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Kritik – Renée Fleming und Jewgenij Kissin in Salzburg Denkwürdiger Liederabend zweier Koryphäen

Corona hatte ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht, als sie im März 2020 auf Welt-Tournee gehen wollten: Die US-amerikanische Sopranistin Renée Fleming und der russische Pianist Jewgenij Kissin. Jetzt holen die beiden die Tournee nach. Am 3. August machten sie Station bei den Salzburger Festspielen. Ein in mehrfacher Hinsicht denkwürdiger Abend.

Jewgenij Kissin und Renée Fleming bei Liederabend bei den Salzburger Festspielen | Bildquelle: SF/Marco Borrelli

Bildquelle: SF/Marco Borrelli

Kritik – Salzburger Festspiele

Renée Fleming und Jewgenij Kissin

Ja, man kann einen Liederabend kaputtklatschen. Als Renée Fleming und Jewgenij Kissin nach knapp zwei Stunden im Schlussjubel stehen, haben sie etwa 20 Zwischenappläuse tapfer weggelächelt. So wird ein doch sinnig zusammengestelltes Programm zur Häppchenware. Da öffnen sich keine Komponistenwelten - weder die von Henri Duparc, noch die von Liszt, und auch nicht die von Rachmaninow. Es ist unfassbar: der phänomenale Evgeny Kissin muss laufend damit rechnen, dass man ihm seine in vielen Farben schillernden Nachspiele, lauter dynamisch aufs Feinste abgestufte Zauberwerke, durch Lärm zerschießt.     

Die Salzburger Festspiele 2023 bei BR-KLASSIK

Lesen Sie alle Neuigkeiten rund um die Salzburger Festspiele in unserem Dossier.

Renée Fleming – Stimme mit honigsüßer Cremigkeit

Renée Fleming bei Liederabend bei den Salzburger Festspielen | Bildquelle: SF/Marco Borrelli Renée Fleming in Salzburg | Bildquelle: SF/Marco Borrelli Auch Renée Fleming könnte zwischendurch ein bisschen Ruhe gut brauchen. Bei den vier Schubert-Liedern zu Beginn erkämpft sie sich die Höhe und ringt ums Piano. Der Text ist nicht zu verstehen, die Strophen zerfasern. Und dann springt die Stimme an – bei Rachmaninow. Und wir hören, was immer noch ihre einzigartige Qualität ausmacht: ihre honigsüße Cremigkeit. An Crème double fühlte sich der Dirigent Georg Solti einst erinnert. Und da ist was dran. Beglückend die französischen Lieder von Franz Liszt. "Quand je dors" wird zur leicht verschatteten und ganz sanft alptraumhaften Berceuse. Und da sind sie, die großen leuchtenden Bögen; die Stimme strömt frei und glutvoll. Und liefert sich ein hinreißendes Frage- und-Antwortspiel mit Kissins magisch raunenden Klaviertönen. Und man wünscht sich, dieses Chanson, das viele faszinierende Schleifen dreht, würde gar nicht mehr aufhören.

Jewgenij Kissin – Spiel mit lässiger Noblesse

Jewgenij Kissin bei den Salzburger Festspielen 2023 | Bildquelle: SF/Marco Borrelli Bildquelle: SF/Marco Borrelli Kissin serviert mit lässiger Noblesse und ohne Show ein paar ebenfalls heftig akklamierte Soli – und unterstützt und trägt seine Partnerin von Anfang an hingebungsvoll. Renée Fleming kann sich glücklich schätzen – und weiß das auch. Schon zur Pause applaudiert sie ihm. Am Ende verabschieden wir eine große Sopranistin, die nach 40 Jahren Karriere noch so viel kann – und einen sensationellen Begleiter am Flügel. Die letzte Zugabe ist Richard Strauss. Und jetzt darf geklatscht werden.

Sendung: "Allegro" am 4. August 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (4)

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Dienstag, 08.August, 07:09 Uhr

Dr. Klaus Billand

Zuviel und immer wieder auch früh klatschen

Es stellt sich in der Tat immer mehr als eine große Unsitte heraus, nahezu zwanghaft Künstler unmittelbar auch nach nur Teilen ihrer Darbietungen zu beklatschen, oder sogar noch in die letzten Takte hineinzuklatschen, wie das immer häufiger bei Opern, auch bei internationalen Festspielen, geschieht. Das ist offenbar Teil des Ausdrucks einer gewissen Event-Kultur bzw. -Wahrnehmung von musikalischen Leistungen, zu denen man ja eine oft teure Karte erworben hat und die man also nun um jeden Preis feiern "muss", ganz abgesehen davon, ob das zu Hörende wirklich höchsten Ansprüchen genügte.

Dagegen gibt es zwei Maßnahmen: Nach einem Konzert und am Ende einer Oper sollte der Dirigent (sofern man ihn von Publikum aus sieht) den Takststock eine Weile ruhig stillhalten und erst dann entspannt die Hände senken. Maestro Tetsuro Ban hat das kürzlich beim Lech Classic Festival gezeigt. Es wirkt perfekt. Ein Pianist kann die Spielhand noch einen Moment regungslos hochhalten. Das löst das Problem!

Dienstag, 08.August, 05:18 Uhr

Gerald Sperlich

Programmhinweise bezüglich Applaus

Ich stimme Karl Bauer zu. Hinweise im Programmheft - etwa zwischen einzelnen Stücken nicht zu applaudieren - könnten sicher hilfreich sein. Noch besser fände ich, wenn das zusätzlich auch durchgesagt würde (neben der Bitte, das Handy auszuschalten, weil sowohl Geräusche als auch Displayleuchten die Konzentration der Umsitzenden stören). Viel zu selten findet man in Programmheften auch den Hinweis mit der Bitte, zwischen den einzelnen Teilen nicht oder nur unauffällig zu husten.

Dienstag, 08.August, 03:36 Uhr

Trappe

Unterhaltung

Ein Beleg dafür, dass sich der Reiche als musikalischer Trottel Salzburg leisten kann, nicht mehr der gebildete Zuhörer. Und die Pause und Stille, welche ist ja — ach so furchtbar - für manche zu sein scheint, gehört zur Musik!!! Im Alltag zücken solche Menschen sofort ihr Handy. Wie dumm, dass dies in Konzerten nicht erwünscht ist, gell?
Traurig, dass eben heute Musik nur noch unterhalten soll und muss. Tja, der Liederabend setzt eben besonders Intellekt und Vorbereitung bei den Interpreten, als auch beim Publikum voraus. Der Genuss und Atmosphäre stellt sich dann leider für alle an jenem Abend nicht ein.

Montag, 07.August, 12:41 Uhr

Karl Bauer

Publikum von HEUTE??

Es ist ungeheuerlich wieviel musikalische Analphabeten sich herausnehmen, einen (Lieder) Abend zu (zer)stören!!! Vielleicht sollte in den Programmen ein Hinweis stehen bezüglich Applaus!

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