BR-KLASSIK

Inhalt

500 Jahre Bayerisches Staatsorchester Wiesn, Wahnsinn, Wilhelm

Das Bayerische Staatsorchester feiert sein 500-jähriges Bestehen mit einer Europatournee. Dabei macht das Orchester auch einen Zwischenstopp in München – für ein "Oper für alle"-Konzert hinter dem Nationaltheater. Gleichzeitig beginnt das Oktoberfest. Dem Urvater des Staatsorchesters hätte das wahrscheinlich gefallen.

Fotomontage: Links ein historischer Oktoberfest Biertrinker , rechts Wilhelm IV., Herzog von Bayern  | Bildquelle: dpa/Montage BR

Bildquelle: dpa/Montage BR

Geburtstage sind wichtig – und je jünger der Jubilar, desto inniger fiebert er oder sie auf den Tag der Tage hin, den mit den Geschenken, der Torte, dem Hochleben lassen und dem Happy Birthday singen. Ja, Geburtstage gehören gefeiert, erst recht wenn es der 500ste ist.

Große Gesten, Große Werke

Strauss spielt man am Marstallplatz – und Schumann. So wirklich alt sind die ja nicht. Und es mutet ein bisschen naiv an, dass man ausgerechnet zum Wiesnanstich feiert. Mitten in der Stadt, die dann ja sowieso zum Bersten voll ist. Manch ein Australier, Amerikaner und Italiener schafft es vielleicht gar nicht bis zur Münchner Theresienwiese und bleibt dann mitten vor der Oper hängen. Lederbehost, Dirndlbekleidet und mit der Mass to go. Und denkt dann am Ende noch, das Konzert unterm freien Himmel wär die Wiesnband unterm Himmel der Bayern. Aber: das hat ja alles seinen tieferen Sinn! Und zwar diesen:

Wilhelm der Standhafte brachte den Bayern Kultur bei

Historische Zeichnung, verschiedene Formen von alten Blasinstrumenten, Krummhorn, Rankett oder Ranckett oder Rakett, ein Holzblasinstrument der Renaissance und des Barock | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Wer sich zurückerinnern kann an das Jahr 1523, es dürften nicht viele sein, der weiß: Oper, das Genre, mit dem das Bayerische Staatsorchester ja untrennbar verbunden ist, gab's gar nicht. Verdi, Puccini, Mozart, Wagner, Strauss – Himmel hilf – die hatten ja nix!!! Musik am Hofe war eher so eine Art Radio: Beschallung zum Abendessen, Lautenklänge, Flötentöne. Dazwischen: Schmatzen und Streiten, Liebesgeplänkel und Spektakel. Außerdem spielte Musik die Hauptrolle in der Kirche, Geistliche Musik: Gesänge, Madrigale, Psalmodien. Die Superstars des ausgehenden Mittelalters waren Mönche, wenn man so will. Bach war noch nicht geboren, Monteverdi lag noch nicht mal in Windeln, Instrumente, naja - in der Entwicklung.

Bayerischer Dreiklang: Reformation, Reinheitsgebot, Staatsorchester

1523 gründet sich ein Staatsorchester, so ganz ohne Staat, weil: Bayern wurde ja erst 1806 Königreich. Aber Bayern hatte einen Herzog, und der hatte einen Kulturauftrag, einen selbstgegebenen. Wilhelm der Standhafte - er sollte nicht nur Geschichte schreiben, indem er Bayern zu einer Burg des Katholizismus machte mitten in den Wirren der Reformation, sondern der Herzog hatte auch ein Händchen für Kunst und Kultur: Seine Gemälde waren der Grundstock der Sammlung in der Alten Pinakothek, und er benannte einen Hofkomponisten. Ludwig Senfl.

Senfl hilf, und bring Kultur an meinen Hof.
Wilhelm IV. (nicht überliefert)

 'Konzert im Park von Schloß Thumenberg mit Johann Staden (um Valckenborch, Frederik (1566-1623) zuge- schrieben. 'Konzert im Park von Schloß Thumenberg mit Johann Staden (um 1580-1634) am Orgelklavier'.  | Bildquelle: picture alliance / akg-images | akg-images Bildquelle: picture alliance / akg-images | akg-images Senfl, angeblich ein Schweizer, sollte für die Herzögliche Hofkapelle komponieren, ein Repertoire aufbauen. Wobei wohl eher Chorbücher entstanden, also streng genommen müsste eigentlich der Chor der Bayerischen Staatsoper 500-jähriges Jubiläum feiern und nicht das Orchester. Und leider bleibt das Orchester auch eine Komposition von Senfl schuldig bei seiner Tournee. Dabei wäre es doch schon mal spannend, so einen Psalm als Karaoke-Version nur instrumental zu versuchen? Zum Mitpsalmodieren. Das wiederum kann der Bayer ja ganz gut. Und noch was kann er: "Die Krüge hoch", Biergarten und Gemütlichkeit. Auch das ist Herzog Wilhelmschen Ursprungs!

Bayerisches Bier: Kulturgut seit mehr als 500 Jahren

Wilhelm der Standhafte hat der Bayerischen Kultur wirklich vieles geschenkt: etwa das Reinheitsgebot, sogar noch vor Erfindung der Hofkapelle. Was wären die Bayern denn ohne Bier, dann wären sie ja auch ohne Volksfeste und ohne Oktoberfest! Das wird nun just am selben Tag eröffnet, wie das Oper-für-alle-Konzert des Bayerischen Staatsorchesters. Das ist kein Zufall. Wenn der Einzug der Wiesnwirte vorbei ist, wenn so manch ein Pferdegespann durch die Stadt gezogen ist und seine Notdurft hinterlassen hat. Wenn es in der Stadt also nach Pferdeäpfeln und Hendln, gebrannten Mandeln und dem ersten Vorglüh-Bier riecht, dann ist das der Duft der Heimat. Und der Soundtrack dazu kommt dann abends aus Richtung Residenz!

Klicktipp

Ein ausführliches Dossier zum Thema "500 Jahre Bayerisches Staatsorchester" finden Sie hier.

Ein volles Festzelt auf dem Oktoberfest mit feiernden Menschen  | Bildquelle: Frank Hoermann Sven Simon Bildquelle: Frank Hoermann Sven Simon War das so geplant? Schicksal? Zufall? Man weiß es nicht. Aber Tatsache ist: Am 16. September heißt es "Ozapft" ist, das ist so sicher wie das "Amen" in der Kirche. Und abends erklingt die Alpensinfonie von Richard Strauss. Man kann also beide bahnbrechenden und geschichtsträchtigen Visionen von Wilhelm in München ER-LEBEN. Hintereinander, wenn man gut trainiert ist. Unfreiweillig, wenn man nicht weiß, wo die Wiesn ist und wo die Oper. Aber wurscht! Denn man stelle sich das nur mal vor: Das Bayerische Staatsorchester spielt Senfl in so einem Bierzelt. Und von oben lächelt Wilhelm der Vierte huldvoll und denkt sich: Alles richtig gemacht!

Sendung: "Leporello" am 13. September 2023 um 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Neu bei BR-KLASSIK

MEHR DAZU

    AV-Player