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Dirigent Oscar Jockel im Interview Komponieren auf 1100 Metern

Zwischen Berlin, Paris und einem winzigen Bergdorf in der Steiermark: Der 28-jährige Komponist und Dirigent Oscar Jockel ist viel unterwegs. Unter anderem als Assistent von Kirill Petrenko bei den Berliner Philharmonikern. Ruhe findet er nur beim Komponieren, sagt er. Gerade hat er den Herbert von Karajan-Preis bekommen. Wir haben die Gelegenheit genutzt und mit ihm gesprochen.

Der Dirigent Oscar Jockel schaut nach oben. | Bildquelle: Lucas Jockel

Bildquelle: Lucas Jockel

BR-KLASSIK: Die Liste ist lang: Sie haben Simon Rattle beim BRSO assistiert, sind bei den Salzburger Festspielen aufgetreten, haben dort den Karajan-Preis bekommen. Außerdem sind Sie Assistent von Kirill Petrenko bei den Berliner Philharmonikern, genauso auch Assistent in der Pariser Philharmonie. Sie sind also schwer gefragt. Ist das nicht auch irgendwie gefährlich? Besteht nicht auch das Risiko, sich zu verheizen?

Oscar Jockel: Absolut. Und da bin ich auch sehr vorsichtig. Letzte Woche war ich zum Beispiel in der Steiermark, um dort an meinem Streichquartett zu schreiben. Und dann kam die Anfrage, ob ich bei den Wiener Symphonikern einspringen könnte, es ging um vier Konzerte. Und ich sag das dann ab, weil ich komponiere. Ich bin da tatsächlich gar nicht so flexibel, weil ich ja beides mache: Komponieren und Dirigieren. Und das eine ist der Ausgleich zum anderen.

Oscar Jockel: Zuhause am Berg

BR-KLASSIK: Das Komponieren gibt Ihnen also die Erdung, das Selbstvertrauen, anderes abzusagen?

Oscar Jockel | Bildquelle: Tom Schweers Komponist und Dirigent Oscar Jockel | Bildquelle: Tom Schweers Oscar Jockel: Nee, gar nicht so sehr. Ich werde einfach verrückt, wenn ich das nicht machen kann - wenn ich also nicht diesen Rückzugsort habe. Ich mache das einfach für meine mentale Gesundheit. Ich verbringe Wochen in diesen wunderlichen Erregungszuständen alleine in der Steiermark und danach bin ich wieder unterwegs.

BR-KLASSIK: Sie erwähnen die Steiermark - ich habe gelesen, Sie sind dann dort in einem winzigen Dorf mit fünf Häusern. Wie sind Sie dort gelandet? Und was sehen Sie, wenn Sie beim Komponieren aus dem Fenster schauen?

Oscar Jockel: Ich sehe auf Berge, über 2.000 Meter hoch und momentan noch schneebedeckt. Ansonsten nur Kühe und Wald. Ich lebe dort in einem alten Pfarrhaus neben der Kirche aus dem 13. Jahrhundert auf etwa 1.100 Metern. Da ist einfach nur Natur.

Ich versuche, Musik zu schreiben, die es notwendig macht, dass sie live gehört wird.
Oscar Jockel

BR-KLASSIK: Und wie haben Sie das Haus entdeckt? Und wie sind Sie aufgenommen worden von den Menschen dort?

Oscar Jockel: Entdeckt hab' ich das zufällig auf einem Onlineportal. Und das war eigentlich seit Jahren mein Traum. 30 Jahre lang haben die versucht, das Pfarrhaus zu verkaufen und dann kam ich, hab fleißig den Putz von den Wänden gekratzt und alles neu eingerichtet. Und die Gegend ist einfach wunderschön. Die Leute sind sehr nett und unterstützend.

Komponieren im Raum

BR-KLASSIK: Kommen wir zu Ihren Kompositionen, da geht es ja auch ab und an um das Experimentieren mit dem Raum. Sie haben ein Stück geschrieben, dort waren die Musikerinnen und Musiker in der Philharmonie in Berlin verteilt und sind dann nach und nach immer näher zusammenkommen. Ich weiß auch, dass es ein Wunsch vieler Menschen ist, mittendrin zu sein in der Musik. Ist das die Zukunft? Oder hat das Experimentieren auch seine Grenzen?

Oscar Jockel: Ich versuche, Musik zu schreiben, die es notwendig macht, dass sie live gehört wird. Also, in dem Moment, wo man eine Raumkomposition hat, hat jeder im Publikum einen ganz individuellen Höreindruck. Das interessiert mich. Und was das für Grenzen hat, das ist immer von den Räumlichkeiten abhängig. Aber sowas hat einfach eine Sinnhaftigkeit, weil man wirklich mit dem Publikum verbunden ist. Ich glaube, Musik hat verschiedene Funktionen, und insofern bin ich auf der einen Seite immer wahnsinnig offen für neue Konzertformate. Und auf der anderen Seite denke ich aber auch, dass traditionelle Konzertformate durchaus ihre Berechtigung haben.

Sendung: "Allegro" am 24. Mai ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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