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Zum Tod von Gloria Coates Eine begnadete Künstlerin mit Tiefe

Gloria Coates war die erste Frau, von der die" musica viva"-Konzertreihe des BR jemals ein Stück ins Programm nahm. Ihre Musik hatte Tiefe. Nun ist die amerikanisch-deutsche Komponistin mit 89 Jahren in München verstorben.

Komponistin Gloria Coates | Bildquelle: Simon Leigh

Bildquelle: Simon Leigh

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Amerikanisch oder Deutsch? Das lässt sich bei der Komponistin Gloria Coates gar nicht so leicht sagen. 1933 kam sie in Wisconsin zur Welt, mehr als ihr halbes Leben hat sie aber in München verbracht. Ihre Schwabinger Wohnung bis unter die Decke vollgestellt mit Bildern, denn Coates hat immer schon auch viel gemalt. Oft im Treppenhaus, wo Platz war für die großen Leinwände. In München schrieb die alleinerziehende Mutter viele ihrer 16 Symphonien, die fähigsten Interpretinnen und Interpreten brachten ihre Kompositionen auf die Konzertbühnen und Coates war die erste Frau, von der die "musica viva"-Konzertreihe des BR jemals ein Stück ins Programm nahm.

Gloria Coates auf BR-KLASSIK

Anlässlich ihres Todes widmen wir die Sendung "Horizonte" am Dienstag, 29. August, der spannenden Komponistin Gloria Coates. Ab 22:30 Uhr auf BR-KLASSIK.

München statt Stuttgart

Dabei hätte alles anders kommen können. Mit vielen Talenten gesegnet, besteigt Gloria Coates 1969 mit Anfang 30 einen Frachter in Richtung Deutschland. Dabei die kleine Tochter, einen Dackel und elf Koffer Gepäck. Sie will Liedgesang studieren, in Stuttgart. Doch ein Zwischenstopp im sonnigen München, eine unschöne Begegnung mit einem Stuttgarter Reisebüromitarbeiter, der ihre kleine Tochter anraunzt, weil sie nach Prospekten greift, und eine Skiverletzung ändern alles. "Ich war Skilaufen in Schliersee und als ich auf einem Hügel stand, ist jemand in mich reingefahren und meine Wirbelsäule war verletzt. Ein Arzt dachte, ich werde niemals wieder laufen. Und da fiel mir ein, dass mein Leben nicht so wichtig ist wie die Musik, die ich damals komponiert habe."

Widerstände im Leben als Komponistin

Gegen viele Widerstände, auch innere, etabliert sich Coates als Komponistin. Sie widmet ihr Leben der Musik, hadert hier und da und macht trotzdem immer weiter. "Ich bin immer ein bisschen weggelaufen. Ich wusste, dass es nicht so leicht ist und dass es viel mehr Spaß macht, zu malen oder Theater zu spielen. Ich wusste, Komponieren, das ist ein schweres Leben für mich, das habe ich geahnt. Und ich habe früher immer gedacht, ich höre auf, weil es immer wieder so schwierig gewesen ist. Nicht das Komponieren, aber das ganze Leben als Komponistin, weil ich keinen Verlag und keinen Agenten habe. Aber jetzt weiß ich, ich komponiere, solange ich kann."

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Komponistin Gloria Coates | Bildquelle: Simon Leigh

Gloria Coates: Symphony No.1, "Music on Open Strings" (1973/1974)

Musik, die in die Tiefe geht

Ihre Orchesterwerke feiert die Kritik als "Ausdruck einer expressionistisch-apokalyptisch-mystischen Weltanschauung". Ihren Durchbruch feiert sie 1978 mit ihrer "Music on Open Strings". Ein Werk für Streichorchester mit anders gestimmten Saiten. Außerdem schreibt sie Vokalmusik, Streichquartette, elektronische Musik, Lieder, eine Kammeroper und andere Bühnenmusiken. Sie vertont Texte von Emily Dickinson oder ihrer Tochter. Sie komponiert Musik, die ins Tiefe geht. "Ich habe nicht so viel lustige Stücke, weil mein Unterbewusstes nicht so lustig ist. Ich habe sehr viel Trauriges in meiner Kindheit erlebt. Und ich bin zwar auch lustig, aber in meiner Tiefe bin ich eher ernst."

Komponieren als Kraftakt

Das Heitere, Lockere findet sich in ihren Bildern. Bunt, schnell und in großen Bewegungen trägt sie die Ölfarbe auf. Ihre Musik hingegen lebt von kleinen, bewussten Bewegungen, auch in der großen Form. Keine Frau hat so viele Symphonien komponiert wie Gloria Coates. Keine Frau stand je zuvor auf dem Spielplan der "musica viva"-Konzertreihe. Ihr Leben ist das einer begnadeten Künstlerin – und ein exemplarischer Kraftakt. "Es nimmt so viel Konzentration und eine Frau hat wenig Zeit. Meist sind Frauen verheiratet und haben Kinder, und dann ist es sehr schwer diese Konzentrationszeit zu haben. Und natürlich sind die Kinder wichtiger, als ein Stück zu schreiben. Heute haben wir Methoden, wo man schnell kochen kann und auch Essen bestellen kann. Und natürlich hat auch die Frauenbewegung geholfen – und ich hoffe, es bleibt so."

Gloria Coates hinterlässt uns wunderschöne Musik, knallbunte Bilder und eine ganze Reihe Tonaufnahmen – und dennoch wartet vieles darauf, gesichtet, eingespielt und verlegt zu werden. Es warten noch Entdeckungen.

Sendung: "Allegro" am 21. August 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Samstag, 26.August, 23:27 Uhr

Elyse

Dear Gloria

May her memory be for a blessing. We’ll miss you.

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