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Kritik – "Die Zauberflöte" in Hof Gelungene Umdeutung

Mozarts "Zauberflöte" als Oper über den Klimawandel: In der Neufassung von Ivona Sokola und in der Inszenierung von Kerstin Steeb wird Pamina als mutige Frau zur zentralen Figur. Die Hofer Aufführung überzeugt vor allem aber musikalisch.

Zauberflöte | Bildquelle: H. Dietz

Bildquelle: H. Dietz

Schon kurz nach ihrer Uraufführung 1791 hat Mozarts und Emanuel Schikaneders Oper "Die Zauberflöte" vielfach Umdeutungen und Fortsetzungen erfahren, Goethe etwa hatte einen zweiten Teil konzipiert oder Franz Grillparzer im Reich der "Königin der Nacht" ein Reich der Zensur gesehen.

Was macht die neue Dialogfassung mit der "Zauberflöte"?

Das Theater Hof hat nun 232 Jahre später die Uraufführung einer Dialogneufassung von Ivana Sokola, einer jungen, aber bereits mehrfach preisgekrönten Dramatikerin angekündigt. Sokola versteht ihre Fassung als "Überschreibung", sie beschränkt sich auf Kürzungen, einige neue Akzentuierungen, belässt aber grundsätzlich den Text der Gesangnummern, vor allem aber unterstützt sie das Regiekonzept von Kerstin Steeb.

In Hof ist die "Zauberflöte" weniger ein naiv komödiantisches Zaubermärchen, sondern vielmehr eine Dystopie. Welche Welt übergibt die ältere Generation – die Königin der Nacht einerseits und Sartastro andererseits – der jüngeren Generation in Zeiten des Klimawandels, in denen sie als Klimakatastrophen Wasser- und Feuerproben zu bestehen hat? Das Reich der Königin der Nacht ist in Steebs Inszenierung eine schwarze Insel mit einigen Zeichen der Naturzerstörung. Die drei Damen der Königin der Nacht fahren hier mit einem Fahrzeug umher, um seltene Vögel einzusammeln. Eine fast vollkommen leere Halle hingegen Sarastros Reich, jedoch erzeugen Scheinwerfer auf immer wieder nieder und hochgezogenen Traversen bisweilen in Nebelschwaden effektvolle Lichteffekte (Bühne: Lorenza Díaz Sephens und Jan Hendrik Neidert, Lichtdesign: Jürgen Burger) Auf einem Tretroller fahrend gibt der Priester (Thilo Andersson) in diesem Lager seine Anweisungen. Die Arie "Bewahret euch vor Weibertücken" ist gestrichen, denn die bisweilen aufscheinende Frauenfeindlichkeit der Schikanederschen Zauberflöte ist in der Neufassung konsequent aufgehoben. Pamina ist eine starke, junge, ja freche Frau; sie bleibt im Finale allein zurück, während Tamino mit Sarastros Anhängern davonzieht – zu neuen Prüfungen, aber ohne Frau.

Assoziationsreiche Inszenierung, transparentes Musizieren

Die Assoziationen der Inszenierung leuchten zwar nicht immer ein, aber sie verblüffen. Warum auch nicht? Warum zum Beispiel sind die drei Damen gleichzeitig die Schlange, die Tamino bedroht? Warum sind die "drei Knaben" Kolleginnen dieser Damen? Sie fallen später von der Königin der Nacht ab und wenden sich Sarastro zu. Drei Frauen gegen drei Frauen. Die zu Sarastro abgefallenen Frauen sind bei ihm offensichtlich als Putzfrauen angestellt und tragen schließlich Hochzeitskleider. Von der Dialogneufassung gefällt vor allem der Monolog von Monostatos (Markus Gruber), ein einsamer weißer Mann, der in seinem neu gekauften Cabrio im Urlaub gerne auch einmal eine Beifahrerin neben sich sitzen hätte, kein schwarzer Sklave wie bei Schikaneder. Überzeugend auch die Introduktion in den 2. Akt: Kein Aufrufen ägyptische Götter durch Sarastro, sondern das Einstudieren einer politischen Rede, die er demnächst zu halten gedenkt.

Musikalisch überzeugen die von Ivo Hentschel geleiteten Hofer Symphoniker schon in der Ouvertüre, klar, durchsichtig spielend, ja geradezu berührend. Kein komödiantischer Hampelmann, eher zurückhaltend ist Papageno (Andrii Chakow). Ein wenig frecher als er tritt noch Papagena (Henriette Schein) auf. Michael Rudzinski sowohl der Sprecher als auch Sarastro raisonniert als gelassener Politiker, Minseok Kim überzeugt sehr lyrisch als Tamino, während selbst in ihren Todeswünschen Sophie Magdalena Reuter als Pamina sich gefühlsstark und selbstbewusst gibt. Am eindrucksvollsten ist aber wohl Laura Braun in glasklaren Koloraturen als Königin der Nacht.

Ein gemütvolles, naives Kindermärchen ist diese Zauberflöte wohl kaum. Doch auch wenn in der Hofer Inszenierung wenig Hoffnung aufleuchtet, ein anregendes Gedankenspiel ist die Neufassung zweifellos. Das Premierenpublikum dankte mit freundlichem Schlussapplaus.

Sendung: "Allergro" am 25. September ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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