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Goyo Montero im Interview Die Angst überwinden

"Hier in Nürnberg ist alles wunderbar", sagt Ballettdirektor Goyo Montero. Trotzdem verlässt er die Stadt bald. Warum er sich für diesen Schritt entschieden hat und die Kompanie dort gerade für sich selbst choroegrafiert.

Der Nürnberger Ballettdirektor Goyo Montero | Bildquelle: Alice Blangero

Bildquelle: Alice Blangero

BR-KLASSIK: Goyo Montero, heute sprechen viele mit Spaniern gern über Fußball. Haben Sie das Spiel gesehen?

Goyo Montero: Ich habe es nicht gesehen, weil ich gerade sehr intensiv bei meiner ersten Operninszenierung bin. Ich mache die Zauberflöte als erste Produktion hier in Nürnberg an der Oper in der nächsten Spielzeit. Und es wurde sehr spät bei den Proben. Aber zum Fußball: Ich habe alles gehört und es freut mich sehr!

BR-KLASSIK: Spanier scheinen irgendwie ein Talent zu haben, sich elegant zu bewegen. So war das gestern zumindest der Eindruck…

Goyo Montero: Ja, wir werden sehen, was sie auf der langen Reise machen. Manchmal haben sie gerade am Anfang viel Kraft und dann verlieren sie kraft sehr schnell. Also, wir werden sehen wie sie das ganze Turnier durchhalten…

"Es ist unsere Pflicht, Wagnisse einzugehen"

Lesen Sie hier ein BR-KLASSIK Portrait zu Goyo Montero.

BR-KLASSIK: So viel haben Fußball und Ballett wahrscheinlich nicht miteinander zu tun. Deswegen sprechen wir jetzt lieber über Ballett, und zwar über das, das morgen Abend Premiere hat. Da präsentieren sie junge Choreografie-Talente in Nürnberg mit ihren Produktionen. Was gibt es da zu sehen?

Goyo Montero: Mit großem Stolz präsentieren wir 13 Choreografien. In unserer Kompanie haben wir 24 Tänzer. Sie müssen sich also vorstellen – mehr als die Hälfte der Kompanie hat so viel Kreativität, dass sie ihre eigenen Choreografien präsentieren wollten. Und das macht mich natürlich unglaublich stolz.

Eine Choreografie ist immer eine Kommunikation mit einer anderen Seele.
Goyo Montero

BR-KLASSIK: Ist das beim Tanz besonders, dass anders als zum Beispiel beim Schauspiel oder bei der Oper, man als Tänzer die Stücke, die man tanzt, auch selbst schafft?

Goyo Montero: Ja, ich denke man, man muss einfach einmal in seiner Karriere als Tänzer versuchen selbst zu choreografieren. Dann versteht man auch besser wie das so ist, da vorne zu stehen und seine Ideen anderen Leuten vorzustellen. Weil Tanz ist die einzige Kunst, die man nicht alleine machen kann. Man braucht jemanden. Man kann für sich selbst choreografieren, ja. Aber für mich ist Tanz mehr als das. Für mich ist eine Choroegrafie auch immer eine Kommunikation mit einer anderen Seele, um einfach eine Zusammenarbeit zu schaffen. Als ich das erste Mal die Chance dazu hatte, habe ich sofort bemerkt, dass ich das mein ganzes Leben lang machen will. Dafür habe ich diese Plattform hier aufgebaut. Dass die Tänzer alle Möglichkeiten haben: Bühne, Kostüme, Musik, Lichtdesign und natürlich die Kraft der Kompanie.

Die Kompanie choreografiert für sich selbst

BR-KLASSIK: Wie muss man sich das vorstellen? Die jungen Choreografietalente tanzen sich dann ihre Produktionen gegenseitig vor? Oder wie sieht es aus?

Goyo Montero: Es ist anstrengend. Sie müssen ihre eigene Choreografie kreieren und dann mindestens drei Choreografien von den Kollegen tanzen. Weil wir viele Choreografen und vergleichsweise wenig Tänzer dazu haben. Sie müssen also auch bereit sein für die anderen zu tanzen. Es ist also anstrenged, es ist stressig. Gerade beim ersten Mal. Aber sie sind so professionell, so gut vorberietet, dass ich denke, das Niveau wird höher und höher.

BR-KLASSIK: Das heißt die. Die jungen Tänzer kritisieren sich auch gegenseitig?

Goyo Montero: Natürlich. Aber sie machen ja auch selbst Fehler, sie müssen korrigieren. Sie müssen Korrekturen geben und dabei springt man natürlich in die andere Rolle, in die Rolle vom Ballettmeister. Und man sieht dann auch wie die anderen Tänzer darauf reagieren. Man lernt viel bei diesen ersten Schritten. So wie man auf Englisch sagen würde: "to overcome the fear", seine Angst überwinden. Wie kann man seine eigene Angst auch nutzen und einfach in die Choreografie reinzugehen und loszulassen. Weil in dem Moment, in dem man die Choreografie zum Tänzer gibt, ist sie nicht mehr zu eigene.

Goyo Montero: Diesmal nur Beobachter

BR-KLASSIK: Was ist Ihre Aufgabe dabei?

Goyo Montero: Meine Aufgabe ist dabei mehr der Producer zu sein. Ich bin da, wenn sie Hilfe brauchen, wenn sie Fragen haben. Aber es ist wirklich die Arbeit der Tänzer. Sie haben die Proben absolviert, die Disposition gemacht, Kostüme und Lichtdesign gemacht. Ich bin also nur als Beobachter da. Für mich ist das also hauptsächlich Freude, dass ich die Bühne diesen jungen Talenten geben kann.  

BR-KLASSIK: Das Projekt heißt "Exquisite Corpse". Was heißt das eigentlich genau?

Goyo Montero: Das hat mit dem Surrealisten André Breton zu tun. Er hat ein Projekt gemacht, exquisite corpse, da wurde mich drei oder vier verschiedenen Künstlern gemalt. Einer hat angefangen, die nächste hat weitergemacht. Und am Ende kommt eine Zusammenarbeit dabei heraus. Bei diesem Abend haben wir nun 13 kurze, nur zehnminütige Stücke. Das Ganze werden wir dann als einen großen Abend sehen, der aber aus einzelnen Teilen besteht. Es sind verschiedene Persönlichkeiten, aber wir präsentieren das dann als eine Einheit.

"Mein Beruf ist es, mich zu bewegen." Goyo Montero

BR-KLASSIK: Jetzt gehen Sie nächstes Jahr aus Nürnberg weg. Wenn man Sie so hört, hat man den Eindruck, Sie strotzen vor Energie, Sie haben so viel zu tun. Sie haben eine wahrscheinlich noch gar keine Zeit, da irgendwelche Wehmut aufkommen zu lassen?

Goyo Montero: Das ist sehr ambivalent. Ich habe eine große Freude, ein neues Projekt anzugehen. Ich denke ich habe die Kompanie in den 16 Jahren weit nach vorne gebracht. Und jetzt ist die Zeit, dass ein anderer Künstler kommt, der in andere Richtungen geht. Und für mich ist es auch Zeit woanders hinzugehen und etwas Neues zu bauen. Denn nur, wenn ich woanders hingehe, werde ich auch weiter lernen. Aber man hat Angst natürlich. Weil hier in Nürnberg ist alles wunderbar. Wir haben die Kompanie gebaut und wir sind etabliert. Wir haben ein tolles Publikum, das liebt uns und ist mit uns sehr eng verbunden. Und das werde ich natürlich sehr sehr vermissen. Aber es ist mein Beruf mich zu bewegen. Und obwohl ich mich traurig fühle und es schwierig ist, sich zu trennen, ich muss das machen.

Exquisite Corpse

Premiere am Samstag, 22. Juni, 19:30 Uhr, in Nürnberg. Folgevorstellungen ab dem 25. Juni.

Sendung: "Leporello" am 21. Juni 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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