kammerorchester hat der Russe nach Schuberts Großer C-Dur-Symphonie jetzt dessen Fünfte und die "Unvollendete" vorgelegt.

Bildquelle: Linn

Den CD-Tipp anhören

Weshalb hat Franz Schubert die Arbeit an seiner Symphonie in h-Moll nach den ersten beiden Sätzen eingestellt, 1822, sechs Jahre vor seinem Tod? Weshalb blieb sie die "Unvollendete"? Wir wissen es nicht und werden es wohl nie erfahren. Eine Theorie lautet, Schubert habe nach den emotionalen Ungeheuerlichkeiten und der harmonischen Kühnheit der beiden Sätze einfach nicht gewusst, wie er weitermachen solle. Sie hat manches für sich. Schubert hat einen dritten Satz begonnen und arbeitete auch an einem Finale, ließ aber beides unvollendet, was eben keine Frage fehlender Lebenszeit war. Und dass er diesen symphonischen Torso dem Freund Anselm Hüttenbrenner als Dank schickte, spricht nicht dafür, dass er ihn vollenden wollte. Oder konnte.

Radikal und zukunftsweisend

Abgesehen von seiner späten Kammermusik hat Schubert nie ähnlich radikal und zukunftsweisend, zugleich emotional aufwühlend komponiert, wie hier. Die Verlorenheit und Ratlosigkeit des Individuums angesichts einer ihm fremden Welt wurde selten so unvergleichlich in Töne gefasst wie in diesen 25 Minuten Musik. Das macht sie so zeitlos. Richtig musiziert lässt Schuberts "Unvollendete" niemanden kalt, sie unbeteiligt zu hören, ist kaum möglich.

Fast verstörende Emotionalität

Maxim Emelyanychev und sein Scottish Chamber Orchestra bilden das auf ihrem zweiten gemeinsamen Schubert-Album exemplarisch ab. Dem 36-jährigen Russen gelingt mit seinem nur 28-köpfigen Ensemble eine atemberaubende Interpretation. Ideal verschmilzt eine beunruhigende, fast verstörende Emotionalität mit höchster klanglicher Transparenz und unerhörtem Detailreichtum. Fünfzig Jahre nach seiner Gründung unterstreicht das Scottish Chamber Orchestra nachdrücklich seine künstlerische Qualität und Bedeutung.

Rundum beglückend

Das gilt ebenso für die wesentlich freundlichere Fünfte Symphonie in B-Dur und das von Konzertmeisterin Stephanie Gonley ausgezeichnet gespielte Rondo in A-Dur. Mozart hatte Schubert 1816, im Entstehungsjahr der Fünften für sich entdeckt, und dessen Geist atmet die B-Dur-Symphonie durchaus. Auch diesen Umstand fangen Emelyanychev und sein Scottish Chamber Orchestra wunderbar ein. Ein rundum beglückendes Schubert-Album.

Infos zur CD

Franz Schubert:
Symphonie Nr. 5 B-Dur, D485
Symphonie Nr. 8 h-Moll D 759 "Unvollendete"
Rondo A-Dur D 438

Scottish Chamber Orchestra
Leitung: Maxim Emelyanychev

Label: Linn


Sendung: "Piazza" am 16. November 2024 ab 8.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (0)

Bitte geben Sie höchstens 1000 Zeichen ein. (noch Zeichen)
Bitte beachten Sie, dass Ihr Kommentar vor der Veröffentlichung erst noch redaktionell geprüft wird. Hinweise zum Kommentieren finden Sie in den Kommentar-Richtlinien.

Spamschutz*

Bitte geben Sie das Ergebnis der folgenden Aufgabe als Zahl ein:

Sechs minus eins ergibt?
Zu diesem Inhalt gibt es noch keine Kommentare.

Mehr zum Thema

Neu bei BR-KLASSIK

    AV-Player