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Asmik Grigorian in "Pique Dame" Die magischsten Momente entstehen in der Einfachheit

In der Neuproduktion von Tschaikowskys "Pique Dame" an der Bayerischen Staatsoper schlüpft Asmik Grigorian in die Rolle der Lisa. Die ist in München keine Frau aus dem 18. oder 19. Jahrhundert. Mit ihrer blonden Perücke erinnert Lisa eher an eine Mischung aus Adele und Marilyn Monroe.

Szene aus "Pique Dame", Neuinszenierung an der Bayerischen Staatsoper (Februar 2024) | Bildquelle: Wilfried Hösl

Bildquelle: Wilfried Hösl

BR-KLASSIK: Asmik Grigorian, wo fühlen Sie sich eigentlich in dem Stück verortet – in welcher Lebensphase, in welcher Zeit?

Asmik Grigorian: Zuerst Mal finde ich es sehr schön, dass Sie mich danach fragen, wo ich mich eigentlich verortet fühle in dem Stück. Das ist nämlich für mich immer die allerwichtigste Frage, ganz egal, welche Oper ich gerade aufführe. Wo bin da eigentlich ich? Ich als Persönlichkeit? Speziell bei dem Stück ist es so, dass es mich in meine Kindheit zurückwirft. "Pique Dame" war eine der Lieblingsopern meines Vaters. Also, ich kann nichts daran ändern, ich bin da immer irgendwie in meiner eigenen Kindheit. Aber gleichzeitig, und das ist interessant, ist gerade die Lisa eine der wenigen Rollen, die ich als ausgesprochen weiblich empfinde. Das fällt richtig auf, weil viele andere Frauen, die ich so singe, so richtig kindische Züge haben. Lisa nicht. Sie erinnert mich darum auch immer an meine eigene Reife, meine Weiblichkeit. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber so fühle ich mich in dieser Oper!

Radio-Liveübertragung

In der Neuproduktion der Bayerischen Staatsoper ist Peter Tschaikowskys "Pique Dame" mit Asmik Grigorian, Brandon Jovanovich und Violeta Urmana in den Hauptrollen besetzt. Am Pult steht der usbekische Dirigent Aziz Shokhakimov.
BR-KLASSIK überträgt die Premiere live im Radio – am 4. Februar 2024 ab 18:00 Uhr.

BR-KLASSIK: Dazu passen ganz gut die eleganten, feminine Kleider. Was für eine Bedeutung haben sie, um sich in die Rolle einzufinden?

Asmik Grigorian: Ich muss sagen, ich war nie eine Künstlerin, die so genau wusste, wie man das Kostüm richtig trägt. Und Kostüme haben überhaupt keine Auswirkung darauf, wie ich in eine Rolle hineinschlüpfe. Aber hier ist es etwas anderes. Ich mag an dieser Produktion – und damit auch an den Kostümen, dass sie so einfach sind, so elegant. Dass sie eine Klarheit haben, reduziert sind. Denn ich bin der Meinung, die magischsten Momente entstehen in der Einfachheit. Und ich liebe diese Vielfalt an Kleidern, die ich trage, die sich im Wesentlichen nur im Farbton unterscheiden, aber ansonsten denselben Stil und sogar fast denselben Schnitt haben.

BR-KLASSIK: Es gibt wenig Farben, viel schwarz, nur der Chor ist mal bunt. Und es gibt die Videoeinspielungen mit ihrem Gesicht. Wie war das, als Sie die zum ersten Mal gesehen haben?

Asmik Grigorian: Ich habe sie mir nicht angeschaut Ich bin ja auf der anderen Seite, also auf der Bühne. Ich habe absolut keine Ahnung, wie die aussehen! Ich vertraue dem Produktionsteam, einen guten Job gemacht zu haben.

BR-KLASSIK: Und Sie sind überhaupt nicht neugierig?

Asmik Grigorian: Doch, bin ich schon. Irgendwann gibt’s eine DVD, da kann ich mir das dann mal ansehen. Aber es ist für mich eigentlich normal, dass ich die Produktionen, in denen ich mitwirke, nicht kenne. Und überhaupt, würde ich das vorher anschauen, dann fände ich mich vielleicht nicht schön genug, ich würde herumkritisieren, vor allem an mir selbst. Dann würde ich anfangen mitzumischen und wäre sicher nicht zufrieden mit mir. Also vertraue ich lieber den anderen und bin damit dann glücklich.

Mit der Stimme schauspielern

BR-KLASSIK: Nach der Pause gibt es ja die Szene auf der Brücke. Man sagt ja: Menschen, die sterben, lassen ihr Leben vor dem inneren Auge Revue passieren. Ich habe den Eindruck, Sie machen das mit ihrer Stimme.

Asmik Grigorian: Gerade diese letzte Szene, meine letzte Szene in der Oper, vor dem Selbstmord, ist äußerst komplex und richtig schwierig. Überhaupt ist Lisa alles andere als eine einfache Rolle, nicht stimmlich, nicht technisch. Die ist sogar richtig hart, kann man sagen. Aber das ist bei Tschaikowsky öfters der Fall. Man hat zuerst den Eindruck, es wäre alles ganz weich und geschmeidig. Aber gleichzeitig formt Tschaikowsky charakterlich unglaublich starke Frauen! Und da ist es echt schwierig, die Balance zu finden zwischen diesem russischen Heldinnen-Klang, weich und weiblich. Und gleichzeitig muss man aber noch die Kraft und die Energie des Charakters mit der Stimme darstellen. Lisa ist wirklich eine Powerfrau, und genau das mus ich auch zeigen! Also danke für das Kompliment. Genau das ist mir wichtig, mit der Stimme zu schauspielern, mit ihr zu zeigen, was in der Figur vor sich geht.

BR-KLASSIK: Liebt diese Lisa denn den Hermann wirklich oder will sie nur aus der Gewohnheit abhauen und den ersten Schritt der Emanzipation durchmachen?

Asmik Grigorian: Das ist genau die Frage: Liebt sie ihn wirklich oder nicht. Diese Frage stellen wir uns doch alle selbst dauernd: Lieben wir wirklich oder nicht? Ich denke, tatsächlich geht’s doch immer nur um uns selbst, wie wir selbst dazu stehen. Ich finde, Liebe ist eine Kombination aus ganz verschiedenen Faktoren. Für mich ist es so, dass jeder Mensch, der mir im Leben begegnet, irgendeine Rolle in meinem Leben hat. Die Begegnung ist für mich nicht zufällig. Und so ist es auch mit Menschen, die ich liebe. Sie bringen mich dazu, irgendwas zu tun oder zu verändern in meinem Leben. Irgendwas bewegt sich, ändert sich. Darum: Aus meiner Perspektive als Lisa liebe ich Hermann!

Jeder Mensch, der mir im Leben begegnet, hat irgendeine Rolle in meinem Leben.
Asmik Grigorian

BR-KLASSIK: Sie haben sehr schön ausgedrückt, dass Liebe auch bedeuten kann, jemanden zu etwas zu bewegen. Sie treffen hier auf der Bühne auf Violeta Urmana, eine Landsmännin von Ihnen. Bewegt Sie sie auch zu etwas?

Asmik Grigorian: Es ist nicht oft, dass man Menschen begegnet, die einen begeistern, weil sie so sind wie sie! Sie ist so eine Person. Wenn sie vor dir steht, kann sie etwas sagen oder auch still sein oder lächeln – und du fängst einfach an zu weinen. Weil sie so eine wahnsinnige Ausstrahlung hat. Das ist so eine seltene Qualität bei Menschen: Sie kann dich inspirieren, einfach, weil sie ist, wie sie ist! Ich könnte das nicht konkret machen, warum und wieso. Nein, sie braucht nur neben mir zu stehen und mir kommen die Tränen. Vor kurzem erst habe ich sie bei "Salome" in Hamburg näher kennengelernt. Und ich habe mich in sie verliebt.

BR-KLASSIK: In der Oper geht's ja auch um Mystik, um Aberglaube, ist das auch etwas, das Sie beschäftigt?

Asmik Grigorian: Ja und Nein! Ich halte mich eigentlich schon für eine mystische, eine spirituelle Person. Aber eigentlich auch nicht. Für mich ist es nur eine Frage der Bezeichnung, also des Wortes. Denn ich glaube nicht an Zauberei. Und zwar deshalb, weil alles für mich irgendwie einen Zauber hat. Ich denke, dass wir Menschen manchmal dazu tendieren, dass wir aus Unwissenheit Dingen etwas Mysteriöses zuschreiben. Ein einfaches Beispiel: Wenn vor 50 Jahren jemand von iPhones oder künstliche Intelligenz gesprochen hätte, dann hätten die Menschen das für Zauberei gehalten. Es gibt doch Millionen und Abermillionen Dinge, von denen wir Menschen keine Ahnung haben, wir kennen sie nicht, wir sehen sie nicht wir hören sie nicht.  Das ist doch keine Zauberei. Für mich ist die Realität das Magische und das Mysteriöse. Die Realität, die wir manchmal nicht verstehen, die wir nicht kennen, die wir nicht berechnen können. Also in diesem Sinne bin ich davon überzeugt, dass es etwas Mystisches gibt!

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