Als Kind zeichnete er Comics und vertonte sie. Später wurde er zu einem der größten Symphoniker unserer Zeit. Per Nørgård komponierte Opern, Symphonien und Filmmusik – und blieb dabei stets ein Forscher des Klangs. Jetzt ist er mit 92 Jahren gestorben.
Bildquelle: picture alliance / dpa | Manu Theobald
Als Kind zeichnete Per Nørgård Comics – und vertonte sie. Das Klavierüben war ihm lästig, doch Improvisation und eigene kleine Stücke liebte er. Schon früh war klar: Hier wächst ein kreativer Geist heran, dem es nie um bloßes Wiederholen ging.
Während seines Kompositionsstudiums an der Musikhochschule in Kopenhagen fiel Nørgård mit Humor und Experimentierfreude auf. In seinem ersten Violinkonzert ließ er Töne minutenlang gleiten – das Publikum lachte Tränen. Doch diese frühen Spielereien waren bald vergessen. Schnell galt Nørgård als einer der bedeutendsten Komponisten Skandinaviens.
Nørgårds Werk ist beeindruckend vielfältig: Opern, Symphonien, Kammermusik, Filmmusik – und selbst Werke für musizierende Laien in dänischen Dörfern. Trotz seiner Bekanntheit blieb er bescheiden. Auf dem Cover eines Buchs über seine Musik sitzt er nackt auf einem Geländer, doch über sich selbst sprach er kaum.
Über mich und meine Werke kann nicht sehr gut sprechen. Es soll auch für mich immer überraschend sein.
Nørgårds Kompositionstechnik war stark von mathematischen Ideen geprägt. Besonders bekannt wurde seine sogenannte "Unendlichkeitsreihe" – ein System, das spektrale Harmonik, auf dem Goldenen Schnitt basierende Rhythmen und melodische Entwicklung miteinander verband. Er variierte, spiegelte, dehnte diese Struktur – nur eines tat er nie: sie wiederholen.
Es ist nicht so, dass ich mich willentlich wiederhole. Das wäre schrecklich. Ich glaube, sonst würde ich aufhören.
Ab den 1960er-Jahren orientierte sich Nørgård an der europäischen Avantgarde. Er war inspiriert von Begegnungen mit Musikerinnen und Musikern ebenso wie von bildender Kunst – etwa vom schizophrenen Künstler Adolf Wölfli. Eine Symphonie, eine Oper und Chorwerke wie "Wölfli, ein ausrangierter Unglückfall" entstanden durch diese künstlerische Auseinandersetzung.
Trotz seiner introvertierten Art war Nørgård ein weit gereister Mensch. Indonesien, Südasien – viele Eindrücke schlugen sich in seiner Musik nieder. Zugleich blieb er seiner Heimat verbunden: Für dänische Filme wie den Oscar-prämierten "Babettes Fest" schrieb er die Musik, für Laienchöre auf dem Land komponierte er ebenso engagiert wie für große Konzertsäle.
Per Nørgård starb in der Nacht zum Mittwoch im Alter von 92 Jahren in einem Seniorenheim in Kopenhagen. Das berichtet die FAZ unter Berufung auf sein privates Umfeld. 2015 erhielt Nørgård für sein Lebenswerk den Ernst von Siemens Musikpreis – eine der höchsten Auszeichnungen für Komponistinnen und Komponisten weltweit. Seine Musik bleibt: als Ausdruck einer Idee, die nie stehenblieb. Als Klang gewordene Unendlichkeit.
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