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Kritik – Opernstudio der Bayerischen Staatsoper Premiere mit Respighi und Orff

Ottorino Respighis "Lucrezia" und Carl Orffs "Der Mond": Das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper hat zwei Einakter miteinander vermählt. Inhaltlich funktioniert das nur mäßig. Gestern war Premiere am Münchner Cuvilliés-Theater.

Carl Orffs "Der Mond" vom Opernstudio der Bayerischen Staatsoper. | Bildquelle: © Wilfried Hösl

Bildquelle: © Wilfried Hösl

Krieg! Das ist das erste, pathetisch herausgeschleuderte Wort in Ottorino Respighis "Lucrezia". Und wie Carl Orffs kleines Welttheater "Der Mond", datiert auch seine Oper aus den späten 1930ern. Kurz vor dem Schulterschluss des faschistisch regierten Italiens mit Nazi-Deutschland, als Künstler sich mit ihren Werken gern in die Antike oder in märchenhafte Stoffe flüchteten. Inhaltlich haben die beiden Einakter auf den ersten Blick aber nur wenig gemeinsam. Und warum vom Opernstudio der Bayerischen Staatsoper nun ausgerechnet dieses Duo zusammengespannt wurde, erschließt sich nach dem zurückhaltenden Schlussapplaus nicht durchwegs.

Tragische Geschichte aus dem antiken Rom

Respighis letztes Bühnenwerk, das posthum von seiner Frau Elsa und dem befreundeten Komponisten Ennio Porrino vollendet wurde, verhandelt einen von Ovid überlieferten Gründungsmythos der antiken römischen Republik. Auslöser war die Vergewaltigung der adligen Lucrezia durch den etruskischen Prinzen Sextus Tarquinius und ihr anschließender aus Scham gewählter Freitod. Ein Schicksal, das die Stadt erschütterte und schließlich zum Aufstand gegen das Regime führte.

Ruf nach Rache

Ottorino Respighis "Lucrezia" vom Opernstudio der Bayerischen Staatsoper. | Bildquelle: © Wilfried Hösl Bildquelle: © Wilfried Hösl Regisseurin Tamara Trunova verzichtet in ihrer Inszenierung zum Glück auf römische Toga und Sandalen, aber ebenso konsequent auf Anspielungen auf die Entstehungszeit. Stattdessen kleidet Kostümbildnerin Eva-Mareike Uhlig die männlichen Figuren beider Werke in neutrale klassisch geschnittene graue Anzüge, die dem Geschehen eine zeitlose Gültigkeit und Gelegenheit für Assoziationen im Hier und Jetzt geben. Lucrezia selbst bleibt aber dennoch durch und durch Opfer. Schon in der ersten Szene wird sie als stumme Beobachterin eingeführt und als Trophäe in einen gläsernen Schaukasten gesteckt. Dass ihr nach der Vergewaltigung nur die Flucht in den Selbstmord bleibt und es Männer als potenzielle Rächer braucht, war im alten Rom selbstverständlich. Nicht allerdings, dass diese den Ruf nach Rache nun aber einfach mit einem beiläufigen Schulterzucken quittieren, den Verlust der Familienehre einfach herunterschlucken und am Ende erneut in toxischer Solidarität vor dem Täter kuschen.

Aufstand in Carl Orffs Unterwelt

Moralisch besser bestellt ist es auch um die vier Burschen in Orffs Einakter nicht, deren Lebensinhalt vor allem aus "saufen, huren, zechen" besteht. Laster, die zunächst durch den Raub des Mondes finanziert werden, bevor jeder von ihnen seinen Anteil am Erdtrabanten mit ins Grab nimmt. Was in der Unterwelt schließlich für einen Aufstand sorgt, den nur Petrus höchstpersönlich eindämmen kann. Gewürzt mit kleinen Slapstick- und Tanzeinlagen, die hin und wieder für verhaltenes Schmunzeln sorgen, aber nicht über die volle Distanz tragen. Und wenn kurz vor Schluss die Begleiterinnen Lucrezias noch einmal flüchtig durchs Totenreich huschen oder Darstellungen ihres Selbstmords aus der bildenden Kunst als mahnende Projektionen vorbeiflimmern, kommt dies als verbindende Klammer leider ähnlich spät wie die Kinderstimme, die zunächst auf Ukrainisch die optimistischen Schlussworte sprechen darf, um so die Brücke in unsere Gegenwart zu schlagen.

Homogene Ensembleleistung

Carl Orffs "Der Mond" vom Opernstudio der Bayerischen Staatsoper. | Bildquelle: © Wilfried Hösl Bildquelle: © Wilfried Hösl Eine Gemeinsamkeit findet sich immerhin in den Erzählerfiguren der beiden Opern. Bei Orff darf da etwa Liam Bonthrone mit geschmeidigem Tenor ebenso eloquent wie höhensicher durch die Handlung führen. Doch die spannendere Figur ist eindeutig in der "Lucrezia" zu finden, wo Natalie Lewis mit ihrem farbenreichen Mezzo das Geschehen nicht nur kommentiert, sondern einmal auch plötzlich zur inneren Stimme des Täters mutiert. Eine subtile Gratwanderung, die die Sängerin überaus nuanciert meistert und dafür ähnlich lautstark gefeiert wird wie Louise Foor für ihre anrührende Gestaltung der Titelheldin. Die Männer mögen im Gegensatz zu ihnen zwar nicht die größten Sympathieträger sein, doch kann auch Thomas Mole mit seinem wandlungsfähigen Bariton als brutaler Tarquino und polternder Bauer im "Mond"-Spiel punkten. So wie fast alle Mitglieder des Opernstudios, die sich stimmlich keine Blöße geben und mit einer homogenen Ensembleleistung überzeugen.

Respighi überzeugt mehr als Orff

Im Graben beweist Dirigentin Ustina Dubitsky vor allem ein gutes Händchen für Respighi. Dessen fest in der italienischen Operntradition verwurzelte Musik kann hier ihre soghaften Qualitätenvoll entfalten, während sich die durchaus vorhandenen Schwächen von Orffs Partitur in der reduzierten Orchesterfassung nicht immer so leicht kaschieren lassen. Auch, weil es den rhythmischen Sprechchören am Premierenabend hin und wieder an der nötigen Deutlichkeit mangelt. So bleibt dieser Doppelabend zwar eine durchaus reizvolle Begegnung mit zwei Raritäten, das volle Potenzial wird aber leider nur bedingt ausgeschöpft.

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Sendung: "Leporello" am 25. April 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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