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Album der Woche – William Youn spielt Boulanger, Fauré, Hahn

Seine Mozart- und Schubert-Interpretationen wurden begeistert aufgenommen, sogar von einer "Jahrhundertaufnahme" war einmal die Rede. Der in Südkorea geborene, seit langem in München lebende William Youn gilt als sensibler Poet unter den Pianisten. Was er auch auf seinem neuen Doppelalbum mit selten gespieltem französischem Repertoire von Gabriel Fauré, Nadia Boulanger und Reynaldo Hahn beweist.

CD-Cover: William Youn spielt Boulanger, Fauré und Hahn | Bildquelle: Sony Classical

Bildquelle: Sony Classical

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Der Mann kam aus einer sehr internationalen Familie. Die Mutter des französischen Komponisten Reynaldo Hahn war Venezolanerin mit spanisch-baskischen Wurzeln, der Vater ein aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie stammender Erfinder und Ingenieur, den es nach Caracas verschlug. Reynaldo war fünf, als die Familie nach Paris ging. Hier muss er eine unbeschwerte Kindheit und Jugend verbracht haben, einen anderen Schluss lässt seine Musik jedenfalls kaum zu.

Gut gelaunte und elegant dahinfließende Musik

In den mondänen adligen Salons im Paris der Jahrhundertwende bewegte sich Hahn wie ein Fisch im Wasser. Unter anderem dem feingeistigen Marcel Proust verdrehte er den Kopf und wurde sein Geliebter. Es mag Musik mit größerem Tiefgang geben, als Reynaldo Hahns leichthändiges, gut gelauntes und elegant dahinfließendes Klavierkonzert. Aber dass Hahns Klavierkonzert, wie seine Musik überhaupt, ein solches Nischendasein fristet, ist wenig verständlich. Denn wie schön seine Musik ist, zeigen neben dem Konzert auch die beiden Lieder, die der Pianist William Youn in eigener Klavierfassung hinzufügt – quasi als Zugabe.

Wunderbare Klangfarben bei Hahn

Auch wenn Hahns weich fließende, melodiengesättigte und sicher bestens in die Pariser Salons passende Musik dazu verleiten mag: Sein Klavierkonzert könnte man sich rhythmisch pointierter vorstellen, etwas weniger auf satten Schönklang konzentriert als vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Valentin Uryupin gespielt. Hervé Niquet hat das vor vier Jahren überzeugend mit dem Orchestre de chambre de Paris vorgeführt. Das gilt ein wenig auch für den Pianisten William Youn.  Der entlockt dem Flügel zum Ausgleich mit sensiblem Anschlag wunderbare Klangfarben – unverzichtbar für diese träumerisch elegante Musik.

Ernsthaftigkeit und Emotionalität bei Boulanger

Das gelingt Youn auch in den übrigen Werken dieses schönen Albums: Gabriel Faurés poetischer "Ballade" und seiner "Fantaisie" für Klavier und Orchester. Und ausgezeichnet gespielt ist auch die völlig anders gelagerte, eher schwerblütige "Fantaisie variée" von Nadia Boulanger. Hier ist definitiv Schluss mit lustig, mit französischer Anmut und Raffinesse. Es geht hörbar um existentielle Fragen, um Leidenschaft und dunkle Verzweiflung. Ein 1912 komponiertes, wichtiges Werk dieser 1979 hochbetagt gestorbenen Komponistin und bedeutenden Lehrerin. Musik, in die sich William Youn mit aller gebotenen Ernsthaftigkeit und Emotionalität stürzt.

Infos zur CD

Reynaldo Hahn:
Klavierkonzert
"A Chloris" (arr. für Klavier solo)
Chanson grise Nr. 5 "L'Heure exquise" (arr. für Klavier solo)
Gabriel Fauré:
Ballade op. 19 für Klavier & Orchester
Fantaisie op. 111 für Klavier & Orchester
"Après un rêve"  (arr. für Klavier solo)
Nadia Boulanger:
Fantaisie variee für Klavier & Orchester

William Youn (Klavier)
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Valentin Uryupin

Label: Sony Classical

Sendung: "Piazza" am 24. Februar 2024 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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