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Kritik – Richard Strauss' "Daphne" in Berlin Castelluccis verschneite Wüstenei

Sie gehört nicht gerade zu den häufig gespielten Opern von Richard Strauss: "Daphne". Dem griechischen Mythos nach wirbt der Hirte Leukippos um Daphne. Aber auch Gott Apollo ist scharf auf sie. Das kann nicht gutgehen. Am Sonntag feierte die Oper in einer Inszenierung von Romeo Castellucci an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin Premiere.

"Daphne" von Richard Strauss an der Staatsoper Berlin | Bildquelle: Monika Ritterhaus

Bildquelle: Monika Ritterhaus

Es schneit auf der Bühne der Staatsoper. Mittendrin steht ein mickriger kahler  Baum. Die von Daphne so sehr geliebte Natur – sie ist eine Wüstenei. Der Tag, den sie im Lied verabschiedet, er ist schon längst vergangen. Diese Welt, sie scheint am Ende ihrer Zeiten angekommen. Von der "Bukolischen Tragödie" jedenfalls, wie Richard Strauss seine Oper genannt hat, ist in der Inszenierung von Romeo Castellucci nicht viel zu sehen.

"Daphne" von Richard Strauss an der Staatsoper Berlin | Bildquelle: Monika Ritterhaus Pavel Černoch (Apollo) und René Pape (Peneidos) | Bildquelle: Monika Ritterhaus Die griechischen Hirten, die hier ein Fest zu Ehren des Dionysos feiern wollen, laufen in Outdoor-Anoraks oder weißen Overalls ziemlich ziellos umher. Weiß wie der Anzug des steif daherstolzierenden Gottes Apollo, der dem der Oper zugrunde liegenden Mythos nach seinen Sonnenwagen angehalten hat, um sich auf einen irdischen Kampf mit dem Hirten Leukippos einzulassen – um die Daphne, die so richtig keinen von beiden will.

Musikalisch verhalten

Und so verfroren verhalten, wie das in dem Schneetreiben oft aussieht, so klingt es auch. Die großen Bögen, die Strauss in diesem 1938 entstandenen Spätwerk komponierte – die Staatskapelle unter dem Dirigat von Thomas Guggeis schlägt sie nicht. Dem Orchester, aber auch manchem Sänger fehlen Kraft und Dynamik. Pavel Černoch als Apollo etwa dringt kaum über den Orchestergraben hinaus. Vera-Lotte Boecker als Daphne braucht Zeit, um ihren kristallklaren Sopran wirklich zur Entfaltung zu bringen. Anna Kissjudit als Mutter Gaea dagegen nimmt einen mit in tiefste Tiefen mit ihrem vollen Organ. Ihre Arie – ein grandioser Abgesang.

Castellucci verliert sich in plumper Symbolik

"Daphne" von Richard Strauss an der Staatsoper Berlin | Bildquelle: Monika Ritterhaus Vera-Lotte Boecker (Daphne) | Bildquelle: Monika Ritterhaus Denn alles ist hier irgendwie schon vorbei. Es ist diese Idee, der Castellucci hier wohl Raum geben will – und sich darin verliert. Auch weil er diesen Raum mit so viel plumper Symbolik füllt – schwarze Sonnen, beschwörende Ausdruckstänze, am Ende ein Banner mit der Aufschrift "Waste Land" – als Replik auf T.S. Eliots Gedicht "Das wüste Land". Darunter reißt Daphne den kahlen Baum aus, der fortan als Strunk über ihr hängt, während sie immer tiefer gräbt auf der Suche, wo sie denn noch Wurzeln schlagen kann – vereint mit der Natur.  Da fängt es auch schon wieder an zu schneien … Die Musik verklingt und der Abend lässt einen recht ratlos zurück. Wirklich berührt hat diese "Daphne" jedenfalls nicht.

Sendung: "Allegro" am 20. Februar 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Mittwoch, 22.Februar, 06:15 Uhr

Bassetto

Daphne

Natürlich ist „Daphne“ kein populäres Werk, kann aber in einer sehr guten Aufführung durchaus mitreißend sein. Dazu muss man bei der Besetzung allerdings deutlich ambitionierter agieren als es der Staatsoper Unter den Linden hier offenbar gelungen ist.
Wer hören möchte, wie die beiden unglaublich schwierigen Tenor-Rollen klingen können, der greife zu der historischen Live-Aufnahme mit James King und Fritz Wunderlich unter Karl Böhm. Meine Lieblingsinterpretin der Titelpartie ist Lucia Popp mit dem BRSO unter Bernard Haitink.

Montag, 20.Februar, 17:58 Uhr

Klaus Thiel

Premiere DAPHNE Berlin

Am späten Abend des 15. Oktober 1938 rief Walter Gieseking, der in Hannover ein Konzert gegeben hatte und nur die zweite Hälfte der Uraufführungsübertragung in seinem Hotelzimmer live hatte hören konnte, Karl Böhm in Dresden an: er musste um jeden Preis erfahren, wie Strauss das Wunder Verwandlung zustande gebracht hatte, das silbrige Glänzen der Lorbeerblätter...
Thomas Guggeis wird wohl ein wenig auf solche Anrufe warten müssen !
Wieso ist die "Daphne" heutigen Regisseuren derart zuwider ? Schon die letzte Produktion der DO wurde nur mühsam durch Thielemanns Seriosität am Scheinleben gehalten: ein kümmerlicher Bonsai im Glas - aber immerhin kein Schnee...

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