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Daniel Barenboims Konzertsaal Pierre Boulez-Saal eröffnet in Berlin

Eiförmig - und mit Platz für 680 Zuhörer. Als Herzstück seiner dem West-Eastern Divan Orchestra gewidmeten Musikakademie eröffnet am Wochenende der Konzertsaal, dem Daniel Barenboim den Namen seines Freundes Pierre Boulez gegeben hat. Über die Möglichkeiten des vom Architektenstar Frank Gehry entworfenen Raumes sprach Daniel Barenboim im BR-KLASSIK-Interview.

Pierre Boulez Saal - Barenboim-Said-Akademie  | Bildquelle: © Roland Halbe

Bildquelle: © Roland Halbe

BR-KLASSIK: Sie haben erzählt, dass dieser neue Konzertsaal modulierbar ist. Man kann alles umbauen und der Künstler kann auch in der Mitte platziert werden. Sitzt das Publikum dann um ihn herum?

Daniel Barenboim: Die Bühne kann tatsächlich überall sein. Sie können die Bühne klassisch instalieren und dann...

BR-KLASSIK: ... und dann sitzen alle in einer Richtung.

Daniel Barenboim: Oder sie können die Bühne in der Mitte aufstellen. Und sie können auch alle Stühle ganz oder teilweise entfernen. Ich träume manchmal auch davon - das werden wir am Anfang nicht machen können, aber später bestimmt - was Pierre Boulez in New York gemacht hat: Die so genannten Rug Concerts bei den New Yorker Philharmonikern. Das heißt: Alle Stühle waren weg und ...

BR-KLASSIK: ... und die Leute setzten sich auf den Boden.

Daniel Barenboim: Genau. Sie saßen auf Teppichen.

barenboim-pierre-boulez-saal | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk

Bildquelle: Bayerischer Rundfunk

Video-Interview mit Daniel Barenboim

Zum neuen Boulez-Saal in Berlin

BR-KLASSIK: Müssen wir das Konzertritual also aufbrechen?

Daniel Barenboim: Ja, natürlich. Schauen Sie, was in den Proben in London passiert ist. Über 1.000 Menschen haben sie stehend verfolgt. Für die Länge einer Fünften Symphonie von Bruckner, die über eine Stunde dauert. Oder die Achte, die ist noch länger. Wir haben dort mit der Staatskapelle konzertant den ganzen "Ring" gespielt. Den ganzen 1. Akt der "Götterdämmerung", über zwei Stunden, stand das Publikum. Und die Atmosphäre war ganz wunderbar. Ich freue mich sehr auf den neuen Saal, auf den Boulez-Saal in Berlin. Denn ich glaube, es wird anders.

BR-KLASSIK: Revolutionär?

Daniel Barenboim: Nein, nicht revolutionär. Nicht einmal außergewöhnlich. Das wäre zu arrogant. Es wird anders. Denn der Saal ist oval. Soweit ich weiß, gibt es sonst weltweit keinen ovalen Saal.

BR-KLASSIK: Sie können dort viel ausprobieren, Sie können experimentieren in diesem Saal.

Daniel Barenboim: Ja, ich kann experimentieren. Allerdings nicht endlos. Denn irgendwann muss man sich entscheiden, wieviele Karten man verkaufen will. Und dann sollten die Reihen nicht in einer festen Ordnung stehen. Für mehrere Konzerte haben wir schon entschieden, wie wir es machen werden.

BR-KLASSIK: Sie haben jetzt neue Wege beschritten, um ihr Publikum zu erreichen. Sie haben ein eigenes Label für Musik in der digitalen Welt gegründet. Sie haben einen Youtube-Kanal ins Leben gerufen, auf dem Sie Musikstücke erklären. Wie glauben Sie, erreichen wir ein neues Publikum und jüngere Leute?

Daniel Barenboim: Das Label habe ich gegründet, nachdem ich mich mit einem der Top-Leute von Deutsche Grammophon darüber unterhalten habe, dass es so viele Länder gibt, in denen der Plattenverkauf einbricht - der Musikverkauf im digitalen Bereich aber steigt. Er war der Meinung, dass die Zukunft digital ist. Und das ist die Grundidee von meinem Label Peral. Und es läuft gut. Die Leute sind auch mit der Klangqualität sehr glücklich. Die Onlineseiten von Peral sind aber auch sehr sorgfältig gestaltet. Im Moment sieht es nicht so aus, als würde einer von uns mit dieser Geschichte reich werden. Aber das war auch nie der Grund meines Engagements.

Auch mein Youtube-Kanal hat einen sehr persönlichen Anlass: Mein älterer Sohn, der Elektropop-Musiker ist, hat zu mir gesagt: Papa, Du brauchst Deinen eigenen Kanal auf Youtube. Weil junge Leute eine andere Art zu denken und zu hören haben. Und auf Youtube kannst Du wirklich ein neues Publikum erreichen.

Mein Youtube-Kanal ist für Leute, die keine Musikerziehung genossen haben. Also wenn Sie so etwas wie "Young People's Concert" von Leonard Bernstein erwarten, werden Sie enttäuscht sein. Es sind nur Fünf-Minüter. Wie der Gruß vom Koch in einem guten Restaurant - noch vor dem ersten Gang. Eine Idee, wie das Essen schmecken wird. Keine Analyse. Und es scheint sehr gut zu laufen. Ich höre, dass viele Leute den Youtube-Kanal besuchen. Und darüber freue ich mich sehr.

Das Gespräch für BR-KLASSIK führte Bernhard Neuhoff.
Es ist ein Ausschnitt aus der Sendung
Meine Musik mit Daniel Barenboim vom 26. November 2016

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