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Ausblick auf das Opernjahr Was bringt 2024?

Was erwartet die Freundinnen und Freunde des Musiktheaters im Jahr 2024 – wo zeichnen sich Höhepunkte ab? BR-KLASSIK hat in den Spielplänen großer Opernhäuser des deutschsprachigen Raums geblättert. Ein Ausblick von Volkmar Fischer.

Asmik Grigorian in Salzburg 2023 | Bildquelle: picture alliance / Roman Zach-Kiesling / First Look / picturedesk.com | Roman Zach-Kiesling

Bildquelle: picture alliance / Roman Zach-Kiesling / First Look / picturedesk.com | Roman Zach-Kiesling

Die Geschicke der deutschsprachigen Opernszene werden immer wieder durch dieselben Leute gelenkt? Aber nein! Ein Isländer, Thorleifur Örn Arnarsson, darf die einzige Neuproduktion der Bayreuther Festspiele 2024 in Szene setzen: "Tristan und Isolde". Der Mann von der Vulkaninsel gibt sein Regie-Debüt im oberfränkischen Mekka der Wagnerianer. Anders als bei Eröffnungspremieren dort üblich, steht im "mystischen Abgrund" kein Neuling, sondern der 71jährige gebürtige Petersburger Semyon Bychkov. Den Kampf mit dem magischen, aber für seine Tücken berüchtigten überdachten Orchestergraben hat er schon mehrfach gewonnen. Jedenfalls in "Parsifal"-Gefilden. Und während Amor zwischen Cornwall und Bretagne, den Schauplätzen der "Tristan"-Handlung, seine Pfeile ungeniert verschleudern darf, spielt diesmal in Bayreuth vielleicht sogar der ebenso launische Wettergott mit – nach heftigem Gewitter und Sturm am Tag der Eröffnung letzten Sommer.

Wagner, Weber, Strauss

Eine beinahe ebenso romantisch gemeinte Oper wie Wagners "Tristan" gibt es bei den Bregenzer Festspielen vor traditionell realem Sonnenuntergang: Carl Maria von Webers "Freischütz"! Für rund siebentausend Tribünengäste pro Abend wird die Neuinszenierung des vor Ort schon routinierten Philipp Stölzl zum Bodensee-Spektakel (Dirigent: Enrique Mazzola). Auch die Salzburger Festspiele bieten zum Auftakt deutsches Repertoire, wenngleich irritierenderweise nur konzertant. Ein Stück, das Grundsatzfragen zum Genre-Machtkampf zwischen dem Komponisten und Librettisten verhandelt: "Capriccio" von Richard Strauss! Der dafür an die Salzach gebetene Christian Thielemann duldet zu Ostern in Dresden auch einen Regisseur neben sich: David Bösch für "Die Frau ohne Schatten". Während gleichzeitig ein anderer Strauss-Dirigent ersten Ranges, Kirill Petrenko, in Baden-Baden "Elektra" in Angriff nimmt. Auch hier sitzt Philipp Stölzl im Regie-Boot.

Tschaikowsky, Prokofjew, Weinberg

Mirga Gražinytė-Tyla beim Jugendkonzert mit den Münchner Philharmonikern | Bildquelle: Tobias Hase Gefragt im Jahr 2024: Mirga Grazinyté-Tyla | Bildquelle: Tobias Hase An einer ehemaligen Wirkungsstätte Petrenkos, der Bayerischen Staatsoper, drückt Asmik Grigorian, die Unvergleichliche unter den Sopranistinnen heute, erstmals einer Münchner Neuproduktion ihren Stempel auf: als Lisa in Tschaikowskys "Pique Dame" (Regie: Benedict Andrews). Hausherr Vladimir Jurowski überlässt die musikalische Interpretation überraschend dem usbekischen Dirigenten Aziz Shokhakimov. Auch in Salzburg steht ein russisches Spielerdrama im Terminkalender von Asmik Grigorian: "Der Spieler" von Prokofjew. Hier agiert ein Festspiel-Debütant am Dirigentenpult, Timur Zangiev, neben einem Regie-Veteran: Peter Sellars. Und es gibt einen anderen, in letzter Zeit immer öfter aufgeführten Komponisten, für den sich Bayerische Staatsoper und Salzburger Festspiele im Abstand weniger Monate gleichermaßen stark machen: Mieczyslaw Weinberg, der einstige Freund Dmitri Schostakowitschs! Sobald "Die Passagierin" an der Isar vor Anker geht, bildet Vladimir Jurowski das Leitungsteam mit dem Landshuter München-Debütanten Tobias Kratzer. An die Salzach wiederum begibt sich Weinbergs "Idiot", auf Händen getragen von Dirigentin Mirga Grazinyté-Tyla und Regisseur Krzysztof Warlikowski. 

Debussy, Offenbach, Ligeti

Das musiktheatralische Zusammentreffen einer Dirigentin mit einer Regisseurin ist leider immer noch die Ausnahme: Umso neugieriger schweift der Blick zur zweiten Premiere der Münchner Opernfestspiele, wo Debussys Chef d’Oeuvre "Pelléas et Mélisande" vom litauisch-niederländischen Team Mirga Grazinyté-Tyla / Jetske Mijnssen für das Prinzregententheater neu hinterfragt wird. Leichte Kost hingegen, Jacques Offenbachs einzige Oper "Les Contes d’Hoffmann", ruft die Französin Mariame Clément in Salzburg ans Regiepult. Unter Mark Minkowski gibt der vorzügliche Tenor Benjamin Bernheim sein szenisches Salzburg-Debüt. Ein nachträgliches Präsent zum 100.Geburtstag eines bedeutenden Komponisten der Postmoderne – György Ligeti –, machen die Münchner Opernfestspiele mit "Le Grand Macabre". Überraschend dabei: die projektbezogene Rückkehr des früheren GMD Kent Nagano, während die Regiearbeit von Krzysztof Warlikowski kommt. In Wien und Frankfurt sind Neuproduktionen der zentralen Oper Ligetis übrigens schon seit November präsent – "Le Grand Macabre", das Stück der Stunde.

Publikumsliebling Puccini

Anna Netrebko | Bildquelle: picture-alliance/dpa Wieder alles wie immer? Anna Netrebko | Bildquelle: picture-alliance/dpa Natürlich ist 2024 ein Puccini-Jahr. Der 100.Todestag jährt sich zwar erst im November, aber jedes prominente Jubiläum wirft seine Schatten voraus. In einer neuen Münchner "Tosca" soll nach langer Auszeit Anja Harteros in einer ihrer alten Glanzrollen ein Comeback feiern! Der Schwanengesang Puccinis, "Turandot", ist von Regisseur Claus Guth erst zur Adventszeit in Wien neu gesichtet worden, mit Asmik Grigorian und Jonas Kaufmann. Ohne Stars, dafür mit sommerlicher Frischluft kommt die chinesische Prinzessin zum Augsburger Roten Tor. Und nachdem es zuletzt unter den Puccini-Opern vor allem "Il trittico" war, für das sich außer Salzburg auch Wien und Berlin eingesetzt haben, bleibt abzuwarten, was der Herbst noch so bringt. Operngesang all’italiana jedenfalls, vor ein paar Wochen erst von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt, bieten die Salzburger Osterfestspiele schon bald mit Amilcare Ponchiellis selten komplett aufgeführter "Gioconda". Der darin enthaltene instrumentale Publikumsliebling namens "Danza delle ore / Tanz der Stunden" liegt diesmal in den Händen des Dirigenten Antonio Pappano. Für Jonas Kaufmann ist die Figur des Enzo Grimaldo das wichtigste Rollendebüt der nächsten Monate. Und die Titelpartie der Gioconda ist einer gewissen Anna Netrebko anvertraut.

Sendung: "Allegro" am 2. Januar ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (4)

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Mittwoch, 03.Januar, 20:40 Uhr

josef wagner

was bringt wien

leider, von dem was da besprochen wird interessiert mich njur Puccini ein wenig. Und die klassischen Spaetbarocken Opern werden in Wien immer weniger, nachdem An der Wien einen neuen Chef hat ist es da mit wirklich gutem Werken, Musik und Inszenierung, komplett vorbei

Mittwoch, 03.Januar, 09:42 Uhr

Fred Keller

WAS BRINGT 2024?

So so plötzlich wurde aus dem Superstar Anna Netrebko eine "gewisse"! Und was für ein Glück das wir Thielemann haben, anstatt eine der diversen blassen Taktstockdamen die auf den Pulten auftauchen.
Prosit Neujahr.

Freitag, 29.Dezember, 19:51 Uhr

Freund

Was wohl?

Ich bin ein großer Opernfreund. Bei jeglichen Sternen an ungehörigem Plätzen verabschiede ich mich aber konsequent für immer. Tschüss

Freitag, 29.Dezember, 12:01 Uhr

Barboncino

2024

Was sollen die Spitzen gegen Thielemann und Netrebko? Wenn der Regisseur neben Thielemann musikzerstörend wirken sollte (was ich nicht hoffe), dann möge der Maestro ihm den Taktstock vor die Füße werfen.Weshalb wird Netrebko nur mit einem Satz erwähnt und was soll das despektierlich klingende Adjektiv " gewisse"?Im übrigen bin ich nicht Teil der "Freund", sondern der Freunde des Musiktheaters. Was soll dieser die deutsche Sprache zerstörende Sternchen-Quatsch ?

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