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"West Side Story" am Deutschen Theater München Die Wurzeln des amerikanischen Traums

Die "West Side Story" und das Deutsche Theater München verbindet eine lange Geschichte. Jetzt kehrt der Musical-Klassiker in einer Neuinszenierung von Broadway-Veteran Lonny Price zurück – klassisch gefärbt und brillant getanzt von einem jungen dynamischen Ensemble, das der altbekannten Geschichte neues Leben einhaucht.

West Side Story am Deutschen Theater München | Bildquelle: Johan Persson

Bildquelle: Johan Persson

Die "West Side Story" gehört zur DNA des Deutschen Theaters Münche. Seit dem 15. Juni 1961, als an der Schwanthalerstraße die deutsche Erstaufführung des Musical-Klassikers über die Bühne ging, kehrte Leonard Bernsteins Variante der Romeo und Julia-Geschichte unzählige Male in Münchens Tempel der Leichten Muse zurück, um immer wieder neue Generationen mitzureißen. Und natürlich endete auch die Weltpremiere der neuen englischsprachigen Tourneeproduktion wieder mit stehenden Ovationen und nicht enden wollendem Jubel für das perfekt gecastete junge Ensemble.

Viel Herzblut im Orchester

Dass diese "West Side Story" auch nach über sechs Jahrzehnten so frisch wie am ersten Tag wirkt, liegt – wie sollte es anders sein – vor allem an Bernsteins mit Ohrwürmern gespickter Partitur, die hier von einem für Musicalverhältnisse erfreulich groß besetzten Orchester unter Leitung von Grant Sturiale mit viel Herzblut umgesetzt wird. Da dürfen die Streicher im berühmten "Maria" oder in der ähnlich ikonischen Balkonszene pathetisch schwelgen und die jungen Liebenden in den siebten Himmel heben. Gleichzeitig kommt aus dem Graben aber auch ordentlich Druck für die Auseinandersetzungen zwischen den Jets und Sharks.

Intimität im Bühnenbild

West Side Story am Deutschen Theater München | Bildquelle: Johan Persson Braune Ziegelwände und Feuerleitern in den engen Häuserschluchten New Yorks sorgen für eine neue Intimität in den Dialogszenen. | Bildquelle: Johan Persson Szenisch haben die Produzenten von BB Promotion der Show diesmal eine Generalüberholung verordnet, die zu den Wurzeln des Stückes zurückgeht. War die letzte Tournee mit ihren stilisierten, offenen Kulissen ganz als großes Tanzspektakel ausgerichtet, beschwören nun wieder braune Ziegelwände und Feuerleitern die engen Häuserschluchten New Yorks herauf und sorgen durch die Verkleinerung des Raums für eine neue Intimität in den Dialogszenen. Wobei es dem Broadway-erfahrenen Regisseur Lonny Price gelingt, dank ausgefeilter Personenführung selbst sonst gern etwas statisch geratende Nummern wie das "Tonight"-Quintett aufzulockern und in Bewegung zu halten. Unterstützung dafür kommt auch von Anna Louizos‘ wandelbarem Bühnenbild, das sich nostalgisch durch die bunte Werbewelt der amerikanischen Konsumgesellschaft zitiert und mit wenigen Handgriffen rasche Szenenwechsel erlaubt.

Schauplatz: die späten 1950er

Louizos und Kostümbildner Alejo Vietti verorten das Geschehen dabei klar in den späten 1950ern. Denn wie Regisseur Price im Vorfeld verlauten ließ, bildet "West Side Story" für ihn und sein Team einen ganz bestimmten Moment in der amerikanischen Geschichte ab, dessen erschreckende Aktualität dem Publikum aber wohl trotzdem nicht entgehen dürfte. Und selbst wenn man natürlich weiß, dass die Liebe von Maria und Tony in einer von engstirnigen Vorurteilen und Fremdenhass geprägten Welt keine Chance hat, hofft und leidet man dennoch auch diesmal wieder mit dem Paar, ehe der fatale Schuss im Finale die angespannte Stille im Saal durchbricht und im Publikum die eine oder andere Träne verdrückt wird.

Authentizität statt große Opernstimmen

Melanie Sierra und Jadon Webster verkörpern die beiden Liebenden mit großer Authentizität. Keine großen Opernstimmen, wie man ihnen bei Stadttheater-Produktionen oftmals begegnet, sondern zwei ausgewiesene Musicalprofis mit solidem klassischem Fundament, die Bernsteins populären Songs ihren ganz eigenen Stempel aufdrücken und auch im "Somewhere"-Traumballett eine gute Figur machen.

Tanzszenen: das große Plus dieser Inszenierung

Was die Tanzszenen betrifft, lautet das Motto: keine Experimente. Und so setzte man bewusst auf die ikonische Originalchoreografie von Broadway-Legende Jerome Robbins, die von Julio Monge wieder zum Leben erweckt wurde. Und hier liegt wohl das größte Plus dieser neuen "West Side Story". Denn das junge Ensemble wirft sich absolut kompromisslos und mit jeder Menge Adrenalin in die großen Ballettsequenzen und liefert die Nummern mit einer bestechenden Präzision ab. Da knistert es ordentlich beim "Dance at the Gym", wo sich die verfeindeten Gangs zu pulsierenden lateinamerikanischen Rhythmen auf dem Tanzparkett "duellieren". Und auch das von Kyra Sorce als Anita mit wehenden Röcken angeführte "America" schäumt geradezu über vor Lebensfreude und Glauben an den amerikanischen Traum, der in dieser dicht gearbeiteten Produktion immer wieder vorgeführt wird, letztlich aber unerreichbar bleibt.

Sendung: "Allegro" am 19. Dezember 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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