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Kritik - "Un ballo in maschera" in Augsburg Feuriger Witz und kalte Tragik

Der Politiker als Theaternarr: Das Augsburger Staatstheater besinnt sich in Verdis "Un ballo in maschera" auf dessen Kern als Königs-Drama. Ein kontrastreiches Regiekonzept, das aufgeht, auch dank eines durchweg vitalen, sängerisch brillanten Ensembles.

Un ballo in maschera in Augsburg | Bildquelle: Staatstheater Augsburg

Bildquelle: Staatstheater Augsburg

Der Gouverneur träumt. Von Liebe, vom Geliebtwerden, vom Ausbruch aus der Zucht des Politiker-Zeremoniells und von einem dramaturgisch wirksamen Ende. Jedenfalls in Roman Hovenbitzers Inszenierung von Giuseppe Verdis "Un ballo in maschera" tut er das. Denn am Augsburger Staatstheater ist Riccardo ein Theatermann, der seine Phantasien auf der Bühne ausleben möchte. Er macht mit seinen Untergebenen, was er will, verkleidet sich selbst als großer Vogel und fliegt unaufhaltsam auf den Untergang zu. Eine anspruchsvolle Idee, die anfangs für Stirnrunzeln sorgt, im Laufe des Abends aber immer mehr begeistert. Das liegt nicht nur am vital agierenden Ensemble und dem gut disponierten Orchester. Es liegt am Stück selbst.

Spiel mit der Opern-Entstehungsgeschichte

Denn die Entstehungsgeschichte von Verdis "Maskenball" ist notorisch verworren. Im Kern steht ein historisches Drama, das am Hofe des kunstnärrischen Schwedenkönigs Gustav III. spielt. Weil aber die süditalienischen Adeligen die Geschichte um einen ermordeten König nervös machte, strich die Zensur kräftig zusammen. Am Ende verlegten Verdi und sein Librettist den ganzen Plot nach Boston, ohne an den Figuren und der Handlung Grundsätzliches zu ändern. In diese Ungereimtheit stößt die Augsburger Inszenierung. Der Bostoner Gouverneur wird hier wieder zum absolutistischen Selbstdarsteller.

Die Rolle des Riccardo füllt der Brasilianer Max Jota mit engagiertem Schauspieleinsatz und angenehm timbrierter Stimme. Jotas Tenor glänzt metallisch in der Höhe, besitzt aber auch eine stabile Mittellage und genügend Flexibilität, um in den sprudelnden Hoch-Tempo-Nummern mit französischem Esprit brillieren zu können. So wächst er dem Publikum ans Herz, das den regelmäßig von der Bühne in den Zuschauerraum sprintenden und die Inszenierung lenkenden Riccardo anfangs eher skeptisch beobachtet hat. Das erste Bühnenbild (Bühne: Hermann Feuchter) mit seiner quasi Brecht’schen Kargheit, die Szenen andeutet und nicht ausmalt, hat die Skepsis auch nicht zerstreut. Erst später gewinnt das Visuelle an Gewicht, durch nicht essentielle, aber auch nicht störende Schwarz-Weiß-Videos und vor allem die kreative Entfaltung des Totenkopf-Motivs. Der finale Maskenball soll so zum Tanzspektakel großschädliger Skelette werden – ein schöner Kontrast zur spritzigen Musik, die Domonkos Héja durchweg pointiert dirigiert.

Überzeugende Figurenregie

Fleißiger Helfer des Gouverneurs ist sein Page Oscar. Die Hosenrolle wird hier aufgewertet, da Oscar sich als Neben-Regisseur betätigt und dem Generalmusikdirektor Héja mit "Bitte, Maestro" überhaupt erst gestattet, den Taktstock zu heben. Vokale Pirouetten drehend betört Olena Sloia mit ihrem Zwitscher-Sopran und einem Talent zum Komischen, das man in Verdi-Opern eher selten sieht. Schön etwa, wie der quecksilbrige Oscar zum Manager der angeklagten Wahrsagerin Ulrica wird, diese optisch herausputzt, verteidigt und letztlich in Kontakt mit seinem Chef Riccardo bringt. Darin liegt ein Vorzug der Konzeption: Sie malt das Stück in einem Chiaroscuro aus feurigem Witz und kalter Tragik, das nicht so oft getroffen wird.

Riccardo schlägt vor, sich in Verkleidung mit seinem Gefolge zur Wahrsagerin zu begeben und sich aus Jux die Zukunft vorhersagen zu lassen – seit jeher eine Szene, die nicht richtig zum Politiker aus Massachusetts passt, sehr gut aber zum überdrehten Verstellungsvirtuosen, als der Riccardo hier auftritt. Kate Allen als Ulrica ist eine Erscheinung, die von der ersten bis zur letzten mit dunklem Feuer geheizten Note fasziniert. Ihr gegenüber steht Sally du Randt, als Amelia geradezu ideal. Denn du Randt, erfahren im dramatischen Fach, besitzt neben dem Volumen und den mühelos angetippten Spitzen auch den lyrischen Ton, den sie in etwa in der tränentreibenden Arie "Morrò, ma prima in grazia" anschlagen kann. Einzig ihr Mann fällt etwas aus dem Rahmen. Shin Yeo wirkt in dem genau choreografierten Spiel der Akteure steif, singt brav, wird in der Höhe brüchig. Da hilft auch das umsichtige, disziplinierte Dirigat wenig.

Dass es schwerfällt, dem egomanischen Theaternarren Riccardo zu glauben, dass er seine Amelia wirklich von ganzem Herzen und über alles liebt, fällt kaum ins Gewicht. Am Ende bleibt ohnehin unklar, was genau Inszenierung, was gespielte Realität ist. Das kann man gut aushalten, nur vereinzelte Buh-Rufe treffen den Regisseur. Die Mehrheit des Publikums klatscht ausdauernd, zurecht. Mit Lust hat es den Maskentanz in den Untergang mitgetanzt.

Sendung: "Leporello" am 19. Mai ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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