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Kritik – "Ariadne auf Naxos" in Passau Feuerwerk ist keine Lösung

Neureiche Mäzene und narzisstische Künstler finden nicht immer zusammen, was so tragisch wie komisch sein kann. Die Musik- und Gesellschaftssatire von Richard Strauss wird am Landestheater Niederbayern zu einem wunderbaren Kammerspiel über die Kraft der Poesie in einer irrsinnigen Welt.

Szene aus "Ariadne auf Naxos" | Bildquelle: Peter Litvai/Landestheater Niederbayern

Bildquelle: Peter Litvai/Landestheater Niederbayern

Eigentlich ist das Fürstbischöfliche Theater in Passau akustisch viel zu klein für die großen Opern von Richard Strauss, andererseits spielt die Musik- und Gesellschaftssatire "Ariadne auf Naxos" im Privattheater des reichsten Mannes von Wien, und dafür ist das ehemalige Ballhaus in Passau mit seinem intimen Charme genau die richtige Kulisse. Diesen Widerspruch gilt es über gut zwei Stunden hinweg auszuhalten: Die Musik passt kaum rein in den Saal, sprengt seine Dimensionen bei weitem, die Handlung fügt sich dagegen perfekt in diese gemütliche Übersichtlichkeit. Grund dafür: Der pittoreske Raum und die Zuschauer spielen sozusagen mit als vermeintliche Gäste im Gartensaal eines finanzkräftigen Kunstbanausen.

Satire in der Jugendstil-Ära

Szene aus "Ariadne auf Naxos" | Bildquelle: Peter Litvai/Landestheater Niederbayern Bildquelle: Peter Litvai/Landestheater Niederbayern Intendant und Regisseur Stefan Tilch und sein Bühnenbildner Karlheinz Beer verlegten die Satire in die Jugendstil-Ära, schließlich wurde die Oper in ihrer Erstfassung im Jahr 1912 uraufgeführt. Den Salon schmücken gepflegte Zimmerpalmen, ein Konzertflügel und die damals unvermeidliche Chaiselongue, auf der die affektierte Opernprimadonna in ihrer Rolle als titelgebende Ariadne ihre hysterischen Anfälle ausleben darf. Diese expressionistische Überspanntheit wirkt absolut authentisch, zumal das anfangs versprochene Feuerwerk zum Amüsement der neureichen Schickeria am Ende auch tatsächlich stattfindet – ein Aberwitz von fröhlicher Ausgelassenheit. Am Himmel verglüht nichts weniger als die Bildungsbeflissenheit, aber das verdirbt niemandem die Laune.

Poetisch und tröstlich anzuschauen

Szene aus "Ariadne auf Naxos" | Bildquelle: Peter Litvai/Landestheater Niederbayern Bildquelle: Peter Litvai/Landestheater Niederbayern Bei Strauss geht's um die manchmal frustrierende geistige Fallhöhe zwischen Künstlern und ihren Förderern, ein Thema, das hier allerdings in den Hintergrund tritt. Stefan Tilch interessiert sich nicht so sehr für die groteske Ignoranz des unsichtbar bleibenden Gastgebers, der zeitgleich eine tragische Oper und ein heiteres Singspiel aufführen lässt, sondern mehr für das kunterbunte Treiben innerhalb der leidgeprüften Künstlertruppe. Da dominieren Eifersüchteleien, Eitelkeiten, Narzissmus und Imponiergehabe, bis sich die Konkurrenten über das total absurde Engagement hinweg doch noch schätzen und lieben lernen. Das ist poetisch und tröstlich anzuschauen, oft von feinsinniger Komik. Und weil die XXL-Musik von Strauss das beschauliche Haus überwältigend aus- und erfüllt, berührt der Abend entsprechend nachhaltig.

Hymne auf Schönklang

Dirigent Basil H.E. Coleman vergaß sich hier und da vor lauter Hingerissenheit und Emotionalität und dehnt manche instrumental besonders farbenreiche Passagen arg lang. Etwas mehr Tempo hätte stellenweise gutgetan, auch um den satirischen Biss zu schärfen. So war es eher eine Hymne auf melodische Üppigkeit und Schönklang. Unter den Solisten begeisterte Emily Fultz als Zerbinetta noch etwas mehr als Anne-Theresa Albrecht in der kräftezehrenden Titelrolle, was einerseits daran lag, dass eine heitere Rolle meist äußerlich effektvoller ist als eine tragische. Andererseits stieß die Sopranistin bei den ungemein anstrengenden Höhen im Dauer-Forte bisweilen an ihre Grenzen.

Mut zur Persiflage

Szene aus "Ariadne auf Naxos" | Bildquelle: Peter Litvai/Landestheater Niederbayern Bildquelle: Peter Litvai/Landestheater Niederbayern Reinhild Buchmayer in der Hosenrolle des Komponisten am Rande des Nervenzusammenbruchs spielte und sang mit einer Aufrichtigkeit und Intensität, die entgegen der Erwartung völlig ironiefrei war – warum soll ein Künstler dem Banausentum nicht mal mit Ernsthaftigkeit statt Spott entgegentreten? Kristian Benedikt hatte in der Doppelrolle als gestresster Tenor wie als heilbringender Bacchus Mut zur Persiflage, ohne deshalb ins Klamaukige abzugleiten. Insgesamt ein wunderbares Kammerspiel über die verbindende Kraft der Poesie inmitten einer irrsinnigen Welt des schönen Scheins.

Sendung: "Allegro" am 11. November 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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