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Kritik - Urbański bei den Münchner Philharmonikern Die Kraft der Stille

Krzysztof Urbański und Jan Lisiecki unternehmen gemeinsam mit den Münchner Philharmonikern einen bewegenden Streifzug durch die polnische Musikgeschichte. Auf dem Programm: Werke von Kilar, Mikołaj und Chopin.

Dirigent Krzysztof Urbański am 30. April 2025 bei den Münchner Philharmonikern | Bildquelle: Tobias Hase

Bildquelle: Tobias Hase

Der Applaus, so heißt es im übertragenen Sinne, sei das Brot eines jeden Künstlers und jeder Künstlerin. Manchmal ist es aber auch genau andersrum und das Schweigen das größte Kompliment, das man einer Aufführung machen kann. Wenn man der Musik eine Chance gibt, in einem drin weiterzuwirken, anstatt das aufgestaute Adrenalin im Applausdonner zu entladen.

In diese Kategorie fällt zweifellos auch die dritte Symphonie des polnischen Komponisten Henryk Mikołaj Górecki. Und so war es durchaus verständlich, dass Dirigent Krzysztof Urbański nun in der Isarphilharmonie das Publikum vorab darum bat, diesmal au den Beifall zu verzichten, um der Musik ihren Raum zu geben. Denn in den vertonten Texten geht es ans Eingemachte. Im Zentrum stehen drei Frauen, die durch Jahrhunderte getrennt, aber in ihrer Trauer verein sind. Die aus dem religiösen Kontext entlehnte Maria vor dem Kreuz ebenso wie die in einem polnischen Volkslied verewigte Mutter, die nach dem Grab ihres im Krieg gefallenen Sohnes sucht. Vor allem aber jenes Gedicht, das die von der Gestapo verhaftete Helena Wanda Błażusiakówna 1944 in die Wand ihrer Zelle ritzte.

Gesänge der Trauer und der Hoffnung

Ein Werk geradezu prädestiniert für den aktuellen Themenschwerpunkt der Münchner Philharmoniker, die zum 80. Jahrestag der Befreiung dem "Traum vom Frieden" nachspüren. Und von Urbański mit viel Herzblut dargeboten, wenn das meditativ dahinwogende Grundmotiv in den sonoren Kontrabässen seinen soghaften Anfang nahm und nach dem schrittweisen Hinzutreten von Celli, Bratschen, zweiten und ersten Geigen schließlich seine volle Wucht entfaltete. Interessant auch die Entscheidung, das Sopransolo in diesem Fall auf gleich die Stimmen zu verteilen. Wobei neben Countertenor Michał Sławecki mit Edyta Krezemień und Anna Federowicz auch zwei Sängerinnen zum Einsatz kamen, die sonst eher im Musical beheimatet sind. Eine Farbe, die der Symphonie gut zu Gesicht stand, weil es die Interpretation aus den Sphären der klassischen Sakralmusik befreite und den eindringlichen Worten eine anrührende Ehrlichkeit verlieh. Da störte es auch nicht, dass Goreckis Klangsprache manch alteingesessenen Neutönern womöglich wieder einmal zu gefällig war. Denn gerade beim jüngeren Publikum schien das Werk bestens anzukommen.

Musikalische Grenzgänger

Einen ähnlich starken Eindruck hinterlassen hatte zu Beginn des Abends aber auch schon die symphonische Dichtung "Krzesany" aus der Feder von Wojciech Kilar. Er dürfte einem breiten Publikum vor allem für seine Filmmusik zu Coppolas "Dracula" oder Polanskis "Der Pianist" ein Begriff sein. Doch auch seine Werke für den klassischen Konzertsaal haben es durchaus in sich. Da begegnete man einerseits rhythmisch abwechslungsreichen Volkstänzen, die vom Komponisten aber immer wieder gebrochen werden. Wobei teilweise jedes der Streicherpulte eine eigene Stimme zu spielen und der Dirigent neben den präzise agierenden Philharmonikern auch noch eine Schulklasse des Thomas-Mann-Gynasiums zu koordinieren hatte, die sich mit zusätzlichem Schlagwerk ins Finale einmischte.

Jan Lisiecki beeindruckt mit Chopin

Jan Lisiecki am 30. April 2025 bei den Münchner Philharmonikern | Bildquelle: Tobias Hase Der kanadische Pianist Jan Lisiecki am 30. April 2025 bei den Münchner Philharmonikern | Bildquelle: Tobias Hase Abgerundet wurde der durch und durch polnisch gefärbte Abend schließlich noch mit Musik von Frédéric Chopin, für die man sich nur schwer einen besseren Interpreten als Jan Liesiecki vorstellen kann. Brachte er für die "Grand Fantaisie sur des airs polonais" doch neben seiner atemberaubenden Technik auch ein sicheres Gespür für die vielen zarten Nuancen mit, die er in engem Austausch mit den Philharmonikern und dem Dirigent aus den Noten herauskitzelte. Da wurde die Musik trotz teilweis dicker Orchesterbegleitung stets aus der Stille heraus entwickelt. Und es war einfach nur bewundernswert, wie Lisiecki sogar in den filigransten Momenten seine Präsenz behauptete und die Spannung zu keiner Sekunde abreißen ließ. Eine Qualität, die ebenfalls seine effektvolle aber nie effekthaschende Lesart des "Krakowiak" auszeichnete, mit der er nach dem viel zu schnell vorbeirauschenden Opus 13 zum Glück gleich noch einmal feinsinnig nachlegen durfte, ehe ihn das Publikum umso enthusiastischer feierte.

Sendung: "Allegro" am 2. Mai 2025 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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