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Kritik - "Falstaff" in Hof "Alles ist nur Spaß auf Erden"

In Hof zeigt man Verdis Falstaff als eine historische Figur. Das hilft diesen Genussmenschen auch in der Me-Too-Gegenwart zufassen. Ebenso wie der ungewöhnliche Rückgriff das Libretto in einer deutschen Übersetzung zu singen.

Szene aus "Falstaff" am Theater Hof 2023. | Bildquelle: Harald Dietz/Theater Hof

Bildquelle: Harald Dietz/Theater Hof

 "Verliebt, verzückt, verzaubert" heißt das Motto des Theaters Hof für die Spielzeit 2022/23, an deren Ende  man nun Giuseppe Verdis "Falstaff" setzte. Verdis Alterswerk wurde dabei übrigens zum ersten Mal in Hof gezeigt, eine Hofer Erstaufführung also, 130 Jahre nach der Uraufführung in Mailand. Zur Zeit hat die Figur des unverbesserlichen alten Charmeurs Falstaff Konjunktur in deutschen Opernhäusern. Neben Verdis Oper war der Frauenheld auch in Nicolais Oper "Die lustigen Weiber von Windsor" 2022/23 in insgesamt acht Produktionen zu sehen. Dazu noch eine Wiederentdeckung "Falstaff" – von John Balfe in Annaberg-Buchholz. Ist Falstaff ein liebenswerter Dandy oder doch ein Fall für Me-Too?

Ein aus der Zeit gefallener Genussmensch?

Am Theater Hof untersuchte als Produktionsteam drei Frauen Falstaffs Verhalten: Nilufar K. Münzing (Regie), Britta Lammers (Bühne) und Uta Gruber Ballehr (Kostüme): Sie geben Falstaff durchaus menschliche Würde. Sicherlich ist er ein Anarchist und Genussmensch, und wohl auch aus der Zeit gefallen, gar zu sehr nur auf sein eigenes Wohlbefinden bedacht, und im Feenwald wird ihm von den Geistern nicht nur ein Schabernack bereitet, es formiert sich mit Schrifttafeln sogar Protest gegen seine alles konsumieren wollende Lebenshaltung. Auch scheinen die sich gegen ihn verbündenden Frauen Falstaff überlegen, aber Falstaff wirkt sympathischer als deren Ehemänner und die anderen oft konfusen Mannsgestalten. Ehe der Vorhang vor der Pause fällt, verpasst Frau Ford ihrem allzu unangenehm eifersüchtigen Ehemann unvermittelt eine Ohrfeige.

Falstaff ist eine historische Figur. Auch in der Hofer Inszenierung

Schon bei Shakespeare war Falstaff, dem der 200 Jahre zuvor lebende Häretiker John Oldcastle zugrunde liegt, eine historische Figur. Die Inszenierung siedelt das Geschehen um die vorletzte Jahrhundertwende, also zur Entstehungszeit von Verdis Oper an und zitiert im Bühnenbild den Jugendstil, wobei Falstaff in historistischen Kostümen und beim Tete à Tete mit barocker Perücke bewusst ein wenig aus dem Rahmen fällt.

in Hof wird auf Deutsch gesungen, in einer wortwörtlichen Übersetzung

Szene aus "Falstaff" am Theater Hof 2023. | Bildquelle: Harald Dietz/Theater Hof Gregor Dalal als Falstaff in Hof. | Bildquelle: Harald Dietz/Theater Hof Bemerkenswert, ja geradezu inzwischen schon originell ist die Entscheidung des Theaters Hof, in Deutsch und nicht in der Originalsprache singen zu lassen, inzwischen ist dies auf deutschen Bühnen schon so unüblich, dass man Taras Konoschenko, der kurzfristig für den stimmlich erkrankten Michail Rudzinski bei der Premiere einsprang und die Rolle des Pistola von der Seite sang, erlauben wollte, auf Italienisch zu singen. Doch auch er passte sich dem Ensemble an. Wenn so wortdeutlich wie in Hof gesungen wird, werden in der Übersetzung von Hans Swarowsky die Qualitäten und der intellektuelle Witz von Arrigo Boitos Libretto deutlich, vor allem aber unterstreicht die Übersetzung den forcierten Konversationston Oper, die fast ohne Arie, abgesehen vom Räsonnement Falstaffs, auskommt und die Auseinandersetzungen geschickt verdichtet.

Alle Partien sind überzeugend besetzt

Verdis Alterswerk ist mit diesem Verfahren - etwa gegenüber Puccini - seiner Zeit geradezu voraus, ja "Falstaff" scheint das 20. Jahrhundert bisweilen vorwegzunehmen.  Die Hofer Symphoniker unter Ivo Hentschel wissen diese Konversation äußerst spannungsvoll zu begleiten und sie mit pointierten Einwürfen zu grundieren. Falstaff ist jedenfalls ein Ensemble-Stück, bei dem das Theater Hof alle elf Partien überzeugend besetzen kann, sei es der harte Mr. Ford (Nils Stäfe), oder seine selbstsichere Gattin (Inga Lisa Lehr) oder auch etwa  Mrs. Quickly (Stefanie Rhaue) mit ihren "Reverenza!", Einwürfen. Vor allem aber ein Vergnügen: Georg Dalal in der Titelrolle, klar in der Diktion, voll schauspielerischer und sängerischer Energie.

Und so berührt auch wieder Verdis Fuge am Ende. Resignation, sich ins Alter fügen und  doch heiteres Weiter-Machen, und vor allem: sich relativeren können. Alles ist Spaß nur auf Erden!

Sendung: "Allegro" am 12. Juni ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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