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Max Reger Eine Liebeserklärung

Am 19. März wäre der Komponist Max Reger 150 Jahre alt geworden. Seine Musik verführt und überwältigt, sie befremdet und fasziniert – auch wenn sie zur Maßlosigkeit tendiert. BR-KLASSIK-Redakteur Bernhard Neuhoff ist jedenfalls Fan.

Gemälde von Franz Nölken (1913) | Bildquelle: Max-Reger-Institut

Bildquelle: Max-Reger-Institut

Er hat eine unverwechselbare Stimme. Er hatte überbordende Phantasie. Und Mut. Er stand zu sich. Früher hätte man Max Reger ein Genie genannt, und ich habe kein Problem damit, ihn so zu nennen. Aber ich habe ein anderes Problem mit ihm.

Manchmal macht Reger zu viel

Es heißt: Inflation. Wie oft denkt man: Wie schön – aber leider zu viel. Zu viel reingestopft, zu viele Stimmen, zu viele Tonartwechsel, zu viel Wucht und zu viel Input. Wie oft steht sich diese wundervolle Musik selbst im Weg! Die Briten sagen: Too much information kills information. Und deswegen winken viele Klassikliebhaber ab: Ach, Reger! 

Dazu kommen Vorbehalte, die unfair sind und mit seiner Musik eigentlich nichts zu tun haben. Regers Musik sei maßlos, weil er auch im Leben kein Maß gekannt habe: zu viel gegessen, zu viel gearbeitet, zu viel getrunken. Biografisch stimmt das natürlich: Dass er mit nur 43 Jahren an Herzversagen starb, dass er während seines ganzen Lebens immer wieder von psychischen und körperlichen Krisen gebeutelt war, lag an diesem ungesunden Leben.

Reger verdient immer ein zweites Ohr

Aber Regers Musik ist viel zu kostbar, um sie biografistisch auf eine Art Symptom zu reduzieren. Als wäre das eine gültige Gleichung: maßloses Leben, maßlose Musik. So einfach geht das nicht auf. Dafür ist diese Musik viel zu gut. Zu wild, zu zärtlich, zu bizarr und zu farbig.

Reger verdient immer ein zweites Hinhören. Es stimmt: Oft bleibt seine Musik stecken in zu viel Kontrapunkt, zu viel Chromatik. Aber ebenso oft öffnet sie neue Räume. Vorher nie betretene Klangräume. Und emotionale Räume: Sehr oft ist diese Musik tief berührend. Aber diese kostbaren Momente muss man erst suchen und entdecken. Oft geht das nur durch ein zweites Hinhören.

Max Regers Leben in Bildern

Starten Sie mit dem Spätwerk!

Aber wie kommt man rein in diese Musik? Bei Reger sollte man mit dem Spätwerk beginnen. Und am besten nicht mit den wuchtigen, tendenziell überladenen Hauptwerken. Wenn Reger meinte, er müsse es mit Beethoven, Brahms und Wagner auf einmal aufnehmen, tat er fast immer zu viel des Guten. Die Franzosen nennen das "Le Genre Chef-d’Oeuvre". Reger litt an einem Meisterwerk-Syndrom. Wenn er meinte, und das meinte er ziemlich oft, dass er mit einem Stück unbedingt Höchstleistungen abliefern müsse, damit es vor dem strengen Blick seiner überlebensgroßen Idole bestehen kann, dann blieb er oft gerade deswegen unter seinen Möglichkeiten.

Max Reger auf BR-KLASSIK

Am 19. März wäre Max Reger 150 Jahre alt geworden. BR-KLASSIK widmet dem Komponisten zu diesem Anlass zahlreiche Sondersendungen. Unter anderem porträtiert ein Musik-Feature den Komponisten "In schwindelnden Höhen der Maßlosigkeit", außerdem sendet BR-KLASSIK Aufnahmen mit dem Chor und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Und auch das Orgelwerk und geistliche Musik des gebürtigen Oberpfälzers kommen zu Gehör.

Max Reger | Bildquelle: picture-alliance/dpa Ein Besessener: Der Komponist Max Reger | Bildquelle: picture-alliance/dpa In den Streichquartetten etwa: In dieser Gattung hatten Beethoven und Brahms so überirdisch großartige Vorbilder abgeliefert, dass Reger in seinen Quartetten in die Überbietungsfalle lief. Ganz anders seine Streichtrios. Da stand er nicht so unter Druck. Voilà: Wie charmant und witzig sind seine Trios! Da halten sich Schweres und Leichtes ganz unangestrengt die Waage. Dasselbe bei den Orchesterwerken. Da gibt es die offiziösen, die gewaltig unter ihrem Anspruch ächzen. Etwa das buchstäblich stundenlange Klavierkonzert. Oder der "Symphonische Prolog zu einer Tragödie". Schon der Titel ächzt. Monumentalität mit dem Zaunpfahl.

Ohne Druck sprudelten bei Reger die Einfälle

Aber wenn Reger sich frei macht von seinem Meisterwerk-Syndrom, dann gelingen ihm die wahren Meisterwerke. Etwa die Mozart-Variationen. Oder die Romantische Suite. Man spürt, wie er aufblüht, wenn er mal nicht so unter Druck steht, wenn er sich erlaubt, ein Nebenwerk zu schreiben – dann sprudeln die Einfälle, und dann bekommen sie auch den Raum, den sie verdienen, ohne gleich mit tausend Gegenstimmen zugedeckt zu werden Dann weiß ich, warum es sich lohnt, gelegentlich an seiner Musik zu leiden. Dann liebe ich Reger.

Sendung: "Allegro" am 17. März ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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