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Zur Premiere "Cavalleria rusticana" Fünf berühmte Opernchöre

Am 22. Mai haben die Opern "Cavalleria rusticana" und "Pagliacci" an der Bayerischen Staatsoper Premiere. Zu erleben ist auch der berühmte "Osterchor". Wir stellen Ihnen hier weitere herausragende Opernchöre vor – von "Nabucco" bis "Tannhäuser".

Szene aus "Cavalleria rusticana / Pagliacci" an der Bayerischen Staatsoper, 2025 | Bildquelle: Geoffroy Schied

Bildquelle: Geoffroy Schied

Wie beim Konzertchor strebt auch ein Opernchor Homogenität und Transparenz an: Als würde nicht aus hundert Kehlen, sondern nur aus einer einzigen gesungen. Obwohl in der Regel mindestens zwei Stimmlagen beteiligt sind (bei reinen Frauen- bzw. Männerchören), während in gemischten Chören Sopran und Alt, Tenor und Bass glücklich vereint sind. Wenn wir aber nicht im Konzertsaal sitzen, sondern im Opernhaus, steht wie für die Solist:innen zugleich auch für den Chor eine bestimmte Rolle im Fokus. Einfaches Volk zum Beispiel oder eine klar benannte Berufsgruppe. Sobald es Gefangene eines despotischen Regimes sind, suggeriert der Chor eine ausgeprägte kollektive Verbundenheit leidtragender Menschen. Und eine der Fragen, die in den Köpfen der Besucher:innen davon ausgelöst werden können, lautet: Wollt Ihr Euch, so verschieden ihr auf euren Parkett- und Rangplätzen auch nach Herkunft und sozialem Status sein mögt, nicht von unserem klingenden Gemeinschaftsgefühl anstecken lassen?

Ludwig van Beethoven: Fidelio

"O welche Lust, in freier Luft den Atem leicht zu heben", Chor der Gefangenen im 1.Akt

Die Gattung der Oper musste zweihundert Jahre alt werden, um erstmals einen Chor von erheblichem Gefühlspotential hervorzubringen. Deutlich mehr als der Priesterchor in der rund zwanzig Jahre älteren "Zauberflöte" Wolfgang Amadeus Mozarts ist der Gefangenenchor in Ludwig van Beethovens "Fidelio" ein Stück Musik, das zu Herzen geht. Innerhalb einer Szene, die inhaftierten Menschen Raum zur Entfaltung gibt, treten zwei Solisten als Individuen neben das Kollektiv. Freiheit ist der zentrale Begriff, um den es sich – als Reflex auf die damals längst verratenen Ideale der Französischen Revolution – im Gesangstext dreht. Der Verlust dieses zentralen Menschenrechts wird von Gefangenen erst traurig und zaghaft, dann mit wachsender Energie beklagt. Und das Orchester fungiert nicht nur als Klangteppich: Mit dem Leidensdruck der Männer oben auf der Bühne erklären sich unten im Graben die von Natur aus dunkel gefärbten Fagott-Stimmen solidarisch. Ihre Tonfolgen streben nach oben, aus der Finsternis des Kerkers ins Licht der Freiheit bzw. ins Licht des "gestirnten Himmels". Denn auch philosophische Gedanken Immanuel Kants liegen der einzigen Oper Beethovens zugrunde.

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Beethoven's Fidelio : Prisoners' Chorus

Richard Wagner: Tannhäuser

"Freudig begrüßen wir die edle Halle", Einzug der Gäste auf der Wartburg im 2.Aufzug

Ein rundes Dutzend enorm wirkungsvoller Chorszenen gibt es in Richard Wagners Opernschaffen. Die größte Popularität genießt der Brautchor aus dem "Lohengrin". Für den unmittelbar vorangegangenen "Tannhäuser" gilt: Schon die Ouvertüre beginnt mit einem Thema, das später einem zweimal markant auftretenden Kollektiv zugeordnet ist: dem Pilgerchor. Mehr noch als er verdient hier der Einzug der Gäste mit gemischtem Chor hervorgehoben zu werden. Diese breit angelegte Szene auf der Wartburg hat etwas eigentümlich Pompöses. Solche monumentalen Tableaus prägen das im 19.Jahrhundert repräsentative Genre der Grand Opéra. Wagner hält damit dem Publikum einen Spiegel vor: Denn auch in einem Gesangstempel versammeln sich Damen und Herren, um einem Sängerwettstreit zu lauschen, der "holden Kunst". Konkreter könnten wir kaum aufgefordert werden, uns mit einer Bühnenhandlung auseinanderzusetzen, vielleicht punktuell mit den Akteuren zu identifizieren.

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Richard Wagner: Tannhäuser - Einzug der Gäste (Suitner)

CD-Tipp: Berühmte Opernchöre

"Fuoco di gioia!" Berühmte Chöre und Instrumentalstücke aus italienischen, deutschen und russischen Opern mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks und dem Münchner Rundfunkorchester unter Leitung seines Chefdirigenten Ivan Repušić auf CD bei BR-KLASSIK.

Giuseppe Verdi: Nabucco

"Va pensiero sull'ali dorate", Chor der gefangenen Hebräer

Für Giuseppe Verdi gilt Ähnliches wie für seinen sächsischen Rivalen: Es findet sich auch in seinen Opern eine zweistellige Zahl von Chören, die zur Gesamtwirkung des jeweiligen Stücks nicht unwesentlich beitragen. Der Gefangenenchor aus "Nabucco" ist der populäre Mega-Hit der Lehrzeit Verdis, die er selbst als seine "Galeerenjahre" betrachtet hat. Außerdem ist dieses Fis-Dur-Largo zur inoffiziellen Nationalhymne Italiens geworden, zum Lamento über die langjährige Fremdherrschaft der Heimat. Der Gesang der hebräischen Gefangenen an den Ufern des Euphrat beschwört das Bild eines sehnsuchtsvoll in die Ferne schweifenden Gedankens. Verdis Eingebung ist eine gleichsam davonschwebende Melodie. Da besinnt sich ein Komponist auf einen spezifischen Volkslied-Ton, denn aufgrund einer raffinierten Intervallfolge ist die Musik von einem Nimbus der Vertrautheit umgeben. "Sotto voce", mit gedämpfter Stimme, singt der Chor unisono. Dort, wo sich vorübergehend eine Fortissimo-Mehrstimmigkeit ergibt, überstrahlt den Klagegesang ein Hoffnungsschimmer. Glaubens- und Gruppenkonflikte bei despotischer Unterdrückung scheinen für Augenblicke von der Aura der Unlösbarkeit befreit.

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Nabucco: Va pensiero (Riccardo Muti)

Cavalleria rusticana / Pagliacci im Radio

Am 22. Mai 2025 überträgt BR-KLASSIK die Premiere "Cavalleria rusticana / Pagliacci" aus der Bayerischen Staatsoper live im Radio: ab 19:00 Uhr.

Giacomo Puccini: Madama Butterfly

Summ-Chor im 2. Akt

Suchen wir nach Opern, die eine ihrer Figuren mit tiefem seelischem Leid konfrontieren, fallen uns viele ein. Unter den schweren Schicksalen ist das der japanischen Geisha Cho-Cho-San, eine der bemitleidenswerten Frauenfiguren Giacomo Puccinis. Ein schnöseliger US-Amerikaner heiratet sie, macht sie zur Mutter und sich selbst schnell aus dem Staub. Nach mehreren Jahren erst kehrt er zurück, um mit neuer Frau sein Kind abzuholen! Selbst wer die Oper "Madama Butterfly" schon fünf- oder zehnmal gesehen hat, fühlt oder leidet jedes Mal mit der verlassenen Cho-Cho-San. Sehr bewusst baut Puccini einen vielsagend sprachlosen Chor ein, den "Coro a bocca chiusa". Die Leute summen, was an tränenerstickte Stimmen denken lässt. Der Verzicht auf Worte hat aber auch etwas Tröstliches: Auf manche wirkt dieser Gesang wie Balsam – kurz vor dem grausamen Ende der Oper (Harakiri!).

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Puccini - Madama Butterfly - Humming chorus

Pietro Mascagni: Cavalleria rusticana

"Ah! Gli aranci olezzano sui verdi margini", Chor der Landleute sowie "Regina coeli – Inneggiamo, il Signor non è morto", Osterchor (mit Santuzza)

Der Chor trägt die Schuld. Bei den Proben zur Uraufführung seiner Oper "Cavalleria rusticana" muss Pietro Mascagni feststellen, dass der Chor seinem Part nicht gewachsen ist. Dem singenden Kollektiv erspart also der Rotstift des Komponisten die unangenehmsten Passagen. Damit gehorcht Mascagni zugleich der allgemeinen Forderung seiner Wettbewerbsjury, die um Kürze bittet. Heute wissen wir: Auch mit den traditionell üblichen Strichen machen der Chor der Landleute und vor allem der kurz darauffolgende Osterchor großen Effekt. Beide tragen zur konkret sizilianischen bzw. dezidiert katholischen Atmosphäre dieser Eifersuchtsgeschichte bei. Schon bevor das Blut von Santuzza und Turiddu unheilvoll in Wallung gerät, werden wir von der Eigenart der Menschen gepackt, von denen hier erzählt wird. Immer mit dem Blick auf die raue Wirklichkeit des Lebens, denn Mascagni ist Verist. Also jemand, der sich schlicht an der Wahrheit orientiert.

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Cavalleria Rusticana - Easter Hymn (The Royal Opera)

Sendung: Live aus dem Münchner Nationaltheater: "Cavalleria rusticana" / "Pagliacci" am 22. Mai 2025 ab 19:00 Uhr auf BR-KLASSIK

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