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Kritik "Parsifal" in Frankfurt Ironisch inszeniert von Brigitte Fassbaender

Leere Rituale, überholte Anschauungen, bange Zukunftsaussichten: Wagners Gralsritter gelten als Beispiel einer versteinerten Ordensgemeinschaft, die ihr Heil aus den Augen verloren hat. Altmeisterin Brigitte Fassbaender und ihr Ausstatter Johannes Leiacker verlegten die Handlung folgerichtig in ein bedrohlich wachsendes Felsengebirge. Das war voller Ironie und wurde begeistert beklatscht.

Kammersängerin und Pädagogin Brigitte Fassbaender | Bildquelle: Rupert Larl

Bildquelle: Rupert Larl

Felsenfest im Glauben zu sein gilt unter Christen ja als Tugend. Die 85-jährige Opernregisseurin Brigitte Fassbaender sieht das etwas anders. Sie zeigte Richard Wagners "Parsifal" an der Oper Frankfurt als Versteinerung einer fundamentalistischen Glaubensgemeinschaft. Ihre Ritter werden buchstäblich zu Fossilien ihrer selbst. Felsenfest im Glauben, aber gerade durch diese Mineralisierung zum Untergang verurteilt: "Ich habe mich bemüht, die ganzen Mythen und Symbole ein bisschen zu unterwandern, so sehr religiös und heilig ist es hoffentlich nicht. Es gibt schon ironische Brechungen, und das ist ganz bewusst so gemacht."

"Parsifal": Ironische Inszenierung von Brigitte Fassbaender

Höchst eindrucksvoll und zurecht umjubelt, was Brigitte Fassbaender und ihr Ausstatter Johannes Leiacker aus dem rätselhaften Bühnenweihfestspiel machten. Rätselhaft deshalb, weil selbst Friedrich Nietzsche nicht so genau verstand, worum es eigentlich geht, und der war bekanntlich bis zum "Parsifal" ein großer Bewunderer von Richard Wagner. Um Religion dreht sich das Werk jedenfalls nicht, so Brigitte Fassbaender, allenfalls um Kunstreligion. Zwar geht es auch bei ihr um Erlösung, Wagners Lieblingsthema, aber wer eigentlich erlöst wird, bleibt fraglich. Die Ritter stoßen am Ende mit Sekt an und feiern ihren Fanatismus, ihre Welt ändert sich offenkundig nicht, dank Parsifal, der alles noch mal geraderückt.

Amfortas entscheidet sich für die Liebe

Wer erleichtert scheint und neu anfangen darf, ist Kundry, die verfluchte Frau, die einst über den Leidensweg von Jesus lachte. Und Amfortas, den müde gewordenen Hüter des Grals, nimmt sie gleich mit: Er ist seines Amtes offenbar überdrüssig und entscheidet sich für die Liebe. Johannes Leiacker entwarf dazu große Bilder, schwelgte in ironisch gemeinten Styroporfelsen und zitierte augenzwinkernd die berühmte Venusgrotte von Schloss Linderhof, wo Bayerns Märchenkönig Ludwig II. auf Realitätsflucht ging. Brigitte Fassbaender würzte das mit vielen Anspielungen: So tätschelt der sterbenskranke Amfortas seinen strammstehenden Ritternachwuchs wie Adolf Hitler sein letztes, jugendliches Aufgebot in der berüchtigten Wochenschau-Szene. 

Man hat nie genug Proben für so einen Schinken.
Brigitte Fassbaender über ihre 'Parsifal'-Inszenierung an der Oper Frankfurt

Reinheit, Pflichterfüllung, Opferbereitschaft

"Man hat nie genug Proben für so einen Schinken, bei Gott nicht", so die Regisseurin: "Ich finde, es ist ein grandioses Werk, das mich Tag und Nacht begleitet hat und mich vermutlich auch noch länger begleiten wird. Es ist sicherlich das Schwerste, was ich je machen musste und war eine Riesen-Herausforderung." Ein fesselnder und assoziationsreicher Bilderbogen über Wagners Gedankenwelt und deutsche Obsessionen, wie Reinheit, Pflichterfüllung, Opferbereitschaft ist Brigitte Fassbaender da gelungen.

Dirigent Thomas Guggeis gibt rasante Tempi vor

Dirigent Thomas Guggeis, mit 32 Jahren über fünfzig Jahre jünger als die Regisseurin, bewies einmal mehr, dass er zwar noch wenig Lebenserfahrung, aber dafür ungestüme Energie einbringen kann. Er ließ das Orchester so faszinierend flirren, als ob er mit dem Taktstock elektrische Funken erzeugte. Und weil auch das Tempo recht forsch war, gelang eine mitreißende, für ein derart meditatives Werk fast schon rasante Deutung.

Solisten begeistern

Unter den Solisten begeisterte der aus Jena stammende Bass Andreas Bauer Kanabas als Gurnemanz. Nimmermüde und scheinbar unangestrengt meisterte er die Riesenpartie fulminant und bemerkenswert wortverständlich. Auch Iain MacNeil als Klingsor konnte da mithalten. Jennifer Holloway als Kundry spielte großartig und war auch stimmlich anrührend, während US-Tenor Ian Koziara als Parsifal den mystischen Zauber etwas vermissen ließ. Insgesamt ein beachtlicher und sehr detailgenauer "Parsifal". Fossile Energie hat offenbar auch in der Geistesgeschichte viel Unheil angerichtet.

Sendung: "Allegro" am 19. Mai 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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