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Kritik – Vivaldis "La fida ninfa" bei den Innsbrucker Festwochen Eine Insel zum Verlieben!

Wären wir in Salzburg, wir hätten sicherlich echte Tiere auf der Bühne gesehen, wie zuletzt bei Bohuslav Martinůs "The Greek Passion" in der Felsenreitschule. Die Innsbrucker Festwochen Alter Musik hingegen bieten uns ein hübsches Stoffschaf, ein kleines Schifferl, welches am Ende lieb über die Bühne gezogen wird und auch sonst eine eher reduzierte Ausstattung. Natürlich schreit der Aufführungsort jetzt auch nicht gerade nach ganz großem szenischem Kino, wobei, eine Kostümparty gibt es durchaus - und allerlei handkolorierte Kulissen.

Szene aus "La fida ninfa" bei den Innsbrucker Festwochen 2023 | Bildquelle: Birgit Gufler

Bildquelle: Birgit Gufler

Wir sind im Haus der Musik, in den Kammerspielen, und erleben die zweite von drei Vivaldi-Premieren. Dem Meister aller Barock-Klassen ist heuer ein Schwerpunkt gewidmet. Nach dem Auftakt mit der groß dimensionierten "Olimpiade", in der es tatsächlich um eben jenes auch heute noch sehr beliebte Weltereignis geht (eher seltener Fall: hier kommen Barock-Musikfans und Sportbegeisterte gleichermaßen auf ihre Kosten!) und bevor der Oratorien-Schlager "Juditha triumphans" die Vivaldi-Trilogie beendet, nun also "La fida ninfa". Geschrieben zur Eröffnung des neuen Opernhauses in Verona im Jahre 1732 (nein, wir reden von einem Theater, nicht von der Arena ...). Bauherr war der Marchese Francesco Maffei, der es sich nicht nehmen ließ, selbst das Libretto zu verfassen. Warum denkt man dabei unweigerlich an die Tiroler Festspiele Erl und ihren Mäzen Hans Peter Haselsteiner? Liegt in oder auf seinem Schreibtisch vielleicht auch ein Libretto, das der baldige Chef Jonas Kaufmann wenn schon nicht vertont, so doch zumindest singt? Wir sind gespannt!

Der Glaube an die (wahre) Liebe

Szene aus "La fida ninfa" bei den Innsbrucker Festwochen 2023 | Bildquelle: Birgit Gufler Bildquelle: Birgit Gufler Zurück zu Vivaldi. Er hatte damals gerade eine Zeit voller Geldsorgen und musste rasch Stück für Stück liefern. Die treue Nymphe entstand in kurzer Zeit und stellt nicht ganz so hohe Anforderungen ans Sängerensemble wie andere Werke. Dennoch singt sich das nicht mal eben so vom Blatt. Vor allem die leidende, liebende, liebevolle Nymphe muss sich mit einem Koloraturengewitter auseinander setzen. Chelsea Zurflüh verkörpert die Dame namens Licori hinreißend. Die Quintessenz des Stücks lautet: glaube an die (wahre) Liebe, lass dich nicht verrückt machen! Bevor dies das Opernpersonal begreift und unmittelbar vor dieser Erkenntnis noch knapp einem Unwetter entkommt (man sieht, welche Gegenwärtigkeit manche Stücke - momentan - haben!), passiert viel Irres, aber auch berückend Schönes. Im Programmheft gibt es Regisseur François de Carpentries irgendwann auf, die Handlung sauber nachzuerzählen (aber er inszeniert punktgenau und sauber). Nicht weiter schlimm. Auch wir sagen es kurz und knapp: auf einer Insel gibt es Piraten, Schäfer und gleich zwei Nymphen (die wir jetzt einfach mal als junge, ansehnliche Dirndl übersetzen). Zwei Brüder, die sich als solche erst ganz spät erkennen und weitere, barock-typische Verwechslungen kommen hinzu und fertig ist ein musiktheatraler Suppentopf, der allen schmeckt - im Publikum und auf der Bühne.

Energie vom Graben zur Bühne und umgekehrt

Szene aus "La fida ninfa" bei den Innsbrucker Festwochen 2023 | Bildquelle: Birgit Gufler Bildquelle: Birgit Gufler Ausstatterin Karine Van Hercke arbeitet mit einfachen, aber wirkungsvollen bemalten Prospekten, durch die Szenerie läuft auch mal ein geflügeltes Einhorn, ein paar (kleine) Totenköpfe liegen herum, ansonsten bleibt es eher heiter und bunt. Viel entscheidender als die Handlung ist ohnehin das singende und musizierende Team. Am Pult des Barockorchester: Jung (der Name ist Programm) steht die tolle, unter anderem am Salzburger Mozarteum ausgebildete Chiara Cattani und sorgt für einen eher fluffigen, wo nötig aber auch zupackenden Klang (Cattani entlockt dem Cembalo auch noch großartige Begleittöne). Viel Energie fließt vom Graben zur Bühne und umgekehrt. Großartig Yevhen Rakhmanin als Oralto, seines Zeichens Inselherrscher und Korsar, nicht minder überzeugend die (in ihren Rollen) identitätsmäßig nicht ganz zuzuordnenden Countertenöre Nicolò Balducci (Osmino) und Vojtětch Pelka (Morasto, der Name ist hier nicht Programm!). Mit Elina Welle als (weiterer) Nymphe Elpina und dem jungen, frischen Tenor Kieran White als altem Schäfer Narete gibt es noch zwei Stimmen, die sich harmonisch ins Sextett einfügen. Mit Inselbegabung, im positivsten Sinne, sind sie alle gesegnet!

Sendung: "Allegro" am 15. August 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Sonntag, 20.August, 00:54 Uhr

Peter Kurt Weiss, Salzburg

La fida ninfa

Mit dieser Oper ist den Festwochen ein brillianter Wurf gelungen. So soll Oper sein. Die Entartungen der Salzburger Festspiele brauchen nicht kommentiert zu werden, da gehen wir auch nicht mehr hin. Eine Oper, die perferkt in der musikalischen Ausführung und stimmlichen + schauspielerischen Besetzung Freude macht und so sollte es eben sein.

Freitag, 18.August, 22:13 Uhr

Ralf Pauli

Missverständnis

Wer eine Botschaft hat, möchte sie manchmal immerzu verbreiten. Das kann man machen. Es muss halt passen. Im Text steht nichts von einer Bewunderung von Inszenierungen, die mit echten Tieren aufgepeppt werden. Der Schreiber meint nur, in Salzburg wären ist wohl - anders als in Innsbruck- echte Tiere gewesen. Wie gesagt: Die seltene Praxis wird weder begrüßt noch angeprangert, sie wird nur erwähnt. Die Kritik schießt über das Ziel hinaus und nimmt dieses Missverständnis zum Anlass für ein Tierethik-Plädoyer.

Donnerstag, 17.August, 08:23 Uhr

Luisa Schmedt

Tiere auf der Bühne

Echte, lebende Tiere gehören nicht auf die Bühne. Es sind leidensfähige Wesen, das bedeutet für sie viel zu viel Stress. Leider sind Opernkritiker*innen, vor allem die Männer darunter, oftmals so abgestumpft, dass sie das wie dieser Herr Fuchs nicht anfechten. Da fehlt ein Kaliber wie die Tierrechtlerin Hilal Sezgin, die sogar von klassischer Musik Ahnung hat, wovon man sich neulich in einer Sendung des NDR überzeugen konnte. Sie macht jedenfalls das, was ich auch mache: Wenn in einem Film Tiere leiden, verlässt sie das Kino, wenn sie in einem Buch malträtiert werden, schlägt sie es zu. Sie würde bestimmt auch eine Opernaufführung verlassen, wenn Tiere auf der Bühne zur Schau gestellt werden. Schlimm, dass die Kultur jegliches Feingefühl dafür verloren hat. Was Sezgin in ihrem wichtigen Buch "Artgerecht ist nur die Freiheit" geschrieben hat, sollte sich jedenfalls auch Herr Fuchs hinter die Ohren schreiben.

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