Der Cellist Gautier Capuçon ist diesen Mittwoch zu Gast in der Münchner Isarphilharmonie – gemeinsam mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Lahav Shani. Auf dem Programm steht das Cellokonzert von Robert Schumann. Im BR-KLASSIK-Interview verrät Capuçon, wie Schumanns Charakter sich in seiner Musik widerspiegelt, und wir erfahren, was der Franzose Capuçon von Verkleidung hält.
Bildquelle: Fabien Monthubert Erato
BR-KLASSIK: Was sind drei Wörter, die Ihnen in den Sinn kommen, wenn Sie an Schumanns Cellokonzert denken?
Gautier Capuçon: Das ist sehr schwer in drei Wörter zu packen. Ich würde sagen: intim, romantisch – und dann würde ich zwei Wörter zusammenschmelzen, weil es auch genau dem Charakter Schumanns entspricht: Leidenschaft und Besorgnis. Zwei Seiten von ihm, die sich auch beide gegenseitig befruchten.
Die Balance in den Farben und im Dialog mit dem Orchester zu finden, ist die große Herausforderung für uns Solisten.
BR-KLASSIK: Sie sprechen den Charakter Schumanns an: Wieviel von seiner Biografie steckt wirklich in dem Werk?
Gautier Capuçon: Ich glaube, Schumanns Cellokonzert ist ein Paradebeispiel von Schumann'scher Musik. Und eben deswegen so herausfordernd für uns Cellisten. Technisch sehr delikat, wobei das nicht die größte Herausforderung ist. Die liegt eher darin, die unterschiedlichen Charaktere zu treffen, das schnelle Umstellen zwischen den Stimmungen, die Brüche. Und es gibt so viele kammermusikalische, intime Momente, nicht nur in dem wunderbaren langsamen Satz und dem traumhaften Duett mit dem Cello aus dem Orchester. Das Finale ist dann wieder virtuoser, aber eben auch in dem zerrissenen Schumann-Sinn. Da die Balance in den Farben und im Dialog mit dem Orchester zu finden, ist die große Herausforderung für uns Solisten.
BR-KLASSIK: Wie weit im Voraus fängt dieses "Finden" bei Ihnen an? Was passiert in dem Moment des Orchestervorspiels?
Gautier Capuçon: Wenn wir Musiker auf die Bühne gehen, sind wir einerseits Diener des Stücks und müssen so nah wie möglich an den Noten dran sein. Aber andererseits sind wir auch Schauspieler. Wir müssen uns in etwas hineinversetzen: etwa die Epoche, das Genre, die emotionale Bandbreite. Wenn ich auf die Bühne gehe und das Schostakowitsch-Konzert vor mir habe, dann gehe ich schon mit dieser Grundstimmung raus, als würde ich innerlich beben, bereit für eine Eroberung oder so ähnlich. Wenn ich Schumann vor mir habe, spüre ich eine Fieberhaftigkeit, ein Hin-und-Hergerissen-Sein, das sich auf den Körper überträgt. Man versucht so tief wie möglich, da vorab einzutauchen.
CD-Cover: Gautier Capuçon spielt Schumann | Bildquelle: Erato
BR-KLASSIK: Sie haben das Schumann-Konzert auch schon auf CD eingespielt. Auf dem Cover sind Sie im Kostüm der Schumann-Zeit zu sehen, inmitten eines grünen Parks, traumverloren. Sind Sie denn privat auch ein Kostümfan?
Gautier Capuçon: In dem Fall wollte ich auch ein wenig experimentieren, sich in die Zeit zurücktreiben lassen. Ich weiß nicht, ob ich auch sonst in solchen Kleidern spielen würde … Aber warum eigentlich nicht? (lacht) Wir haben die Aufnahmen im Park von Versailles gemacht, und das habe ich schon sehr genossen. Auf jeden Fall eine schöne Erinnerung. Ich mag Kostüme und Verkleidung eigentlich schon gerne. Ich mache es nur zu selten, ich habe einfach keine Zeit dazu. Außerdem besitze ich auch keine Kostüme. Aber klar, wenn es sich ergibt, warum nicht!
Sendung: "Allegro" am 27. November 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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