Ob sie eigentlich ein "fauler Sopran" sei, wurde sie mal gefragt: Denn ihre Stimme liegt für einen Mezzosopran ziemlich hoch. Aber Anne Sofie von Otter arbeitete lieber an der Breite ihres Repertoires als an der Höhe ihrer Stimme. Von "Faulheit" kann bei über 60 Alben jedenfalls nicht die Rede sein. Von Ermüdung auch nicht: Die schwedische Sängerin feiert am 9. Mai ihren 70. Geburtstag in ihrer Heimat, bevor sie im Juni bei einer Welturaufführung von Philippe Manoury an der Oper Köln auf der Bühne stehen wird.
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Cherubino, Sesto, Orfeo, Ariodante, Hänsel: Die großen Hosenrollen von Händel bis Strauss hat Anne Sofie von Otter hinreißend interpretiert; ihr Oktavian in Carlos Kleibers Wiener "Rosenkavalier" ist bis heute legendär. Genauso überzeugend war sie in erz-weiblichen Partien wie Carmen, Dido, Cenerentola und Medea.
Dreihundert Jahre Operngeschichte sind aber nur ein Bruchteil ihrer erstaunlichen Vielseitigkeit. Schnell gesagt ist, was die erklärte Polystilistin nicht singt: Belcanto. Dafür aber fast alles andere: romantisches Kunstlied, Musical, Jazz, Pop, Folk und französische Chansons. Gustav Mahler und Joni Mitchell, Cécile Chaminade und Elvis Costello, Abba und Thomas Adès – vom Barock bis in die Gegenwart reicht ihr Repertoire und überwindet dabei sämtliche Genregrenzen; immer mit untrüglichem Stilempfinden.
Anne Sofie von Otter studierte in ihrer Heimatstadt Stockholm, später in Wien und London. Drottningholm, Aix en Provence und Basel waren frühe Stationen ihrer Karriere, die spätestens mit ihrem Mailänder Cherubino Mitte der 1980er Jahre internationales Spitzenniveau erreichte. Auch wenn der Portier der Mailänder Scala sich nur schwer davon überzeugen ließ, dass die Signora im saloppen Outfit ohne Pelz und Perlenkette eine echte Sängerin sei.
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Konventionen und Mainstream der Klassikszene interessierten sie nie – stattdessen setzte sie mit ihrer umfangreichen und ungewöhnlichen Diskographie immer wieder Zeichen. Etwa durch ihr vielbeachtetes Terezín-Album mit Musik, die am Rande des Todes im Ghetto Theresienstadt geschrieben und aufgeführt wurde. Musik, die den Holocaust überlebt hat…
Ihre wohltimbrierte Mezzostimme, ihre hochvirtuose Gesangstechnik und ungekünstelte Expressivität – all das hat Anti-Diva Anne Sofie von Otter immer in den Dienst ihrer musikalischen Leidenschaft und künstlerischen Neugierde gestellt. Eine Künstlerin, die trotz chamäleonartiger Wandelbarkeit doch immer unverkennbar bleibt und am liebsten die Musik für sich sprechen lässt.
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Anne Sofie von Otter - Brahms - 'Geistliches Wiegenlied'
Sendung: "Klassik Stars: Zum 70. Geburtstag von Anne Sofie von Otter" am 9. Mai 2025 ab 18:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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