Schostakowitschs Symphonie Nr. 5 entstand in einer Zeit massiver politischer Repressionen in der Sowjetunion. Auch Künstler fielen dem Terror-System zum Opfer, wurden in Lager verschleppt und auch ermordet. 1936 war Dmitri Schostakowitsch in Ungnade gefallen, nachdem Stalin seine Oper "Lady Macbeth von Mzensk" gesehen hatte. Es stand für ihn zu befürchten, dass auch er deportiert wird. In dieser Situation entstand seine 5. Symphonie zwischen Todesangst, ins Groteske gewendetem Protest und einer nach außen hin simulierten Anpassung an die Ästhetik der Sowjetdiktatur.
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Mit seiner 5. Symphonie erhob Dmitrij Schostakowitsch versteckt Anklage gegen das unmenschliche Terror-System Stalins. Deutlich wird das vor allem in der Aufnahme von Evgeni Mravinsky mit den Leningrader Philharmonikern, der auch die Uraufführung dieser Symphonie am 21. November 1937 in Leningrad dirigiert hat und ein enger Freund von Schostakowitsch war. Die Drastik der Marschthemen bei Mravinsky und das Gewaltpotential darin lassen kaum Zweifel darüber aufkommen, dass das als Kritik an dem Terror-System des Stalinismus gemeint ist. Glücklicherweise hat die Staatsführung der UdSSR das damals nicht erkannt und die Märsche als Affirmation gewertet.
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Shostakovich - Symphony No.5 (Mravinsky, 1966)
Erstaunlicherweise verlegt sich Valery Gergiev mit dem Kirov-Orchester, dem späteren Mariinsky-Orchester, auf eine eher verharmlosende Sichtweise auf dieses Werk. Bedrohlich klingt hier selten etwas, die Bläser klingen eher fröhlich, der Marsch des zweiten Satzes hat nichts Verstörendes, sondern wirkt eher wie ein lustiger Spielmannszug.
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SHOSTAKOVICH Symphony No 5 in D minor op 47 Dir Valery Gergiev Orq Mariinsky theatre
Leonard Bernstein lässt in seiner Aufnahme der Symphonie von 1959 mit den New Yorker Philharmonikern keinen Zweifel an der Stoßrichtung dieser Musik. Hier gibt es nichts zu jubeln und wenn es Jubelgesten gibt, weist er ihnen eindeutig groteske, ja karikaturistische Züge zu. Am Rande der Unspielbarkeit heizt Bernstein durch den vierten Satz und fordert die Musiker seiner New Yorker Philharmoniker zu Höchstleistungen heraus. Das Ergebnis ist eine geradezu aberwitzige Musik-Karikatur im Sinne Schostakowitschs.
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Shostakovich: Symphony No. 5 (Bernstein NYPO 1959)
Afkham macht das Bedrohliche in dieser Musik deutlich und liefert eine insgesamt ansprechende Interpretation. Die positiv-utopischen Elemente geraten bei ihm etwas zu schön, um wahr zu sein. Hier fehlt ein wenig die Distanz zum Schönklang. Das Scherzo klingt eine Spur zu freundlich, mehr nach Gustav-Mahler als nach Schostakowitsch.
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Schostakowitsch: 5. Sinfonie ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ David Afkham
Bychkov lotet die Tiefe und die Abgründe dieser Musik intensiv aus. Man spürt die existenzielle Dringlichkeit der Musik jenseits aller orchestralen Brillanz. Aber auch das Schroffe, Brutale der Marschrhythmen kommt zur Geltung. Eine sehr überzeugende Interpretation.
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Schostakowitsch - Sinfonie Nr. 5 | Semyon Bychkov | WDR Sinfonieorchester
Sendung: "Interpretationen im Vergleich" am 24. Juni 2025 ab 20:03 Uhr auf BR-KLASSIK
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