BR-KLASSIK

Inhalt

Kritik – Eugen Engels "Grete Minde" in Magdeburg Uraufführung nach 90 Jahren

Eine Uraufführung nach fast 90 Jahren: Eugen Engels "Grete Minde" ist die einzige Oper des jüdischen Kaufmanns und Musikliebhabers Engel, an der dieser bis 1933 zwanzig Jahre lang arbeitete. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten war es aussichtslos, das Stück in Deutschland auf die Bühne zu bringen. Engel wurde 1943 von den Nazis ermordet, seine Tochter konnte die Partitur jedoch in die USA retten. Im Rahmen der Aktion "Stolpersteine" wurde man wieder auf Engel aufmerksam und konnte das Theater Magdeburg für die Inszenierung seines Hauptwerks gewinnen. Ein Glück!

"Grete Minde" von Eugen Engel am Theater Mageburg – Szenenfoto | Bildquelle: Andreas Lander

Bildquelle: Andreas Lander

Die Handlung der Oper "Grete Minde" orientiert sich an Theodor Fontanes gleichnamigem Roman. Sie ist im 17. Jahrhundert angesiedelt und behandelt den Brand der Stadt Tangermünde.

Bruno Walter sah in der Oper "nichts eigentlich Schöpferisches"

Soweit die Geschichte – doch in diesem Fall denkt man die Entstehungsgeschichte automatisch mit. Auch wenn die Inszenierung von Olivia Fuchs sowie Bühne und Kostüme von Nicola Turner nur dezent Bezüge zur Shoa herstellen. Und es bleibt die Frage: Wäre die Partitur unabhängig von den bitteren Umständen ihrer Entstehung ins Repertoire der Musiktheater gelangt?

Der Dirigent Bruno Walter, der sich in der holländischen Emigration, wie er schreibt, "gründlich" mit "Grete Minde" beschäftigte, anerkennt in einem Brief an Engel zwar dessen hohes fachmännisches Können, aber sieht "nichts eigentlich Schöpferisches", "keine Originalität", "keine Erfindung persönlicher Prägung".

Die Oper "Grete Minde": Traditionsschwanger und mitreissend

"Grete Minde" von Eugen Engel am Theater Mageburg – Szenenfoto | Bildquelle: Andreas Lander Ensemble des Theaters Magdeburg in "Grete Minde" | Bildquelle: Andreas Lander 2022, 90 Jahre später verblasst der Vorwurf der mangelnden Originalität und des Fehlens einer persönlichen Handschrift. Mag jedoch sein, dass, wie Bruno Walter nahelegt, die spätromantische Partitur in den 1930er Jahren aus der Zeit gefallen schien. "Grete Minde" zeigt eine große Verehrung deutscher Musiktradition. Wendungen aus dem Werk Richard Wagners werden in der Partitur ohne Scheu zitiert, viele Volksszenen erinnern an die "Meistersinger", und wie bei Engelbert Humperdinck baut Engel in seine Musik Volkslieder ein. Vor allem aber ist "Grete Minde" ein musikdramatisch äußerst effektvolles, klug konstruiertes, ja, mitreißendes Werk, das sich sehr nahe, oft wortwörtlich an die Dialoge Theodor Fontanes hält.

Trotz Corona: Dichtes Gedränge auf der Bühne

"Grete Minde" bietet prekäre Familiensituationen, heimliche Liebesszenen, Glaubenskämpfe und im Finale einen großen Brand mit der Apotheose der rächenden Titelheldin. Das Libretto schrieb übrigens Hans Bodenstedt, der später bei den Nationalsozialisten Karriere machen sollte.

"Gerte Minde" ist also große Oper mit großem Ensemble, großem Orchester zusätzlich Orgel und Glockengeläut, Chor und Kinderchor, der bei der Uraufführung Corona-bedingt durch einen Frauenchor ersetzt wurde. Die Magdeburger Bühne ist in Olivia Fuchs Inszenierung trotz Corona oft gedrängt voll. Dazwischen beeindrucken besonders drei Puppenspieler mit ihren Balladen und satirischen Wendungen.

Vo allem die musikalische Umsetzung überzeugt

Benjamin Lee als Hanswurst | Bildquelle: Andreas Lander "Grete Minde" in Mageburg: Benjamin Lee als Hanswurst | Bildquelle: Andreas Lander Die Uraufführung der Oper ist ein durchschlagender Erfolg. Was nicht zuletzt der Generalmusikdirektorin Anna Skryleva zu verdanken ist. Für die sehr aufwendige Rekonstruktion der Partitur wurde keine Mühe gescheut. Der Schlussapplaus gilt vor allem dem Orchester, aber auch den zwölf Sängerinnen und Sängern, die das familiäre und städtische Umfeld Gretes darstellen. Trud, der verhärmten Schwägerin Gretes (Kristi Anna Isene) widmet Eugen Engel eine warmherzige Arie. Der Tenor Zoltán Nyári meistert als Gretes Freund Valtin eine expressive Sterbeszene. Vor allem jedoch überzeugt Raffaela Lintls ausdrucksstarke Darstellung der Titelrolle – jugendlich weich, aber auch dramatisch ausdrucksvoll als Rächerin.

Mehr dazu

Weitere Infos und Termine auf der Website des Theaters Magdeburg

Sendung: "Leporello" am 14. Februar 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

    AV-Player