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Pianist Herbert Schuch "Mozart entlarvt uns schnell"

Am 7. Mai kommt der Pianist Herbert Schuch für das Konzert "Mozart meets Ravel" ins Münchner Gärtnerplatztheater. Wie passen die beiden Komponisten zusammen? Ein Gespräch über Schluchten, Schichten und Schnipsel.  

Herbert Schuch | Bildquelle: © Felix Broede

Bildquelle: © Felix Broede

BR-KLASSIK: Mozart war für Ravel so etwas wie ein Gott. Haben Sie einen Gott oder zumindest einen Halbgott unter den Komponisten?

Herbert Schuch: Ich würde sagen, dass die meisten der Komponisten nicht zu Unrecht so berühmt, und für mich sowas wie Götter oder Halbgötter sind. Man beschäftigt sich natürlich als Musiker gerne mit Musik, die irgendwie unerklärlich bleibt. Wo man auch als "alter Hase" immer dranbleibt, immer aufs Neue fasziniert ist. Und das ist bei Mozart, aber auch Ravel der Fall. Aber wenn ich wählen müsste, würde ich mich für Mozart entscheiden, weil ich mich da nie zufrieden zurücklehnen kann.

BR-KLASSIK: Warum?

Herbert Schuch: Gerade bei Komponisten wie Mozart, Beethoven, aber auch Schubert, umreißt man als junger Mensch noch gar nicht so richtig, was da alles an unterschiedlichen Schichten in dieser Musik vergraben ist. Man schält dann immer eine Schicht ab, und dann entdeckt man eine drunter und denkt sich: Jetzt ist man vielleicht angekommen. Aber es ist tatsächlich fast bodenlos, eben nichts "von der Stange". Deswegen kann man auch nicht mit Tricks oder ähnlichem arbeiten. Mozart entlarvt uns Musiker eigentlich relativ schnell.

BR-KLASSIK: Inwiefern?

Herbert Schuch: Man hört ganz schnell, ob jemand sich zu diesem Werk so viele Gedanken gemacht hat, wie es nötig ist. Oder ob man einfach mit einem "Rezept" an dieses Werk rangeht – mit dem Ziel, dass es funktioniert. Man will als Künstler immer seinen eigenen Anstrich geben, und das ist auch richtig so. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass das Werk selbst eine ganz starke Strahlkraft von innen hat. Ich finde es eigentlich viel spannender, wenn wir diese Strahlkraft nutzen und für sich sprechen lassen, der Musik Zeit geben, sich zu entfalten.

BR-KLASSIK: Stichwort "Zeit": In den Sozialen Medien scheint Mozart eher kaum präsent – im Vergleich zur Romantik, die große Gefühle direkt auf dem Teller präsentiert. Warum eignet sich Mozart da nicht?  

Herbert Schuch: Ich glaube, Mozart eignet sich nicht so gut, um in Häppchen verkostet zu werden. Er hat sich ja der klassischen Musiksprache bedient, die schon da war. Aber das Entscheidende ist eben, was er daraus macht. Es ist wie bei einer großen Kathedrale. Wenn man da ein Stein rausnimmt und sich den anschaut, denkt man: ein normaler Stein, nichts Besonderes. Aber als Ganzes ist das sehr beeindruckend – etwa bei dem c-Moll-Konzert, das ich jetzt spiele. Da steht Mozart schon sehr nahe am Abgrund und springt federleicht von Klippe zu Klippe. Und dieses theatralische Moment, immer am Limit zu sein, das müssen wir als Interpreten herausstellen, weil diese Musik sonst ganz schnell flach wird, eben weil sie so perfekt komponiert ist. Und weil alles stimmt und weil die Proportionen so unfassbar toll sind. Aber da reinzustechen und reinzugraben, empfinde ich als sehr lohnend.

BR-KLASSIK: Wenn wir noch bei den Häppchen bleiben und zwei kleine Ausschnitte von Mozart und Ravel direkt hintereinander hören: Was empfinden Sie da?

Herbert Schuch:  Es ist beide Male eine Melodie, die auf irgendeine Art und Weise verfremdet oder verschönert oder verklärt wird. Aber das Melodische steht im Mittelpunkt. Bei Ravels "Gaspard de la Nuit" ist das ganze Stück eine einzige Melodie, und die Melodie wandert von hier nach da und wird durch diese unglaublich üppige Begleitung verschleiert und verdeckt. Dieses Verschleiert- und Verdeckt-Melodische in der Musik von Mozart finde ich auch so wahnsinnig spannend, denn es gibt ganz viele kleine Noten. Nehmen wir mal Sechzehntel-Passagen. Als Pianist denkt man sich: Man muss da brillant und schnell sein. Aber eigentlich wohnt in jeder Figur von Mozart auch ein melodisches Element inne – egal, wie schnell das ist.

BR-KLASSIK: Sie bringen das Konzert jetzt auf die Bühne im Gärtnerplatztheater, wo normalerweise Oper, Operette und Musical stattfindet. Beeinflusst Sie das beim Spielen?  

Herbert Schuch: Der Raum spielt immer eine große Rolle, und wenn wir von Mozart sprechen, müssen wir eigentlich immer von Oper sprechen und immer davon, dass er Menschenfreund war in der Hinsicht, dass er die Menschen so gezeichnet hat, wie sie sind: mit all ihren Ausschlägen ins Positive und ins Negative. Ein Klavierkonzert dann auf so eine Opernbühne zu hieven, finde ich eigentlich nur logisch, weil es bei Mozart eigentlich eine Oper ist mit Personen, mit Dramatik, mit Entwicklung zwischen den verschiedenen Parteien, die sich da gegenseitig auch bekriegen und einander auflauern und lieben. Bewegung ist ein wichtiges Stichwort. Bei Mozarts Musik bewegt sich immer irgendetwas.

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