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Cellistin Anastasia Kobekina "Ich habe gespürt, wie erschöpft ich war"

"Venice" heißt das neue Album von Anastasia Kobekina. Musik aus Venedig spielt sie auch am 11. Februar mit dem Münchener Kammerorchester. Warum sie dafür genug Schlaf braucht, erzählt die Cellistin im Interview.

Die Cellistin Anastasia Kobekina | Bildquelle: Julia Altukhova

Bildquelle: Julia Altukhova

Neue CD "Venice"

Interview mit der Cellistin Anastasia Kobekina

BR-KLASSIK: Frau Kobekina, wenn man Sie mit verbundenen Augen mitten in Venedig abladen würde, würden Sie den Weg aus der Stadt wieder herausfinden?

Anastasia Kobekina: Das denke ich schon, ja. Den Weg kenne ich.

BR-KLASSIK: Woher kommt Ihre Liebe zu Venedig?

Anastasia Kobekina: Von dem Moment, als ich vom Bahnhof die ersten Schritte in die Stadt gemacht habe, war ich einfach fasziniert. Es war nicht nur die Schönheit. Venedig hat so viele Charaktere. Die Stadt hat eine Anziehungskraft, die ich nicht erklären kann.

BR-KLASSIK: Sie legen die Latte auf jeden Fall recht hoch, wenn Sie im Booklet zu Ihrem neuen Album schreiben, Venedig sei die einzige Stadt, die Sie wirklich im Innersten bewegt.

Anastasia Kobekina: Ich reise viel. Aber die Eindrücke sind natürlich nie objektiv, weil wir Menschen jeden Tag sehr unterschiedlich sind. Vielleicht kam ich genau in dem Moment nach Venedig, als ich bereit war, die Stadt mit all meinen Sinnen zu empfinden. Es war während der Pandemie im Sommer 2020 und es waren nicht so viele Leute dort. Vielleicht hat das auch dazu geführt, dass ich diese persönliche Verbindung spüren konnte.

BR-KLASSIK: Venedig mit seinem Labyrinth aus Gassen und Kanälen spannt einen guten Bogen zu Ihrem neuen Album. Auf der CD bildet der Ariadne-Mythos den Anfang und das Ende. Warum?

Anastasia Kobekina: Das war ein Versuch, auch einen zeitlichen Bogen zu spannen von Claudio Monteverdi, dem bedeutendsten Komponisten für Oper in Venedig, bis ins Heute. Monteverdis "Lamento d'Arianna" spiegelt Gefühle von allen Menschen wider, von 1600 bis in die jetzige Zeit. Das letzte Stück auf der CD ist von meinem Vater, der Variationen zu diesem "Lamento d'Arianna" komponiert und dabei alles noch dramatisiert hat.

Musik, die uns bewegt, ist aus einer Not heraus geschrieben.
Anastasia Kobekina

BR-KLASSIK: Sie schreiben im Booklet auch, die Aufnahme sei eine der intensivsten musikalischen Erfahrungen für Sie gewesen. Was ist da passiert?

Anastasia Kobekina | Bildquelle: Altukhova Julia Anastasia Kobekina. Von ihrer großen Leidenschaft, der Musik, erzählt sie auch regelmäßig auf Instagram. | Bildquelle: Altukhova Julia Anastasia Kobekina: Es geht um das Thema "Lamento", ein Weinen bis hin zum Schreien. Ich glaube, Musik, die uns bewegt, ist aus einer Not heraus geschrieben, nicht einfach nur als Job. Sie ist komponiert, weil man diese Gefühle nicht mit Worten ausdrücken kann. Bei einer CD-Aufnahme spielt man ein Stück nicht nur einmal von Anfang bis Ende, sondern viele Male. Diese zehn Minuten haben wir bestimmt vier Stunden lang aufgenommen. Das heißt, ich hatte diese Reise in mein Inneres, habe mich hineingesteigert wie ein Schauspieler, der die Rolle eines Verrückten spielen soll, der die Grenze der Normalität überschreitet. Ich habe versucht, einfach alles zu geben. Danach habe ich gespürt, wie erschöpft ich war.

BR-KLASSIK: Welchen Ausgleich haben Sie, um nicht überfrachtet zu werden mit diesem Programm oder mit den Tourneen?

Anastasia Kobekina: Es ist Wahnsinn, ich habe das Gefühl, dass alles immer schneller und schneller gehen muss. Ich habe für mich entdeckt, dass meine Grundbedürfnisse erfüllt sein müssen. Essen, schlafen, entspannen, dann habe ich Freude daran, etwas zu machen. Wenn ich nicht ausgeschlafen bin, fühle ich mich nicht kräftig genug, um auf der Bühne zu stehen, offen zu sein und den Leuten Energie zu geben. Sondern ich will nur in meinem Bett unter die Decke kriechen und das war's .

Wenn ich nicht ausgeschlafen bin, fühle ich mich nicht kräftig genug, um auf der Bühne zu stehen.
Anastasia Kobekina

BR-KLASSIK: Klar, das ist menschlich und ganz normal. Gibt es ein Ritual direkt vor dem Konzert, das Ihnen wichtig ist?

Anastasia Kobekina: Man denkt immer, wenn der Ablauf vor dem Konzert perfekt ist, dann ist das eine Garantie für ein gelungenes Konzert. Aber das funktioniert im reellen Leben nicht. Ein Zug ist verspätet, ein Koffer nicht angekommen oder die Probe muss umgestellt werden. Ich merke das, wenn die Zeit vor dem Konzert ganz chaotisch war. Es ist hektisch, ich muss mich umziehen, noch schminken. Dann komme ich auf die Bühne und denke: Ich darf jetzt Musik machen. Das ist das Schönste! Rituale gibt's natürlich auch vorher. Das Atmen nicht vergessen, mich konzentrieren und meine Energie spüren. Diese Energieressorts kann ich im Lauf des Konzerts ans Publikum weitergeben.  

BR-KLASSIK: Dann wünschen wir Ihnen ganz viel Energie beim Konzert mit dem Münchener Kammerorchester am 11. Februar!

Sendung: "SweetSpot. Neugierig auf Musik" am 5. Februar 2024 ab 20:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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