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Kantate Ein Bestseller des Barock

Ob über Gott reflektiert, einem Herrscher gehuldigt oder vom "süßen Coffee" geschwärmt wird – Kantaten bieten mal kontemplative, mal unterhaltsame Momente.

Erstdruck von Bachs Kantate «Eine feste Burg ist unser Gott» aus dem Jahr 1821 | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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"Eine Kantate ist ein lyrisches Gedicht, welches in verschiedene abwechselnde Sätze eingekleidet mit Instrumentalbegleitung gesungen wird. Die abwechselnden Sätze, woraus das Ganze besteht, sind, die Arie mit ihren Abarten, und das Recitativ, nebst dem Arioso, zwischen welche in den größern Gattungen dieses Kunstproduktes auch oft Chöre eingestreuet werden", so definiert Heinrich Christoph Koch 1802 in seinem Musikalischen Lexikon - und beschreibt damit die uns heute geläufigste Form der Kantate, nämlich die Kirchenkantate des 18. Jahrhunderts.

Diese Definition träfe freilich auch auf Opern und Oratorien zu, doch da geht es um Handlungen - in der Kantate dagegen meist um Gefühle und Gedanken über Gott und Religion, Moral oder andere Abstrakta.

WELTLICHER BEGINN…

Die Ursprünge der Kantate liegen in Italien: Hier entwickelte sie sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus der Monodie, als meist weltliche Komposition für eine oder mehrere Singstimmen und Basso Continuo. Diese frühe Kantate war strophisch, mit gleichbleibendem Bass, aber in jeder Strophe anderer Melodie in der Singstimme, die nahe am Text entlang kunstvoll und oft virtuos komponiert war. Mit der Zeit kamen rezitativische Abschnitte dazu, und in der neapolitanischen Schule um Alessandro Scarlatti war die Kantate nach 1700 eine beliebte Standardgattung mit zwei bis drei Arien und Rezitativen, wie eine Art Minioper. Und die Rezitative gaben der Sache die rechte Würze, wie der Dirigent Hermann Max betont:

"In den Kantaten ist der eigentlich interessantere Ort das Rezitativ. Da geht die Handlung weiter, da wird erzählt, gehandelt. Die Arien sind ja nur Reflexionen über das, was da vorher passiert ist."

… GEISTLICHER HÖHEPUNKT

Die uns heute präsenteste Form der Kantate ist sicher die deutsche Kirchenkantate, die im 17. Jahrhundert bei Komponisten, wie etwa Michael Praetorius oder Dieterich Buxtehude immer beliebter wurde. Einfach Jeder schrieb bald geistliche Kantaten - in denen der Chor jetzt auch eine wichtige Rolle einnahm, während Rezitative selten vorkamen. Das änderte sich um 1700, auch, weil der Weißenfelser Pfarrer Erdmann Neumeister damals ein ganzes Buch mit Kantaten-Libretti für den Gottesdienst herausgab, die klar in ariose und rezitativische Teile gegliedert waren. Vertont wurden sie unter anderem von Georg Philipp Telemann und Johann Sebastian Bach - und für sie waren Rezitative nun obligatorisch. Telemann schrieb insgesamt 1750 Kirchenkantaten, Bach etwas über 200, jeweils speziell für die Gottesdienste zu bestimmten Tagen. Da stand die Musik ganz im Dienste des Wortes. Der Dirigent Philippe Herreweghe präzisiert:

"Bach ist kein Entertainment, und darum muss man den Text verstehen. Wenn man in einer Bachkantate nicht weiß, worum es eigentlich geht, dann geht das nicht. Dann ist die Gefahr, dass Musiker mehr und mehr Effekt machen; schneller, spezieller spielen. Und das ist Kitsch."

JAUCHZET! FROHLOCKET!

Auch im 19. und 20. Jahrhundert wurden noch Kantaten geschrieben, etwa von Mendelssohn oder Schönberg, meist für Soli, Chor und großes Orchester. Aber nun war die Kantate nur noch ein Nebenschauplatz kompositorischen Schaffens - nicht mehr der Bestseller, wie im Barock. Und welche sind heute die beliebtesten Kantaten? Sicherlich die von Bach - die im Sechserpack Weihnachtsoratorium genannt werden.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 25. Dezember 2011, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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