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Kommentar zur GEMA Geplante Reform schafft neue Konflikte

Die GEMA plant eine Vergütungsreform: Die bisherige Trennung zwischen "Ernster Musik" und "Unterhaltungsmusik" soll zugunsten der "Förderung musikalischer Vielfalt" aufgehoben werden. Gut gemeint, aber es drohen neue Grabenkämpfe.

Münzen liegen auf einer Klaviatur | Bildquelle: picture alliance / imageBROKER | Petra Schramböhmer

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Um es gleich vorwegzunehmen: Es ist kompliziert. Das aktuelle Verteilungsmodell der GEMA ist selbst für Eingeweihte schwer durchschaubar. Ein diffuses Punktesystem, viele Unterkategorien und Verästelungen, die für zusätzliche Unklarheiten sorgen. Der Wunsch nach Veränderung ist verständlich, ebenso wie die Einteilung in "Ernste Musik" und "Unterhaltungsmusik" gut abgehangen ist. Längst drückt sie keine klare Trennung mehr aus, allzu oft gehen Genres ineinander über.

GEMA will Kulturförderung neu ausrichten

Die Reformgedanken der GEMA, wie man sie online auf deren Website in verschiedenen Infoblättern und PowerPoint-Präsentationen nachlesen kann, wirken allerdings kaum einfacher gestrickt. Auch hier verliert man sich schnell im Dickicht aus Pfeilen, Sparten und Anträgen. Was sie aber bieten, sind ein Füllhorn an Allgemeinplätzen, über die nachzudenken lohnt. "Nachhaltig", "vielfältig" und "zukunftsfähig" soll sie sein, die sogenannte "Neuausrichtung der Kulturförderung". Außerdem "zielgerichtet", "sichtbar" und "solidarisch". Das klingt gut, weckt aber auch den Verdacht, dass sich der Teufel im Detail verbirgt.

E-Musik wird bislang durch U-Sparte mitfinanziert

Schauen wir also mal genauer hin: Die GEMA hat bisher einen Teil ihrer Einnahmen explizit der Sparte "E-Musik" vorbehalten. Das hat historisch gewachsene und wirtschaftlich messbare Gründe. Einerseits sind bei der GEMA gemeldete Komponierende der E-Sparte weit in der Unterzahl (ca. 10%) gegenüber dem Bereich "U" (ca. 90%). Andererseits funktionieren sowohl Entstehung als auch Aufführung von Kunstmusik grundlegend anders als in der Unterhaltungsbranche.

Im Geschäftsjahr 2023 trug das Repertoire der Kunstmusik drei Prozent zu den GEMA-Einnahmen bei. Die bisherige Förderung der sogenannten Ernsten Musik war also deutlich höher, als die nackten Zahlen ergeben hätten – zur Erinnerung: Es gibt einen Topf aus sozial-kulturellen Abzügen. Der macht 10 Prozent der gesamten Gebühren für alle aus. Davon gingen 30 Prozent an "E". Das sei heute nicht mehr vermittelbar, so eines der Hauptargumente der GEMA für das neue Modell. Daher das Konzept einer "genreneutralen" Förderung.

Neues Reformmodell lässt zu wünschen übrig

Das ist zunächst mal zu begrüßen. Die alten Grabenkämpfe zwischen E und U sollten vorbei sein. Das haben Vertreter:innen beider Lager auch immer wieder selbst betont. Doch die Art und Weise, wie die GEMA diesen Wandel kommuniziert, bewirkt eher das Gegenteil, oder musikalisch ausgedrückt: Das Feintuning lässt zu wünschen übrig – inhaltlich wie moralisch. Das neue Modell stellt die tatsächlichen Lizenzeinnahmen in den Mittelpunkt ("Inkasso-Prinzip"). Viele Konzerte im Bereich der Kunstmusik können mit den Gegebenheiten (Ort, Zuschauerzahl, Ticketpreise) der Unterhaltungsbranche nicht mithalten. Zudem soll die solidarische Quersubventionierung von größeren Gewinnen auf kleinere wegfallen. Gleichzeitig bietet die GEMA neue Förderungsansätze an: etwa für "Deutschsprachigkeit inkl. Mundart", "Nische & Nachwuchs", "Innovation" oder, besonders spannend, "Verzahnung von Musik und Text".

Die gewollte Auflösung der Dualität von E und U gerät zum neuen Schwarz-Weiß.

Doch wer verzahnt hier? Nach welchen Richtlinien? Ist es die Aufgabe einer Verwertungsgesellschaft, Jury zu sein/spielen? Sollte sie nicht vielmehr verbinden und kommunizieren? Im besten Fall ausgleichen? Eine lebendige Kulturlandschaft lebt doch von ihrer Vielfalt. Wenn das so ist, müsste sich diese Buntheit auch in der Finanzierung widerspiegeln. Was aktuell im Raum steht, ist eher eine Konfliktlinie, deutlicher als je zuvor. Die gewollte Auflösung der Dualität von E und U gerät zum neuen Schwarz-Weiß. Einen maßgeblichen Anteil daran hat die Kommunikation: vage, unkonkret – im Stil einer Unternehmensberatung.

E-Musik-Vertreter beim Reformprozess kaum beteiligt

Klarheit wäre jetzt geboten. Die GEMA betont, für die Entwicklung ihrer Pläne die Meinungen aus der Mitgliedschaft einbezogen zu haben. Doch welche genau? Der prominente Kritiker der Reformpläne Moritz Eggert - ordentliches GEMA-Mitglied und Präsident des Deutschen Komponistenverbandes -  wurde beispielsweise nicht beteiligt. Innerhalb der Führungsebene der GEMA ist mit der Komponistin Charlotte Seither nur eine E-Musik-Vertreterin dabei. Von Gleichgewicht kann keine Rede sein. Reaktionen auf ihre Kritik an der Reform, veröffentlicht am 19. März 2025 auf der Website des Deutschen Musikrats? Fehlanzeige.

Am 14./15. Mai wird abgestimmt

Dabei ist die GEMA ja ein Verein, also dem Prinzip der Basisdemokratie verpflichtet. Die Mitglieder haben es bei der Abstimmung am 14./15. Mai buchstäblich selbst in der Hand. Gerade weil die Gewichtung der berechtigten Stimmen so unterschiedlich ausfällt, wäre es ein starkes Signal, wenn beide "Lager" an einem Strang zögen – statt sich gegeneinander aufbringen zu lassen.  

Konkret kann das bei dieser Wahl nur bedeuten: erstmal auf Stopp, gegen die Reform, die für eine tatsächlich greifende Nachhaltigkeit zwingend nachgebessert werden sollte. Das fängt schon ganz oben an: Es braucht mehr Transparenz und Vielfalt im Gremium. Die Philosophie sollte überdacht werden. Weniger Fokus auf Cash, mehr auf den Flash. Es wird immer Grenzfälle geben, wie es immer Ungerechtigkeiten geben wird. Aber wenn mit einer derartigen Unwucht in die vielgepriesene Zukunft gestartet wird, ist der Crash ins Programm mit eingeschrieben. 

Sendung: "Allegro" am 15. Mai 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Montag, 12.Mai, 14:51 Uhr

Martin Degener

Geplante Reform schafft neue Konflikte

Von den neuen Reformbestrebungen der GEMA überrascht: Auch innerhalb der heutigen U-Musik gibt es sicherlich erhebliche musikalische Qualitätsunterschiede. Ein(e) kenntnisreiche(r) U- Komponist/in kann sich- bei einigermaßen zielsicherer Einschätzung der aktuellen „ U-Musik - Marktlage“- in Grenzen ein Bild davon machen, ob seine/ihre geschaffene Musik wohl großen Anklang finden oder eben nur einer begrenzten Zahl von Zuhörern gefallen wird. Auch in dem Fall, dass es ihr/ihm ein inneres Anliegen ist, ein bestimmtes Werk zu komponieren, wird er/sie es dennoch wagen, egal wie hoch oder gering das mögliche Einkommen ausfallen wird.
Dies entpuppt sich nun aber unter den aktuellen Zahlungsmodellen der Streamingdienste als finanziell gewagtes Unternehmen je nach gewählter Besetzung. Sollte die von der GEMA vorgeschlagene Reform die reinen E-Komponisten nun auch zwingen , in Ansätzen marktwirtschaftlicher denken zu müssen? Auch das als hypothetische Frage an die Gründungsväter der GEMA.

Montag, 12.Mai, 10:18 Uhr

T.S.

Einseitiger Kommentar

Jahn ist hier das Sprachrohr von Eggert, der doch nur um seine Pfründe kämpft.

Es hat aber auch Stimmen gegeben, welche die Reform begrüßen, und welche für mich überzeugend dargelegt haben, dass das gegenwärtige System korrupt ist. Ich verweise auf einen Essay von Susanne Wohlleber, die zeigte, dass selbsternannte Avantgardisten das System ausnutzen, indem sie in Bewertungsaussschüssen die tonale Konkurrenz als "unkünstlerisch" ausschließen, so dass sie den durch Pop finanzierten Kunsttopf unter sich aufteilen.

Außerdem haben die Pseudo-Avangardisten, die fast niemand hören will, ein intransparentes Punktesystem geschaffen, das ihnen ein jährlichen Zusatzeinkommen beschert, das ein Vielfaches ihrer Tantiemenansrprüche beträgt,

Ich weiß nicht, ob die GEMA-Reform gut und gerecht ist und neue kreative Impulse freisetzt. Doch für mich ist klar, dass eine Sackgasse der Musik nicht ewig durch ungerechtfertigte Subventionen erhalten werden sollte.

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