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Album der Woche – Schumann Quartett "1923 – 100 Years of Radio"

Am 29. Oktober 1923 ging im Berliner Vox-Haus die erste deutsche Rundfunksendung über den Äther – ein historischer Moment. Jetzt erschien das Album "1923 – 100 Years of Radio", eingespielt vom Schumann Quartett. Das heißt nicht nach dem gleichnamigen Komponisten so, sondern nach den drei Brüdern Erik, Ken und Mark Schumann, die seit ihrer Kindheit Quartett spielen. Seit 2022 ist Veit Hertenstein ihr Bratschist. In dem Album geht es um wegweisende Streichquartett-Kompositionen, die 1923 entstanden sind oder damals uraufgeführt wurden. Unbedingt hörenswert!

CD-Cover Schumann Quartett: "1923 – 100 Years of Radio" | Bildquelle: Berlin Classics

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Ein Marsch mit ein paar falschen Tönen – dem jungen Paul Hindemith sitzt der Schalk im Nacken, als er in nur zwei Tagen 1923 seine parodistische Quartett-Suite "Minimax – Repertorium für Militärmusik" hinfetzt. Das Schumann Quartett spielt das betont zackig und burschikos. Im Charakterstück "Die beiden lustigen Mistfinken" schaffen es die Geiger mit abenteuerlichen Flageolett-Griffen sogar, wie Piccoloflöten aus dem letzten Loch zu pfeifen – Mistfinken eben.

Eifersuchtstragödie für Streichquartett

Von solcher Ironie ist der 69-jährige Leoš Janáček weit entfernt, als er 1923 sein erstes Streichquartett mit dem Beinamen "Die Kreutzersonate" schreibt: Da geht es todernst zu wie in der zugrunde liegenden Novelle von Leo Tolstoi, einer Eifersuchtstragödie. Den nervös flackernden, herben Grundton Janáčeks, seine hochgepeitschten Emotionen trifft das Schumann Quartett aufwühlend.

Eleganter Swing aus den USA

1923 war der Amerikaner Aaron Copland erst 23 Jahre alt, als er seinen Quartettsatz "Movement" komponierte, in dem er die vier Streichinstrumente elegant swingen lässt. Da kommen die kantablen Qualitäten der Schumann-Brüder und ihres Bratschisten Veit Hertenstein schön zur Geltung.

Hochexpressive Musik von Alban Berg

Das anspruchsvollste Werk des Albums, das Streichquartett Opus 3 von Alban Berg, fällt etwas aus der Reihe, weil es schon 1910 komponiert wurde. Aber erst die legendäre Salzburger Aufführung 1923 brachte dem dann schon 38-jährigen Alban Berg endlich den erhofften Durchbruch. Dieses Meisterstück ist ein Paradebeispiel für Bergs unnachahmliche Kunst, die Spätromantik in Richtung Atonalität weiterzudenken – und doch hochexpressiv klingen zu lassen.

Schulhoffs Suite von verfremdeten Tänzen

Nachdenklich beschließt das Schumann Quartett – technisch makellos, hochkultiviert im Klang – sein Album "1923", das Spielarten der frühen Moderne zu einem spannenden Kaleidoskop bündelt. In das faszinierende Spektrum bringt der aus Prag stammende jüdische Komponist Erwin Schulhoff nochmal eine eigene Klangfarbe rein mit seinen Fünf Stücken für Streichquartett, einer Suite von verfremdeten Tänzen wie Walzer, Tango oder Tarantella. 1942 stirbt Schulhoff, von den Nazis deportiert und in der bayerischen Festung Wülzburg interniert, an Tuberkulose. Hinterlassen hat er uns furiose Musik, vom Schumann Quartett packend gespielt.

Angaben zur CD

"1923 - 100 Years of Radio"

Leoš Janáček:
Streichquartett Nr. 1 "Kreutzer-Sonate"
Aaron Copland:
Movement
Paul Hindemith:
Minimax
Alban Berg:
Streichquartett op. 3
Erwin Schulhoff:
5 Stücke für Streichquartett

Schumann Quartett
Label: Berlin Classics

Label: Berlin Classics

Sendung: "Piazza" am 23. September 2023 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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