Er ist wie ein Chamäleon. Ob Klavierspielen, komponieren, arrangieren oder dirigieren – egal, Hauptsache Musik. Dabei stand für Aris Alexander Blettenberg der Wunsch, selbst Musik zu erschaffen, am Anfang seiner Pianistenkarriere. 2021 gewann er den ersten Preis beim Internationalen Beethoven Klavierwettbewerb in Wien. Am 9. April ist er im BR-KLASSIK-Studiokonzert zu erleben – mit eher selten gespielter Klaviermusik und eigenen Kompositionen.
Bildquelle: © Andrej Grilc
Zu Gast beim Studiokonzert
Interview mit Aris Alexander Blettenberg
BR-KLASSIK: Aris Alexander Blettenberg, wie darf ich dich vorstellen – als Pianist, Dirigent, Komponist, Arrangeur?
Aris Alexander Blettenberg: Gerne als Musiker. Es gibt da eigentlich keine Prioritäten. Für mich sind diese verschiedenen Tätigkeitsfelder Perspektiven ein und derselben Sache. Ich beschäftige mich einfach wahnsinnig gerne mit Musik. Das ist auf vielfältigen Ebenen beglückend. So kommt es zu diesen vielen Bezeichnungen.
BR-KLASSIK: Inwieweit wurde dir die Musik in die Wiege gelegt?
Aris Alexander Blettenberg: Ich komme aus einer Ärztefamilie. Die Medizin hat in den Familien meiner Eltern eine große Tradition. Meine Eltern, obgleich sie musikalisch interessiert sind, haben selber nicht musiziert. Wir hatten zu Hause keine Instrumente, aber es gab eine ganz schöne CD-Sammlung von meinem Vater. Das war meine erste Begegnung mit der klassischen Musik. Ich bin in diese CD-Sammlung hineingestolpert. Da war ich so sechs, sieben Jahre alt. Als meine Schwester mit dem Klavierunterricht begonnen hat, war für meine Eltern klar, dass ein Klavier gemietet werden muss. Und als das in unser Wohnzimmer kam, war ich total begeistert. Als kleiner Junge habe ich mich drangesetzt und meine Eltern verrückt gemacht, weil ich nicht mehr von diesem Instrument loskam. Ich konnte ja noch nix. Das war also kein Ohrenschmaus. Meine Eltern haben dann dafür gesorgt, dass ich auch Unterricht bekomme. Ich kam zu derselben Lehrerin wie meine Schwester, war immer sehr beseelt nach den Klavierstunden. Ich habe mich immer gleich wieder ans Instrument gesetzt.
BR-KLASSIK: Üben war also kein Thema, das man dir antragen musste.
Aris Alexander Blettenberg: Das war überhaupt kein Thema. Es war eigentlich der schönste Zeitvertreib, den ich mir vorstellen konnte. Wie gesagt, ich bin gleich nach der Klavierstunde wieder ans Klavier. Das hat sich eigentlich bis heute so erhalten.
"Üben wie die Profis" mit Tipps von Julia Fischer, Konstantin Krimmel und Andreas Martin Hofmeir
BR-KLASSIK: Und mit der Schwester gab es kein Gerangel um die Zeit am Instrument?
Aris Alexander Blettenberg: Nein, aber ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wie wir das konkret geregelt haben. Meine Schwester war vielseitig aktiv. Sie hat auch noch Flöte gespielt und war eine Sportskanone. Ich glaube, wir haben uns gut arrangieren können, weil für mich doch die Musik im Zentrum stand.
BR-KLASSIK: Musik zu interpretieren und Musik selbst zu kreieren sind nun zwei verschiedene Perspektiven. Wie hat sich das entwickelt, dass du selbst schöpfen wolltest?
Die Musik spielen, die im Kopf ist – das war die Motivation für Aris Alexander Blettenberg Klavierspielen zu lernen. | Bildquelle: Andrej Grilc Aris Alexander Blettenberg: Das war für mich eigentlich die Initialzündung, der Anfang des Ganzen. Ich erinnere mich, dass ich mit voller Faszination an diesem Klavier saß und das, was ich im Kopf hatte, umsetzen wollte. Dass es dann auch die andere Richtung gibt, große Meisterwerke der Vergangenheit zu interpretieren und auf die Bühne zu bringen, kam erst ins Bewusstsein, als ich zu meiner zweiten Klavierlehrerin kam, die mich bis zum Studium begleitet hat. Da wurde es professioneller mit den Fragen: Wie kann ich mich auf ein Studium vorbereiten? Was sind die Voraussetzungen für eine Aufnahmeprüfung? Begonnen hat alles mit dem Willen, Musik zu kreieren.
BR-KLASSIK: Gab es Vorbilder oder wichtige Erlebnisse, die dich angeregt haben?
Aris Alexander Blettenberg: Einerseits waren es die CDs von meinen Eltern, die ich mir rauf und runter angehört habe. So habe ich zum ersten Mal ein Orchester gehört und Klavierkonzerte von Brahms und Mozart. Hinzu kamen persönliche Kontakte. Ein Freund von mir war der Sohn von Orchestermusikern, die mein großes Interesse gemerkt haben. Sie haben mich in die Konzerte mitgenommen. Ich bin in Mülheim an der Ruhr geboren und aufgewachsen. Mein "Heimatorchester" wurden die Duisburger Philharmoniker. Ich habe dann auch mit meinem Freund bei "Jugend musiziert" mitgemacht. Er hat Trompete gespielt. Das waren so die allerersten Erfahrungen, die sehr wichtig und inspirierend waren.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Salonkonzert Aris Alexander Blettenberg - Live @ Bösendorfer Salon
BR-KLASSIK: Deine Mutter kommt aus Griechenland, und der Name Aris winkt ja auch ein bisschen in diese Ferne. Was hat das für eine Rolle gespielt, die griechische Kultur?
Aris Alexander Blettenberg: Griechenland war natürlich immer ein großes Thema. Wir haben eine große Familie dort, die wir jedes Jahr besucht haben. Das ist ein ganz inniges Verhältnis und auch meine zweite Heimat.
BR-KLASSIK: Hast du auch die Sprache gelernt?
Tief berührt vom Klang der Bouzouki, einem traditionellen griechischen Instrument. | Bildquelle: picture alliance / Dorling Kindersley | Geoff Dann Aris Alexander Blettenberg: Ja, allerdings haben meine Schwester und ich die Sprache sehr spielerisch gelernt. Als wir in den deutschen Kindergarten kamen, wurde es für meine Mutter immer schwieriger, das aufrechtzuerhalten. Irgendwann haben wir zuhause nur noch Deutsch gesprochen, weil das für uns Kinder anders komisch war. Aber später im Gymnasium mit zwölf oder dreizehn Jahren kam noch einmal ganz stark das Interesse für die Kultur Griechenlands hoch. Seitdem ist die griechische Musik ein zentrales Thema, auch in dem, was ich schreibe. Ich habe damals begonnen, Mandoline zu lernen. Mich hat der Klang der Mandoline fasziniert, der ja doch auch sehr verwandt ist mit dem einer Bouzouki, einem traditionellen griechischen Instrument, das mich irgendwo im tiefsten Innern berührt. Das führe ich auf diese griechische Ader zurück.
BR-KLASSIK: Wie erlebst du heute die Musikwelt in Griechenland?
Aris Alexander Blettenberg: Ich habe erst vor kurzem in Thessaloniki mit dem dortigen Staatsorchester spielen dürfen. Das war eine ganz wunderbare Erfahrung. Es war mein erstes Mal mit einem griechischen Orchester, und ich war von Anfang an total begeistert. Alles war von der ersten Minute an wahnsinnig gut organisiert. Und dann war es musikalisch total beglückend. Ganz besonders schön war die Reaktion des Publikums. Ich habe am Ende der ersten Konzerthälfte als Solist gespielt und in der zweiten Hälfte die Symphonie im Publikum gehört. Es war wirklich, als wäre man bei einer Uraufführung. Die Klassikszene ist dort noch nicht so verbreitet – das betrifft auch Stücke, die man hierzulande fast an jeder Ecke hören kann. Klassik ist dort vielleicht auch nicht so ein wichtiger Teil des alltäglichen Lebens. Aber so ein Konzert wird zum wirklichen Ereignis. Ich habe so eine Publikumsreaktion tatsächlich selten erlebt, eine sofortige Begeisterung und auch das Wissen darüber, dass da gerade etwas ganz Einzigartiges und Besonderes passiert, was nicht jeden Tag zu erleben ist.
Ein klassisches Konzert wird in Griechenland zum wirklichen Ereignis.
BR-KLASSIK: Kann man davon auch hierzulande etwas wirksam machen im Konzert?
Aris Alexander Blettenberg: Sicherlich! Wo, wenn nicht hier, gibt es sonst diese Liebe und diese Begeisterung für die Musik? Ich glaube, wir müssen uns immer wieder bewusst machen, wie wertvoll das ist, was wir haben. Es ist eine Ermessensfrage und jedem Künstler freigestellt, wie man dieses Bewusstsein schafft bei einem Publikum, das ein sehr reiches Angebot bekommt.
BR-KLASSIK: Und auch privilegiert ist …
Aris Alexander Blettenberg: Ja, aber das sind wir als Künstler auch. Wo wären wir, wenn es nicht die Leute gäbe, die sich interessieren, die etwas erleben wollen und das Live-Event schätzen? Das ist ja so wahnsinnig schön, dass es das gibt! Davon leben wir.
BR-KLASSIK: Was macht für dich einen gelungenen Konzertabend aus?
Aris Alexander Blettenberg: Für mich ist dieser unmittelbare Kontakt zum Publikum sehr wichtig. Ich habe irgendwann angefangen, das Publikum persönlich mitzunehmen, indem ich durch den Abend führe, also versuche, meine Gedanken zu moderieren. Das soll nie ein wissenschaftlicher Vortrag sein, sondern einen persönlichen Kontakt zwischen mir und dem Publikum herstellen. Seitdem ich das mache, merke ich, dass ich selbst sehr davon profitiere, weil ich das Publikum noch viel intensiver spüre. Das inspiriert mich noch einmal mehr, für die Leute dann auch zu spielen. Die Reaktion seitens des Publikums war auch immer sehr positiv, weil sich die Zuhörer mitgenommen fühlen und anders zuhören. Vielleicht werden sie auf Dinge aufmerksam, die sie sonst nicht bemerken würden. Das macht für mich letztlich ein Musikerlebnis aus, jedes Mal neu und bereichernd. Häufig versuche ich, die Programme abzuwandeln, sodass sie wirklich einen Bezug zu dem Ort und den Menschen haben, wo ich sie spiele. So kann man einmalige Konzerterlebnisse und Begegnungen schaffen.
Ich moderiere meine Konzerte gerne selbst, weil ich das Publikum dann noch viel intensiver spüre.
Am Dienstag, 9. April 2024, spielt Aris Alexander Blettenberg live im Studio 2 des BR-Funkhauses in München.
Programm:
Ludwig van Beethoven: Polonaise C-Dur, op. 89
August Bungert: "Aus jungen Tagen", op. 9, Nr. 1-4
Felix Draeseke: Sonata quasi fantasia cis-Moll, op. 6
Aris Alexander Blettenberg: "Stride Miniatures"; "First Jazzy Impressions"
Francis Poulenc: "Die Geschichte vom Babar, dem kleinen Elefanten" (Katja Schild, Sprecherin)
BR-KLASSIK überträgt den Abend von 20:05 an live im Radio.
BR-KLASSIK: Im Studiokonzert steckst du einen weiten Rahmen mit Musik aus dem 19. Jahrhundert von Beethoven, August Bungert und Felix Draeseke, einem Werk von Poulenc von 1940 und eigenen Stücken. Wie kam es dazu?
Aris Alexander Blettenberg: Eine Komposition wird das Programm vielleicht erst auf den zweiten Blick. Ihr habt mir die wunderbare Möglichkeit gegeben, mich vorzustellen. Mein Anliegen war es, möglichst viele verschiedene Facetten zu zeigen und etwas mitzubringen, was man nicht an jeder Ecke bekommen kann und persönlich mit mir zu tun hat.
BR-KLASSIK: Wir haben dir eine Carte Blanche gegeben mit der Auflage, Deine Vielseitigkeit einzubringen. Ein paar Stichpunkte zur persönlichen Note.
Aris Alexander Blettenberg hat 2021 beim 16. Internationalen Beethoven Klavierwettbewerbes den ersten Preis gewonnen. | Bildquelle: © Andrej Grilc Aris Alexander Blettenberg: Beethoven ist für jeden Musiker einfach ein zentraler Komponist, glaube ich. Hier hat mich mit der Polonaise ein Stück interessiert, auf das ich erst vor wenigen Jahren gestoßen bin. Ich wollte etwas mitbringen, was von einem bekannten Komponisten stammt, aber vielleicht gar nicht im Bewusstsein verankert ist. Bei einer Polonaise denkt man ja eher an Chopin. Vor drei Jahren habe ich in Wien beim Internationalen Beethoven-Klavierwettbewerb mitgemacht (und den 1. Preis gewonnen; Anm. Red.). Seitdem ist Beethoven noch mehr ins Zentrum meiner Beschäftigung als Pianist und als Musiker gestoßen.
BR-KLASSIK: Wer ist August Bungert?
Aris Alexander Blettenberg: Da gibt es einen konkreten persönlichen Draht. Bungert wurde 1845 in Mülheim an der Ruhr geboren, also in meiner Geburtsstadt. Als ich Abitur gemacht habe, hatte ich eine sogenannte "besondere Lernleistung" angemeldet. In diesem Kontext habe ich mich mit Bungerts Lebenslauf auseinandergesetzt und als Prüfung ein Konzert mit verschiedensten Stücken von ihm veranstaltet. Ich finde, er ist eine wahnsinnig interessante Persönlichkeit in der Musikgeschichte – nicht allein deshalb, weil er versucht hat, einen Gegenentwurf zu Wagners "Ring" zu schreiben, eine griechische Tetralogie über die Odyssee. Er hat viele wunderschöne Lieder hinterlassen, einige Klavierwerke und vor allem diese monumentalen Opernwerke.
BR-KLASSIK: Die Geschichte von "Barbar, dem kleinen Elefanten" ist ein Kinderbuch. War dir erst die Geschichte vertraut oder bist du auf die Geschichte durch die Musik von Poulenc gestoßen?
Aris Alexander Blettenberg: Letzteres war der Fall. Ich habe mich einige Zeit sehr intensiv mit Poulenc beschäftigt und bin auf diese Vertonung gestoßen, zunächst in einer Übertragung von Loriot in einer orchestrierten Fassung. Erst viel später bin ich darauf gekommen, dass es original für Klavier geschrieben ist.
BR-KLASSIK: Oft wird das Stück in Kinderkonzerten programmiert. Was hat dich als Erwachsener angesprochen?
Aris Alexander Blettenberg: Mich hat vor allem das Kindliche angesprochen, weil ich glaube, dass uns genau das auch als Erwachsene so wahnsinnig berührt: die Einfachheit der Erzählung, die Unmittelbarkeit und eben auch die Musik. Wir hören die Fassung von Katja Schild und Katja selbst wird die Erzählerin sein – sie und ich haben uns vor ein paar Jahren durch ein "tierisches Projekt" kennengelernt, das mit verschiedenen Kompositionen und Texten um den Mops kreiste, den Schoßhund. Ich freue mich, dass sie dabei ist!
Ich glaube, dass das Kindliche uns auch als Erwachsene wahnsinnig berührt.
BR-KLASSIK: Und deine eigene Musik? Die Titel lesen sich nach Improvisationen.
Aris Alexander Blettenberg: Die Miniaturen entstanden als Gelegenheitskompositionen. Es ist eine Zusammenstellung von wirklich sehr kurzen Stücken mit verschiedensten Assoziationen. Diese Musik ist zwar aus einer Improvisation heraus entstanden, aber doch ziemlich genau festgelegt und ausnotiert. Die Impressionen habe ich 2011 geschrieben. Ich habe sie zu einer kleinen Suite zusammengefügt.
Sendung: Studiokonzert mit Aris Alexander Blettenberg, Dienstag, 9. April 2024, 20:05 Uhr auf BR-KLASSIK.
Kommentare (0)