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Portrait der Dessoff Choirs Ein besonderer Chor

Die Dessoff Choirs sind einer der ältesten und führenden Chöre New Yorks – mit deutschen Wurzeln. Sie wurden vor knapp 100 Jahren von der österreichischen Einwanderin Margarete Dessoff gegründet und haben es sich bis heute zur Aufgabe gemacht, Musik aufzuführen, die in den USA eher ein Schattendasein führt. Mit ihrem neuen Album "Credo and Simon Bore the Cross" bringen sie nun Kantaten der schwarzen Komponistin Margaret Bonds auf den Markt – und auch sonst ist der Chor ein Vorbild in Sachen Diversität.

Dessoff Choirs mit Malcolm Merriweather | Bildquelle: Dessoff Choirs

Bildquelle: Dessoff Choirs

Margaret Bonds Kantaten seien Musik, die in den USA vielen, auch im 21. Jahrhundert, noch immer nicht geheuer ist, sagt der musikalische Direktor der New Yorker Dessoff Chöre, Malcolm Merriweather. Musik, die für schwarzen Radikalismus stünde. "Es ist die prägnante Idee, dass Schwarze Königinnen und Könige werden können, Ärzte und Juristinnen, dass sie all das in einer Gesellschaft repräsentieren können, was auch Weiße tun," erklärt er.

Alle Charaktere sind schwarz

Das, was die afroamerikanische Komponistin Margaret Bonds in ihre Musik legt, ist bis zur Bürgerrechtsbewegung keine verbreitete Idee. In Bonds Musik sind alle wichtigen Charaktere schwarz, von Simon von Cyrene, der das Kreuz Jesu trug, bis zum Heiligen König Balthasar. "In diesen Kantaten mit den Texten des Dichters Langston Hughes liegt Würde, der Stolz darauf, schwarze Haut zu haben. Und das war etwas, das in der Musik zu dem Zeitpunkt, als die Kantaten geschrieben wurden, nicht vorkam", so der Dirigent. Genau deshalb hat sein Chor diese Musik ausgewählt.

Viele schwarze Komponisten des zwanzigsten Jahrhunderts haben niemals die Blumen geerntet, die sie verdient haben.
Malcolm Merriweather, Leiter der Dessoff Choirs

Ein Chor, der sich seit seiner Gründung vor 100 Jahren meist für Werke entschied, die sich in den USA erst einmal behaupten mussten. Die Dessoff Chöre hätten einen speziellen Platz in seinem Herzen, sagt der schwarze Dirigent. Merriweather selbst singt als Bariton auf vielen Bühnen dieser Welt. Der Musikdozent der Manhattan School of Music ist auch Direktor des New York Philharmonic Chors. Doch die Dessoff Chöre, die hätten es ihm besonders angetan – auch wegen ihrer Geschichte. "Unsere Gründerin Margarete Dessoff zog aus Deutschland in die USA und brachte eine Leidenschaft für Community Music mit", erzählt er.

Margarete Dessoff vereinte Sänger aus allen Bereichen

Geboren wurde Margarete Dessoff 1874 in Wien. Doch als sie sechs Jahre alt war, wurde ihr Vater, Felix Otto Dessoff, als Dirigent an die Frankfurter Oper berufen. Sie selbst studierte später Gesang, leitete einen Frauenchor und für einige Jahre die Frankfurter Bach-Gemeinde. Eine Freundschaft brachte Dessoff nach New York. Dort war gerade die spätere, renommierte Juilliard School of Music gegründet worden. Die Hochschule engagierte Dessoff in den 1920er-Jahren als Chorleiterin. Die Einwanderin aus Deutschland zog einige Chöre auf und legte sie gemeinsam mit einer Musikschullehrerin zusammen. Bewusst führte sie Amateure und Profis zusammen, überzeugt davon, dass ein Chor Sänger aus allen Bereichen der Gesellschaft vereinen sollte.

Portrait der Komponistin Margaret Bonds | Bildquelle: Wikimedia Commons, Foto: Carl van Vechten In der heutigen Zeit steigt das Interesse an Komponist:innen wie Florence Price, William Grant Still – und Margaret Bonds. | Bildquelle: Wikimedia Commons, Foto: Carl van Vechten Bis heute ist das so. Merriweather dirigiert Lehrer und Ärztinnen, Studentinnen und Rentner, Juristinnen und Massage-Therapeuten. Er bewundert Chorleiterin Dessoff, die sich in ihrer Zeit in einer Männerdomäne durchgesetzt hat. "Sie führte eine Musik in den USA ein, die vorher so gut wie keiner aufgeführt hatte: die Musik von Palestrina, von Heinrich Schütz." Die Dessoff Chöre brachten Arnold Schönbergs "Friede auf Erden" ebenso nach New York wie Bach-Kantaten. Sie führten oft selten gespielte Stücke von großartigen Komponisten auf, sagt Merriweather. Häufig Künstler, die in ihrer Zeit nicht anerkannt wurden – wie Margaret Bonds. "Viele schwarze Komponisten des zwanzigsten Jahrhunderts haben während ihres Lebens niemals die Blumen geerntet, die sie verdient haben. Jetzt, wo es um Diversität, Gleichheit, Inklusion geht, sehen wir ein gesteigertes Interesse an Komponistinnen wie Florence Price, William Grant Still und Margaret Bonds."

Bachs Johannespassion, aber anders

Bis zu fünf Konzerte pro Jahr geben die Dessoff Chöre. Im Mai führen sie Bachs Johannespassion auf und Merriweather verspricht: Es wird eine andere Johannespassion. Gesungen auf Englisch und ausschließlich von afroamerikanischen und hispanischen Solisten. "Wir wollen unserem Publikum und der Welt zeigen: Die Musik von Bach ist für alle da." Genau wie die Musik der Komponistin Margaret Bonds.

Sendung: "Allegro" am 20. März 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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