Frank-Peter Zimmermann gilt als ein Geiger, dem Starrummel eher fremd ist. Anders als die meisten seiner Kollegen und Kolleginnen, besitzt er keine eigene Homepage. Im BR-KLASSIK-Interview verrät der Musiker, was er von der jungen Publikumsgeneration hält, und ob er jetzt mit Ende 50 vielleicht schon ans Aufhören denkt.
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BR-KLASSIK: Frank-Peter Zimmermann, warum haben Sie keine Homepage?
Frank-Peter Zimmermann: Schon vor 20, 25 Jahren haben mir die Plattenfirma oder irgendwelche Manager gesagt, dass ich das doch machen soll. Aber ich vertraue irgendwie doch lieber auf die Qualitäten, die ich auf der Bühne habe – und dass es die Fans herausbekommen, wo ich spiele. Und mich grundsätzlich über mein Privatleben zu äußern oder mich im Flugzeug fotografieren zu lassen, was ich da gerade esse oder Ähnliches: Dazu habe ich keine Zeit und auch keinen Sinn.
BR-KLASSIK: Sie sind jetzt seit über 40 Jahren im Geschäft. Hat sich der Klassikbetrieb in dieser Zeit stark verändert?
Frank-Peter Zimmermann: Ja, gewaltig. Ich habe das Gefühl, dass die Generation, die schon in der Schule keinen Kontakt mehr zur klassischen Musik hatte, jetzt als Publikum wegbricht. Sicherlich spielt auch Corona-Zeit dabei eine Rolle, dass jetzt viele Leute einfach nicht mehr so leicht den Weg in den Konzertsaal finden. Aber ich finde allgemein auch, dass das Wissen des breiten Publikums über die klassische Musik ist eigentlich doch sehr zurückgegangen ist. Und deshalb zählen wahrscheinlich wirklich immer mehr die Dinge, die drumherum stattfinden: mit welchem tollen Kleid man auftritt, ob man halbnackt musiziert oder was man sonst für eine Show auf der Bühne macht.
Die eigentliche Entwicklung eines Künstlers findet immer im eigenen Haus, im eigenen Überaum statt .
BR-KLASSIK: Wenn ich aktuelle Interviews mit Ihnen lese, habe ich manchmal das Gefühl, dass es manchmal ein bisschen nach Abschied klingt. Ist da etwas dran? Stehen sie immer noch gern auf der Bühne?
Frank-Peter Zimmermann | Bildquelle: © Irène Zandel Frank-Peter Zimmermann: Es ist anders. Man empfindet natürlich auch mit Ende 50 anders als mit, sagen wir mal, 35 oder 40. Da hat man ja auch noch wahnsinnige Ziele. Und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich durch die Corona-Zeit, die mich nach 35 Jahren endlich mal aus dem Hamsterrad rausgebracht hat, zum ersten Mal in meinem Leben in der Lage war, zu denken: Okay, jetzt bin ich eigentlich zeitlich in der Lage, mir die Solosonaten und Partiten von Bach einmal wirklich von Grund auf anzuschauen. Das hat mir wirklich zu denken gegeben. Und das ist eben die Gefahr als Solist: Wenn man irgendwann so bekannt ist, dass man da in einen Sog gerät und dann vollkommen sein eigenes Fundament und den eigenen Halt verliert. Denn die eigentliche Entwicklung eines Künstlers findet immer im eigenen Haus, im eigenen Überaum statt – und nicht dadurch, dass man 100 Mal im Konzertsaal irgendwelche Stücke spielt. Das ist mir während dieser Lockdowns die letzten Jahre erst richtig bewusst geworden. Und ich muss ganz ehrlich sagen, das hat mir mehr gebracht als die letzten Jahrzehnte mit den ganzen Konzerten. Das war Wahnsinn!
BR-KLASSIK: Sie haben in einem Interview mal gesagt, sie hätten Berührungsängste vor Bach. Jetzt spielen Sie drei Konzerte von Bach und haben auch schon Sonaten und Partiten von ihm eingespielt. Heißt das, Sie haben die Berührungsangst überwunden?
Frank-Peter Zimmermann: Bach ist nach wie vor für mich wirklich der komplexeste Komponist, der einen vor die größten Herausforderungen stellt. Ich war immer ein Mozartspieler. Mozart ist ja, sagen wir mal, so ein bisschen wie italienische Küche. Es ist so was von natürlich, und man muss einfach darauf losgehen und die Sache anpacken. Bei Bach ist es anders: Man muss seine Musik eigentlich sein ganzes Leben lang rumdrehen, und dann wieder andersrum, und dann wieder umfalten, und so weiter. Man muss das alles irgendwie sich zurechtlegen.
Man will mit 65 Jahren nicht unbedingt wieder Prokofjew spielen.
BR-KLASSIK: Die Geschichte mit Ihnen und Bach, oder mit der alten Musik ganz allgemein – geht die weiter? Für einen Geiger gibt es ja auf diesem Gebiet noch einiges zu tun. Also Pisendel, Vivaldi, Biber?
Frank-Peter Zimmermann: Ja, da wird in Zukunft bestimmt noch einiges geschehen. Ich glaube, das hat schon mit der Reife und mit dem Alter zu tun. Man will irgendwie mit 65 Jahren nicht unbedingt wieder Prokofjew spielen. Gerade die Barockmusik, damit werde ich mich jetzt immer mehr beschäftigen. Das ist wirklich ein weites Feld und eine große Herausforderung.
Sendung: "Leporello" am 22. Februar 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (6)
Mittwoch, 01.März, 20:38 Uhr
Maria
BILDUNG
In einem Land, in dem die Bildung derart AUSFÄLLT, braucht man nichts anderes zu erwarten ... Als erstes wird IMMER der Musikunterricht gekürzt, dann wird der Deutschunterricht auf die sogenannte "leichte Sprache" (ohne "schwierige Klassiker") heruntergefahren, Mathematik ist quasi abgeschafft ... usw. Wenn dann noch Noten (wie in England) abgeschafft werden sollen, ist das Ende einer "gebildeten" Gesellschaft erreicht (siehe dort)! Aber vielleicht ist das so gewollt ...
Lediglich Sportgymnasien und Fußball werden gefördert ohne Ende ...
Ein "ungebildetes" Volk lässt sich leichter manipulieren.
Woher sollen da noch Wissen, Respekt und Umgangsformen - notwendige Voraussetzungen für Demokratie - kommen?
Zum Glück haben wir noch renommierte Künstler, die auch immer wieder gebucht werden!! Den Nachwuchs braucht man auch in der Klassik-/Musikindustrie nicht wirklich -eine Chance bekommt er sowieso sehr selten.Die "internationale" Konkurrenz ist doch wesentlich besser ausgebildet!
Dienstag, 28.Februar, 02:05 Uhr
Klaus Reinhart
Bildung Junge Generation Klassik
Ich war bei einer Aufführung von: Schönberg - Klavierkonzert und Strawinsky - Rite Of Spring / Le Sacre Du Printemps positiv überrascht von den vielen jungen, sehr interessiert und informiert wirkenden Konzertbesuchern. Ich hoffe es gelingt den Konzertveranstaltern und den beteiligten Medien das gewandelte Interesse in ihre Konzepte einfließen zu lassen. Es wird sicher nicht leicht die Millennials zu gewinnen. Danke für die Denkanstöße.
Montag, 27.Februar, 16:55 Uhr
Beatrice Vollbert
Zimmermann hat Recht!
Herr Zimmermann, trifft den Nagel auf den Kopf: Bildung, besonders klassische hat in unserer Gesellschaft keinen Stellenwert mehr. Wenn man die Apps am Handy bedienen kann, reicht das heutzutage aus. Die junge Generation kennt weder Gedichte, bedeutende bildende Kunstwerke, keine klassische Musik und selbst mit der Rechtschreibung und gehobenen Konversation hapert es! Eine sehr traurige Entwicklung!
Sonntag, 26.Februar, 12:01 Uhr
Gufo
Klassik
Nicht nur das Wissen über klassische Musik, das Wissen über Klassik insgesamt ist zurückgegangen.Wer von den jungen Leuten kann heute noch ein Gedicht von Heine, Rilke ,Hebbel oder Schiller zitieren ?Nicht nur die Schulen, sondern auch die Medien sind an dieser Misere schuld. Wann hat ARD oder ZDF zum letzten Mal die Aufführung eines Dramas von Schiller gesendet oder ein klassisches Konzert? Stattdessen vergeht kaum ein Tag, an dem nicht zumindest e i n Krimi über den Bildschirm flackert. In diesem Land ist das geistige Niveau insgesamt gesunken. Wieso sollte die Klassik davon ausgenommen sein ?
Sonntag, 26.Februar, 09:01 Uhr
Soon-ja Park-Lambart
Über klassikwissen
Herr Zimmermann spricht teil aus meiner Seele,weil ich mich in der B. Philharmonie während Konzertes (manchmal ) ärgere. Kleidung,schmusen,trinken,flüstern.
Samstag, 25.Februar, 08:37 Uhr
Trappe
Rarität eine Weltmusikers
Beispielgebend für einen gigantischen Geiger und vor allem Musiker, wo das Adjektiv „gigantisch“ endlich auch gerechtfertigt ist. Diejenigen, die das qualitativ nicht erreichen können, haben es eben nötig, alles über soziale Medien kund zu tun; angeblich, um dem Publikum einen Zugang zu ermöglichen. Zimmermanns Natürlichkeit und Ehrlichkeit, wie sich Kollegen in Szene setzen, ist bewundernswert. Hilary Hahn hätte es eigentlich auch nicht nötig. Zumeist machen medial viele dies, die eben qualitativ am Topmarkt sonst keine Beachtung finden. Es gibt sogar einen in Spanien lebenden deutlich qualitativ schlechteren Cellisten, der immer nur Interviews gibt, um SEINE „Bedeutung“ herausstellen zu wollen, aber eigentlich ein Phrasendrescher ist (Fehler zeigend, um gleich zu betonen, dass doch Mischa Maisky im Publikum saß! Peinlich).
Zimmermann hat dies karrieretechnisch nicht nötig und lässt die Musik wirklich für sich sprechen. Ein Gigant und in einer Linie Oistrachs zu nennen.